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Zeitschrift für christliche Kunst — 26.1913

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Heft 7
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Die Dorfkirche auf der Internationalen Baufach-Ausstellung in Leipzig
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https://doi.org/10.11588/diglit.4358#0122

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213

1913. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr 7.

214

in strotzender Jugendkraft, wie in dem
vorigen Bilde, sondern grau, gebückt und
mit niedergewandtem Blick. In seiner
Rechten hält er eine Axt, mit dem er den
früchtelosen, verkrüppelten Baum — das
Gegenstück zu dem prangenden Paradieses-
baum — auszuroden im Begriff war. Da
schreitet von der Gegenseite her feierlich
und übermächtig Gottvater heran. Ein
krähenartiger Vogel flattert schreiend davon.
Öde Wildnis ringsumher, und nach ermatten-
dem Sturme eine zerbrochene Welt. Das
klingende Blau des Gewandes und das tiefe
Rot, das der Mantel Gottvaters zeigt, zwei
Töne, die die alten Meister als sog. Madonnen-
farben besonders gern zusammenstimmten,
geben auch hier einen wirksamen Zusammen-
klang.

Einen noch kräftigeren Akkord, als die
eben geschilderten Malereien, bringen die
Gemälde zum Erklingen, die sechs Felder
der kassettierten Holzdecke schmücken. Da-
von sind zwei Bilder in der Nähe der Orgel-
empore, zwei in der Nähe des Chores und
zwei in der Mitte der Decke. Nicht weil
sie farbiger wären als die Bilder an den
Emporen, sondern weil sie in einem Blick-
felde zu fassen sind, wirken die Decken-
gemälde auf das schauende Auge so jubelnd
und erfüllen das Innere der Kirche mit einem
So heiteren, festlichen Ton.

Da schaut an erster Stelle das Bild
eines Jünglings herab. Selbstsicher hat er
die Arme verschränkt. Der Oberkörper ist
nackt. Erst von den Hüften abwärts fließt
ein langes Gewand in grünen und gelben
Streifen. Es ist Daniel, jener vornehme
jüdische Jüngling, der im Dienste der ge-
waltigen Chaldäerkönige seines Gottes nicht
vergaß und daher auch aus allen Bedräng-
nissen sieghaft hervorging. So aus dem
feurigen Ofen, wie auch aus der Grube der
Löwen, die auf unserm Bilde in drei Ver-
tretern die freibleibende Bildfläche aufteilen
helfen.

Das Nachbarbild zeigt eine weitere alt-
testamentliche Gestalt, die des Jonas. Er
ist im Gegensatz zu dem kraftstrotzenden
Jüngling daneben als älterer Mann dargestellt,
der kärgliches weißes Haupthaar und eine
Bartkrause trägt. Aber das dreitägige
Wohnen im Bauche des Fisches, der hinter
ihm die freie Bildfläche füllt, ist kaum dazu

angetan gewesen, ihn zu entmutigen. Hoch
aufgerichtet, das Gesicht von herber Strenge
erfüllt, steht er da. Im Widerspiel zu der
Gestalt Daniels ist die des Jonas in ihrer
oberen Hälfte bekleidet, während die Beine
frei sind. Auch die Farben sind gegensätz-
lich gewählt, soweit das gelbe Untergewand
von einem langwallenden roten Mantel ge-
deckt wird.

Das mittlere Bilderpaar zeigt die Propheten
Elias und Elisa. Elias, nach unserer
Meinung zu wenig als der kühne Wahrheits-
künder, wie er vor Ahab stand, aufgefaßt
und zu sehr als sanfter Heiliger, ist mit
einem roten Gewände angetan. Nach beiden
Seiten hat er die Hände ausgebreitet, um
von zwei Raben das Brot und von zwei
weiteren, die auf seiner Schulter sitzen, das
Fleisch in Empfang zu nehmen. Das Charak-
teristische dieses Bildes liegt in der ruhigen
Symmetrie, die über die Gestalt bis ins
einzelnste ausgegossen ist.

Der Nachfolger und Schüler des Elias,
Elisa, nicht weniger kühn und gewaltig
als sein Vorgänger, ist als älterer Mann auf-
gefaßt, der an einem Krückstock des Weges
dahinschreitet und in dem Augenblick sich
umwendet, als Bären an den ihn schimpfen-
den Knaben das Strafgericht vollziehen.

Die beiden letzten Deckenmalereien stellen
Hesekiel und Moses dar. H e s e k l e 1 sitzt
grüblerisch in sich zusammengesunken da
und hält mit der Feder all die wunderlichen
Gesichte fest, von denen das 1. Kapitel des
gleichnamigen biblischen Buches berichtet.
Die Gesichte selbst haben in den freien
Ecken der Bildfläche malerische Gestalt
gewonnen.

Und nun zuletzt die Gestalt des Moses.
Sie erinnert in ihrer ganzen Haltung an
Michelangelos Moses. Genau wie sein hehres
Vorbild will auch dieser Moses sich von
seinem Sitze erheben, um nach der Seite,
nach der sich das ganze Gewicht des Körpers
hinüberlehnt, fortzugehen. Aber noch zögert
er. Noch hält er an sich. Statt aufzu-
stehen, wendet er das gewaltige Haupt mit
den trotzig nach vorn strebenden Fühlern
wie im Widerwillen nach der entgegen-
gesetzten Seite. Die Hand greift fest in den
wallenden Bart und vervollständigt so das
Bild der mühsam zurückgehaltenen Erregung.
Nur die Macht seiner Augen läßt sich nicht
 
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