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Zeitschrift für christliche Kunst — 33.1920

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Beitz, Egid: Eine kölnische Standmadonna aus der zweiten Hälfte des XIV. Jahrh.
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https://doi.org/10.11588/diglit.4307#0044

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34

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.

Nr. 3

Malerei, verrät aber auch in der durchaus nicht am kleinlichen haftenden Art, mit
der das Werk aus einem Baumstamm von geringem Durchmesser herausgehauen
ist und in prachtvoller Plastik durch die drei Dimensionen schwingt, einen treff-
lichen Meister

Abgesehen von dem recht gut beglaubigten ursprünglichen Aufstellungsort läßt
ein Vergleich mit den Schöpfungen der zeitgenössischen Plastik keinen Zweifel, daß
die Madonna in Köln geschaffen worden ist. Der Schleier ist bereits vom Kopf auf
die Schultern herabgesunken, und das Kind nur noch halb bekleidet. Der Kopf-
typus der Mutter findet sich vielfach bei kölnischen Reliquienbüsten wieder. Die
Anordnung des Gewandes, der Faltenwurf, Linienführung, Kopf und Körper des
Kindes haben — von Frankreich her wesentlich beeinflußt — viel kölnisch Kon-
ventionelles, aber trotzdem füllt das Stück im Kölner Denkmälerbestande des
XIV. Jahrh. eine bedeutsame Lücke aus, insofern als es mitten auf dem Wege steht,
der von der architektonischen Gebundenheit der Domapostel zu dem Naturalismus
des XV. Jahrh. führt. Noch geht durch die Figur — viel feiner in Wirklichkeit
als auf der Abbildung zu erkennen ist —die flammende Linie der frühen Gotik, die
die trockene Wissenschaft die „gotische S-Linie" zu nennen behebt. Was von der
frühen Zeit in der Friesentormadonna noch nachklingt, ruft unmittelbar die Er-
innerung an die Mailänder Madonna im Kölner
Dom auf. Gerade ihre wundersame Grazie lebt
in der Friesentormadonna noch weiter, ganz im
Gegensatz zu der Mehrzahl der großen und klei-
nen kölnischen Standmadonnen der gleichen
Zeit, die vielfach auffallend in die Breite gehen
und dadurch eine Behäbigkeit erlangen, die die
ehemalige Himmelskönigin zu sehr ins Spieß-
bürgerliche niederzieht. Anderseits ist noch viel
von dem Geist der Architektur in ihr, der die
Plastik der frühen Zeit Untertan war, aber zu-
gleich dehnt sich auch bereits in ihrem Flammen-
schwung die leibhafte Frau, die Frau, die auch
irdische Mutter des wohlgenährten Kindes, das
sie auf dem Arme trägt, sein kann Sie schwebt
nicht mehr, sondern sie steht mit beiden Füßen
auf der Erde. Das unirdische Traumlächeln ver-
gangener Jahrzehnte ist aus ihren Gesichtszügen
verschwunden, die Augen, die Wangen, die Na-
senflügel, das Mündlein, das Kinn und der Hals
— alles schwillt bereits zu blühendem irdischen
Leben. Und zu irdisch fast, schier kokett rieseln die
Locken des Hauptes auf beiden Seiten der Brust
noch einmal unter dem Schleier hervor. Nur das
Gold des Lockenhaares und die Gewänder in ih-
rem ursprünglich golden, silbern und weiß strah-
lenden Glänze sind noch nicht von dieser Welt.
Die Plastik des XIV. Jahrh. ist den Weg ge-
Abb. 1. Köln, um 1400. gangen, den auch die Malerei ging, nicht völlig
 
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