Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 33.1920

DOI Artikel:
Beitz, Egid: Die christliche Kunst und die Trennung von Kirche und Staat
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4307#0078

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nr. 5/6 ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.___________QJ

kann. Er schmückt sich mit Federn, die ihn nicht kleiden und deren Kosten
er nicht getragen hat.

Man frage einmal die Kunsthistoriker christlicher Weltanschauung an den
Museen, wie oft Arbeiterorganisationen oder sonstige Vereine der Parteien, die
die Trennung von Kirche und Staat wollen, zu ihnen gekommen sind und um
eine Führung durch den Geist christlicher Kunstwerke gebeten haben. Die Zahl
derartiger „Freunde" christlicher Kunst ist gleich Null. Da führt man das Volk
viel lieber imrmr wieder in Theaterstücke mit ganz besonders gerichteter Tendenz,
aber in einem christlichen Museum könnten Regungen aufgerufen werden, die
man eingeschläfert hat und die man ertöten zu können glaubt. Man erkennt diesen
„Geist des modernen Staates" schon an Kleinigkeiten. So heißt bei ihm ein
Muttergottesbild: Mutter und Kind, und das Schmerzensbild einer Pieta: Mutter
und Sohn — und man denkt sich allerlei Profanes dabei.

Bisher haben sich Kirche und Staat gegenseitig in der Denkmalpflege unter-
stützt. Beide lassen sich aber auch bis zur Stunde noch immer wieder Verfeh-
lungen gegen die Denkmalpflege zuschulden kommen, und wollte man hier nach
dem größern Sünder von beiden forschen, so würde dieEntscheidung wohl schwer-
fallen. Im Dienste der Kirche hat vor allem jeder Geistliche in seinem Bereich das
hohe und verantwortungsvolle Amt eines Denkmalpflegers, und zwar nicht allein
aus Gründen einer vernünftigen Verwaltung des ihm anvertrauten Gutes, sondern
auch nach den ausdrücklichen Bestimmungen des Codex iuris canonici (can. 1182
§ 1). Danach sollte es keine Verschandelung oder leichtfertigen Verkäufe kirch-
lichen Kunstgutes geben, ebensowenig wie Diözesanmuseen bestehen dürften,
die in ihrem heutigen Zustande nur Karnkaturen eines Museums sind. Daß Ver-
stöße gegen die Denkmalpflege der christlichen Kultur schweren Schaden bringen,
ist klar. Hier muß die Kirche mit allen Mitteln Wandel schaffen. Tut sie es nicht,
dann kann man sich nicht wundern, wenn der Staat sich eines Tages auf den
Polizeistandpunkt stellt, der ihm das Recht gibt, alle diejenigen, die mit ihrem
Hab und Gut nicht zu hausen wissen, einfach zu entmündigen. Der christlichen
Kunst und Kultur wird damit allerdings kein besonderer Dienst getan. Wenn der
kirchliche Kunstbesitz Nationaleigentum ist, dann ist es sicher, daß sich alsbald
die staatlichen Museen mit Madonnen und Kreuzigungsbildern füllen; der Staat
wird stolz auf sie sein, weil sie, in Markkurs ausgedrückt, eine ganz besonders hohe
Wertung haben und die Museumsbeamten seines Geistes werden die Kunst dem
Volke bringen und vor den Werken, die einst der Kirche gehörten, von Komple-
mentärfarben, von einer schönen Geste und von einer aufregenden Linie schwär-
men. Den Geist der Heroen der Kunst, die diese Werke einmal schufen, werden
sie aber dem Volke nicht zum Leben erwecken, denn das wäre nicht im Sinne des
„modernen Staates", und das kann recht auch nur der, der aus demselben religiösen
Herzensquell schöpft, aus dem die Farben und die Linien der christlichen Kunst-
werke geflossen sind.

Das sind nur einige wenige Blicke auf eine Entwicklung, die kommt, wenn
sie so weiter geht, wie sie ihren Anfang genommen hat. Noch ist es nicht so
weit. Wir können einigermaßen zufrieden sein, wenn es uns gelingt, den Zu-
stand zu erhalten, der heute zwischen Staat und Kirche besteht. Er ist in
einigen Artikeln der neuen Reichsverfassung vom 11. August 1919 festgelegt.
Die wesentlichen Bestimmungen lauten: Artikel 157: Die Religionsgesellschaften
 
Annotationen