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Zeitschrift für christliche Kunst — 33.1920

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Renard, Heinrich: Der Einfluss der wirtschaftlichen Lage auf die christliche Kunst
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Nr. 5/6___________ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.___________79

füllung entgegenzuführen. Es war eine Zeit der Massenproduktion, in der die
Güte der Leistung eine geringere werden mußte, besonders wenn Eile nottat,
oder die Hast des Erwerbslebens sich unwillkürlich auch auf höhere Dinge über-
trug. In dem Wettbewerb jener Zeiten haben sich selbst tüchtige Künstler nicht
frei von der Erwerbshast halten können, sie sind gewissermaßen dem Gott Mammon
in die Arme gefallen, sind Macher geworden, um den Machern von Beruf und
Anlage gleich zu sein, jenen, die in schönen Häusern wohnen, ebenbürtig gegen-
übertreten zu können. Sie haben ihr künstlerisches Gewissen zum Schweigen
gebracht. Andererseits standen vielfach Geistliche vor großen Bauaufgaben,
die vorzubereiten sie gar nicht in der Lage waren, da sie bisher ihre Kräfte aus-
schließlich der Seelsorge und verwandten Gebieten pflichtgemäß hatten widmen
müssen und keine Zeit fanden, sich mit technischen Problemen abzugeben. Manch-
mal haben sie dann den überlasteten Künstler, den Spezialisten genommen, oder den
erstbesten Techniker berufen, aus deren Hand oft ein In praktischer Beziehung
verfehltes Werk oder ein solches ohne besonderen künstlerischen Wert geflossen ist.

Aber neben dieser Hast des Erwerbslebens hat nicht zum Wenigsten der
Steuerzettel einen ungünstigen Einfluß auf die kirchlichen Bauten der Gemeinden
ausgeübt; war er es doch, der die Bausumme zwar schuf, aber auch begrenzte,
wenn die Regierung mit ihrem Aufsichtsrecht bei Dingen der Vermögensver-
waltung eingriff, die Höhe der kirchlichen Umlage beschnitt und zeitlich be-
grenzte. So konnte nicht mehr mit jener Bekenntnisfreudigkeit, die unsere mittel-
alterlichen Kirchen zu so stolzen Werken werden ließ, gebaut werden, die Gottes-
häuser tragen deshalb so oft den Stempel des Bedarfsbaues an der Stirn, der sich
auch nicht immer verwischen ließ, wenn opferfreudige Gemeindeglieder später
den Raum ausstatteten und schmückten.

Wir stehen an den Trümmern unseres früheren Wohlstandes, und unsere
Armut zwingt uns zu sparsamer Lebenshaltung, aus der nach dem Gesetz des
Pendels eine Verinnerlichung entstehen muß. Denn, wenn uns der materielle Reich-
tum eine innerliche Verarmung brachte, muß, wenn nicht alle Zeichen der
Gegenwart und die Erkenntnisse aus der Geschichte trügen, die äußere Ver-
armung eine Bereicherung in sittlich-religiöser Beziehung bringen, die sich
wiederum auf dem Gebiete der christlichen Kunst auswirken wird.

Zunächst muß man als erstes Ziel das Erhalten und Bewahren des über-
lieferten Besitzes im Auge behalten; es gilt mit Wenigem haushalten. Die Mittel
unserer Gemeinden werden durch Gehaltssteigerungen und andere laufende Aus-
gaben stark in Anspruch genommen, die Bauten konnten in den Jahren des Krieges
und besonders auch in den drückenden Jahren des Friedens nicht genügend
gepflegt werden. Es muß daher bei dem Aufstellen des Haushaltsplans sorgsam
und vorausschauend gehandelt werden, die Gebäude sind aufmerksam zu unter-
suchen und zu beobachten. In regelmäßigen Abständen sollte ein geeigneter
Fachmann den gesundheitlichen Zustand aller Gemeindebauten und ihrer Ein-
richtungen untersuchen und in einer Niederschrift den Befund darstellen. Zweck-
mäßig erscheint es, diesen Bericht vor den Visitationsreisen des Bischofs der geist-
lichen Behörde vorzulegen. Es muß eine geordnete Pflege der Bauten einsetzen.
Besonders muß auch eine Pflege der Kirchenausstattung, mag sie nun alt oder
neu sein, durchgeführt werden, damit kein Schaden ersteht und alle Dinge ein
möglichst großes Alter erreichen.
 
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