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Zeitschrift für christliche Kunst — 33.1920

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Witte, Fritz: Miniaturen zum Psalter von Müller-Ewald
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https://doi.org/10.11588/diglit.4307#0146

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Nr. 9,10 ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. J33

„der Gute" an den Wasserbächen, „gepflanzt wie ein Baum, der seine
Frucht bringt zu seiner Zeit".

Wie vorteilhaft diese Gottesgefolgschaft des Menschen ist, zeigt die
zweite Miniatur zu Psalm 23, auf der der Herr der Hirte, „der mich weidet
auf einer grünen Aue," wie ein wahrhaftiger Vater, wie die verkörperte Liebe
unter den weidenden weißen Lämmern einherschreitet. Machtvoller kommt
Psalm 60 einher: „Du hast aber doch ein Panier gegeben denen, die Dich
fürchten, welches sie aufwarfen und das sie sicher machte." Psalm 67, „ein
Psalmlied auf Saitenspiel vorzusingen", wirft das Bitten und Beten des
Dankes zum Allmächtigen empor. In tiefster Ergriffenheit hocken die Harfen-
spieler; Linie und Farbe schwingen in Inbrunst mit den Worten ihres Ge-
betes. Von wahrhaft monumentaler Größe ist das Bild zu Psalm 90 erfüllt,
„ein Gebet Moses', des Mannes Gottes". „Ehe denn die Berge wurden
und die Erde und die Welt geschaffen wurden, bist du, Gott, von Ewigkeit
zu Ewigkeit." Als wären sie gerade aus der Schöpferhand Jehovas geglitten,
so groß, so rein und keusch und sündenlos türmen sich die Berge; in strah-
lendem Paradiesesglanze leuchtet ob allem die Sonne.

Farbig vor allem wird Psalm 94 zu einer glänzenden Offenbarung des künst-
lerischen Erlebnisses. „Herr Gott, des die Rache ist, Gott, des die Rache ist,
erscheine!" Lodernde Feuersgluten umlohen die racheheischenden Menschen
in flammendem Rot, von dem eine wild aufschreiende Gestalt in eisig kaltem
Blau wirkungsvoll sich abhebt. Psalm 1 14 führt uns den endlos wie eine Riesen-
schlange durch den Wüstensand sich hinschiebenden Zug der Israeliten vor;
im Hintergrunde „hüpfen die Berge", das Meer „flieht" vor der Allgewalt des
erbarmenden Gottes. Besonders wirkungsvoll sind die Illustrationen zu Psalm
126, der uns die Auserwählten in stillem Träumen und froher Hoffnung
auf Erlösung vorführt, der Psalm 130 „Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu
Dir" (siehe Abbildung), sowie vor allem der 137. Psalm, das erschütternde
Klagelied: „An den Wassern zu Babel saßen wir und weinten, wenn wir
an Zion gedachten." In dieser Miniatur ist Auswertung der Linie als Aus-
drucksmittel bis zur Neige erfolgt; es ist ein packendes Bild jammernder
Klage. — „Haleluja!" Psalm 150 schmettert in brausendem Choral das Lob
des Herrn: „Alles, was Odem hat, lobe den Herrn!" Im letzten Bilde zu
Psalm 1 9 wird das Weltall, der gesamte Kosmos aufgerufen zum Dank gegen
den Schöpfer. „Die Himmel erzählen die Ehre Gottes, die Feste verkündigt
seiner Hände Werk." Wie ein grandioses Farbenorchester jubelt's ringsum
in den Tälern, auf den Bergen, und „der Sonne hat er eine Hütte an ihnen
gemacht", aus der sie „wie ein Bräutigam" strahlend, zum Hochzeitszug
geschmückt, wie eine Riesenscheibe leuchtend hervorbricht.

Das Ganze ist aus einem Guß, von der Beschriftung bis zum Einband
vom Künstler selbst hergerichtet, ein lautes Bekenntnis einer tief fühlenden,
ergriffenen Künstlerseele, eine in unserer Zeit doppelt freudig zu begrü-
ßende Tat1. Witte.

1 Die Abbildung kann mangels farbiger Wiedergabe nur andeutend den Charakter der
Bilder darstellen.
 
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