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Zeitschrift für christliche Kunst — 33.1920

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Mötefindt, Hugo: Zum Christusporträt
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https://doi.org/10.11588/diglit.4307#0174

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Nr.11/12________ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST._________\()\

anderen Bildern16. Wir finden die gleiche Tracht dann weiter an dem Christus-
bilde von Dierick Bouts (um 1460), auf dem Christus an Hans Schüchlins Hoch-
altar von Tiefenbronn (1469). Ebenso an den Chnstusbildern von Hans Holbein
dem Älteren, z. B. an dem Frankfurter Altar von 1501 und am Kaisheimer Altar
von 1502. Nach einer freundlichen Mitteilung des städtischen Historischen
Museums zu Frankfurt a. M. zeigt auf den Gemälden Holbeins des Älteren im
Historischen Museum die Christusgestalt durchweg eine ganz bartlose Oberlippe.
Auch auf der Dürerschen Grablegung von 1500 in der staatlichen Gemäldesamm-
lung zu München zeigt der Christuskopf Backen- und Kinnbart, dazu jedoch
keinen Schnurrbart. Ebenso finden wir auf Albrecht Altdorfers (gest. 1538)
Gemälde „Die Verklärung Christi" in der Gemäldegalerie zu Kassel die Ober-
lippe des Christus bartlos dargestellt. Em weiteres Beispiel für diese eigenartige
Barttracht bietet uns der Christuskopf aus dem von Pietro Perugino (gest. 1524)
gemalten Fresko in der Sixtinischen Kapelle in Rom. Hierbei ist zu beachten,
daß sich hier die Barttracht wieder in dem Zusammenhange mit derselben Szene
findet, in der sie uns in dem Mausoleum der Konstantina zuerst begegnete: die
Szene, wie Christus dem Petrus die Schlüssel übergibt. Auch in der gleichzeitigen
Buchmalerei können wir die gleiche Einzelheit am Christusbilde beobachten, z. B.
im Missale Romanum im Priesterseminar in Brixen (18. Jahrh.)18.

Wohl könnte es sich in dem Fall von Perugino auf ein Zurückgreifen auf den
alten Bildertypus handeln, und vielleicht könnte auch noch dieses oder jenes
der obon genannten Bilder in der gleichen Weise erklärt werden. Die Mehrzahl
der Fälle erheischt jedoch offensichtlich eine andere Erklärung; es kann sich hier
nur um die Ausschmückung des Christuskopfes durch eine Tracht handeln, die
der Künstler in seiner Umgebung immer wieder beobachten konnte. Diese Er-
klärung findet eine Stütze in der weiteren Beobachtung, daß die Fräse am Christus-
bilde in demselben Augenblick verschwindet, wo sie auch in der übrigen Kunst
zu erscheinen aufhört: nach dem III. Jahrzehnt des XVI. Jahrh.

Wiederum 300 Jahre später taucht die Fräse am Chnstusbilde noch einmal
auf: an dem von Peter Cornelius (gest. 1867) ausgeführten Karton, „Christus und
Thomas", zu dem von Friedrich Wilhelm IV. geplanten Campo santo in Berlin17.
Zur selben Zeit ist die Tracht wiederum in Deutschland Modetracht gewesen,
wie uns ein Blick auf gleichzeitige Porträts, Lithographien usw. lehrt.

Wernigerode a. H. HugoMötefindt.

15 Ewald und Rahtgens: Die Kunstdenkmäler der Stadt Köln I., 4. Düssel-
dorf 1916. Kunstdenkmäler der Rheinprovinz 6, 4, S. 280.

16 Wickhoff: Beschreibendes Verzeichnis der illuminierten Handschriften in Öster-
reich. I., Leipzig 1905. Taf. 4.

17 David Koch, Peter Cornelius. Stuttgart 1905. S. 1 72. P r e u s s : a. a. 0.,
S. 190.



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