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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 1.1907/​8

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245

des süddeutschen Backsteinbaus, der Bauten auf
der bayrischen Hochebene, nach Sachsen hinauf,
in Schwaben und im Elsaß. Daß für die bay-
rischen Bauten als Material schon seit romanischer
Zeit der Backstein verwendet wurde, war natür-
lich bekannt und ist z. B. auch in der kirchlichen
Baukunst des Abendlandes zu finden (ich nenne
gerade dieses Werk wieder, da es als Compen-
dium dessen gelten kann, was die Kunstforscher
von der mittelalterlichen Baukunst zu wissen
glauben). Aber kein Wort steht in dem 1901
erschienenen zweiten Bande dieses Werkes davon,
daß diese Bauten Pulzbauten waren, daß der
Backstein für sie nur ein Baumaterial wie der
Bruchstein war, und nirgends zu sehen. Auch
in den Kunstdenkmälern des Königreichs Bayern
findet man — was freilich aus der besonderen
Art solcher Werke zu erklären ist — wohl
einzelne Bauten als Putzbauten beschrieben,
nicht aber eine Charakterisierung der ganzen
Gruppe. Schäfer hatte auf einer frühen Studien-
reise die gut erhaltenen Kirchen von Pipping und
Bluteiiburg bei München aufgenommen und hatte
wohl schon damals das eigentlich Charakteri-
stische dieser Baugruppe erkannt; später hat er
eine große Anzahl von Bauten untersucht und die
frühere Beobachtung bestätigt gefunden: Mauer-
massen aus Backstein hergestellt, der — nach
allgemein verbreiteter mittelalterlicher Technik —
hohl gemauert und nach äußerer Verfügung ver-
gossen wurde; für die Gliederungen z. T. Haustein,
z. B. für das Maßwerk, aber sehr sparsam, verwandt,
z. T. Formstücke aus Ton, z. B. für die Bippen, z. T.
Formsteine, z. B. für die Gesimse aus Boll- und
gewöhnlichen Schichten, z. T. aber auch behauene
Backsteine; häufig diese verschiedenen Mittel an
demselben Bau nebeneinander gebraucht; die
Backsteine normal verputzt, die Formslücke und
Formsteine ganz dünn, und alles dann durch
die Bemalung zusammengehalten. So stellten sich
ihm diese Bauten in ihrer einstigen Erscheinung
dar: auch die Frauenkirche in München, von
der er behauptete, daß sie bis zu der 1858—67
durchgeführten Bestauration ihr altes Putzkleid
bewahrt habe (Wenings Kupferstich mit der großen
Quaderung ist mir übrigens dafür ein Beweis);
damals habe man es für barocke Verunstaltung ge-
halten, irregeleitet durch die nach jener eigentüm-
lichen und längst vergessenen Mauertechnik voll

ausgeputzten Fugen. Aber wenn er sich auch
etwa in diesem Punkte geirrt haben sollte, wenn
auch an einzelnen großen Kirchen der Verputz
nicht zur Ausführung gekommen sein sollte, so
will das doch für die Art der Gruppe wenig be-
deuten: die Absicht zu putzen und zu be-
malen bestand überall. Bei den kleinen Bauten,
die in wenigen Jahren fertig wurden, konnte man
sie bald durchführen, bei den großen, an denen
Jahrzehnte und Jahrhunderte gebaut wurde, von
denen ein Teil nach dem andern und oft erst
halbfertig in Benutzung genommen wurde, war
man oft gewiß froh, endlich und mit Mühe und
Not zum Schluß gekommen zu sein und mochte
dann wohl nicht noch einmal Hand anlegen, um
Verputz und Bemalung auszuführen. Da unter-
blieb dann der Verputz aus demselben Grunde,
aus dem man so oft bei großen Bauten aller
Gegenden Deutschlands die äußere Bemalung unter-
lassen hat.

Den Backsleinbau in Schwaben und im Elsaß
kannte Schäfer als den nächsten Verwandten
des bayrischen: dieselbe Art, nur kommen hier
Formstücke und Formsteine, da man Hausteine
bequemer als dort haben konnte, seltener zur
Verwendung. An Jung-St. Peter in Straßburg
hatte er ein Musterbeispiel dieser Gruppe, und an
dem östlichen Stiftsgebäude, das, einst veräußert
und im Besitz des Nachbars, nicht mit restauriert
werden konnte, kann man noch heute diese Art
des bemalten Putzbaucs studieren.

Ist nun solche Kenntnis und Wissenschaft
gleichgiltig? Oder vermittelt nicht etwa sie erst
die richtige Vorstellung von dem Wesen einer
großen und wichtigen Gruppe von Bauten?

Für Schäfer war es selbstverständlich, daß
die mittelalterlichen Bauten — mit welchem
Material sie immer hergestellt sein mochten —
bis ins 15. Jahrhundert hinein, in welcher Zeit
manche schon unbemalt blieben, außen wie innen
gestrichen bezw. gemalt wurden. Das verbürgte
ihm, der sich auf vielen Reisen eine ganz erstaun-
liche Kenntnis der Monumente erworben hatte,
nicht nur die Existenz der Spuren solcher Aus-
stattung, die er vielfach nachgewiesen hat, sondern
mehr noch die Art der Mauerherstellung, die über-
all und immer auf die Bildung glatter Flächen aus-
ging; ausgefugte Bruchsteininauern, wie sie heute
üblich, und wie man sie selbst an alten Monu-
 
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