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Zwierz, Maria [Hrsg.]
Breslauer Schulen: Geschichte und Architektur — Wrocław, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.38676#0019

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Kazimierz Bobowski

Die Entwicklung der Breslauer Elemetar- und Mittelschulen
vom Mittelalter bis zum Ende des 18. Jahrhunderts

In der historischen und kulturellen Entwicklung der Stadt Breslau
spielte das Schulwesen immer eine große Rolle. Entsprechend den
Beschlüssen der Synode der Genesener Metropole in L^czyca 1257
wurden in ganz Schlesien zahlreiche städtische Pfarrschulen gegrün-
det1. In Breslau aber bestand schon seit vielen Jahrzehnten, näm-
lich seit etwa dem letzten Viertel des 11. Jahrhunderts, eine Dom-
schule2. Seit Mitte des 13. Jahrhunderts entstanden viele Schulen
an Klöstern und Stiftskirchen. Die ersten Schulen wurden also
an Dom- und Stiftskirchen sowie Klöstern gegründet, daher waren
die ersten Lehrer Geistliche und das wichtigste, grundlegende Unter-
richtsfach - Religion.
Die Hauptfächer an den Pfarr-, Kloster-, Stifts- und Domschulen
waren Gesang, Lesen und Schreiben. Das mittelalterliche Unter-
richtsmodell bestand aus zwei Stufen - dem Trivium und dem Qua-
drivium. Im Rahmen des Triviums wurden Grammatik, Rhetorik
und Dialektik gelehrt. Im Grammatikunterricht verfassten die
Schüler lateinische Verse unter Beachtung von Reim und Rhythmus,
meist benutzte man das Lehrbuch von Donatus, dem bekannten
römischen Grammatiker und Rhetoriker3. Der Rhetorikunterricht
sollte in erster Linie angehende Kleriker auf ihre Predigten vor-
bereiten und im Schreiben von Dokumenten und Briefen üben.
In den Dialektikstunden wurde das logische Denken trainiert4.
Das Quadrivium umfaßte an der Domschule Arithmetik, Geometrie,
Astronomie und Musik. In der Artihmetik beschränkte man sich
auf die Grundrechenarten, in der Geometrie hauptsächlich auf
die Beschreibung der Erde, im Astronomieunterricht lernten
die Schüler den Kalender kennen und in den Musikstunden übten
sie den Kirchengesang. Das Trivium und das Quadrivium bildeten
zusammen die sieben freien Künste (septem artes liberales). Die Male-
rei galt als Handwerk und wurde daher im Rahmen der freien
Künste nicht gelehrt.
Sucht man nach den Anfängen der Breslauer Domschule, also
nach ihrer ersten Erwähnung, so stößt man auf ein Dokument
aus dem Jahre 1212, in dem ein Domherr erwähnt wird, der
den Lehrmeister dieser Schule vertritt5.
Die Domschule gilt unter Historikern allgemein als die älteste
Schule Breslaus und Schlesiens. Ihr Scholarch war gleichzeitig Schul-
inspektor und beaufsichtigte im Mittelalter sämtliche schlesischen
Schulen. Er ernannte Rektoren und Lehrer, überwachte die Durch-
setzung der Unterrichtsprogramme und Lehrpläne, das Unter-
richtsniveau und die Disziplin der Schüler. Unter der Aufsicht eines
Subsignators und Auditors lernten die Schüler an der Domschule
bis ungefähr zu ihrem zehnten Lebensjahr Religion, Latein, Lesen
und Schreiben. Das Trivium wurde in den ersten beiden Klassen
an den sogenannten niederen Schulen gelehrt, das Quadrivium dage-
gen an höheren Lehreinrichtungen in den beiden oberen Klassen.

Die Domschule befand sich auf der Dominsel, nördlich der
Kathedrale, in ihrer Nähe lagen auch das Hospital und das Wohnheim
für mittellose Schüler. Bis Ende des 16. Jahrhunderts erfreute sich
diese Schule eines ausgezeichneten Rufs aufgrund ihres hohen
Unterrichtsniveaus. Im 13. Jahrhundert studierten hier zum Beispiel
der Gnesener Domherr Razlaus und ein Verwandter des böhmi-
schen Königs Ottokar, der in den Quellen nur mit seinem Mono-
gramm „HG" bezeichnet wird6. Ende des 16. Jahrhunderts wurden
die höheren Klassen des Quaäriviums von Breslau nach Neisse (Nysa)
verlegt, während die sogenannten Volksschule mit den drei unte-
ren Klassen noch bis 1900 am Dom Weiterbestand'.
Unter den Breslauer Klosterschulen war vor allem die Schule
am Augustinerkonvent der Regularkanoniker zu St. Marien auf
dem Sande (Sandkirche) sehr beliebt, ganz besonders im späten
Mittelalter. Sie war etwa Mitte des 13. Jahrhunderts entstanden und
befand sich nördlich der nordwestlichen Ecke der Sandkirche8. Leider
sind die Namen ihrer Lehrer aus dem Mittelalter unbekannt. Aus
den vorhandenen Quellen läßt sich lediglich schliessen, dass die
Rektoren der Augustinerschule aus der Klostergemeinschaft kamen.
Ein Dokument aus dem Jahre 1339 erwähnt als Rektor der Sandkirche
das Konventsmitglied Jan Hademniczl Vergleichsmaterial zu ande-
ren Augustinerschulen zeigt, dass in der Regel nicht nur die Rektoren,
sondern das gesamte pädagogische Personal den Reihen der Mönche
entstammte10. Wie andere Klosterschulen erlebte auch die Augustiner-
schule den Höhepunkt ihrer Entwicklung im 15. Jahrhundert,
und zwar unter dem Abt Jodock aus Ziegenhals (Glucholazy). Jodock
hatte an der Krakauer Universität als Stipendiat von Nikolai
aus Gleiwitz (Mikolaj aus Gliwice) den Magistertitel für die sieben
freien Künste und das Bakkalaureat für kanonisches Recht erhal-
ten11. Aus den Quellen geht hervor, dass der Abt seine Ausbildung
an der Pfarrkirche in Zittau begonnen hatte, wo er von 1413 bis
1414 weilte; im folgenden Jahr trat er dem Orden der Regularkano-
niker in Breslau bei12. Jodock ist vor allem als Verfasser der Kloster-
chronik von St. Marien auf dem Sande imd als großer Reformator
des Klosters imd der dazugehörigen Schule bekannt. Gemeinsam
mit älteren Brüdern des Konvents erarbeitete er im Jahre 1442 neue
Lehrmethoden, einen verbesserten Unterrichts- und Erziehungsplan
sowie eine grundlegende Schulordnung, die er in besondere Statute
fasste, so dass sie den Status einer verbindlichen Urkunde hatte13.
Die Schüler der Augustinerschule konnten spätestens seit Jodocks
Zeit das schuleigene Krankenhaus benutzen, das sich in der Nähe
der Klostergebäude befand.
Die Augustiner gründeten eine weitere Schule am Hospital zum
Heiligen Geist in Breslau, das Datum dieser Stiftung läßt sich aller-
dings nicht bestimmen. Diese Schule wurde später in den Ort
Neumarkt (Sroda Slqska) verlegt14.

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