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Zwierz, Maria [Hrsg.]
Breslauer Schulen: Geschichte und Architektur — Wrocław, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.38676#0245

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Janusz L. Dobesz

Breslauer Schulbauten und Waisenhäuser aus den Jahren 1933-1945

Das mit dem Schulwesen verbundene Bauen galt den Strategen des
Dritten Reiches als besonders wichtig, da es der nationalsozialisti-
schen Kinder- und Jugenderziehung zu dienen hatte1. Unter den
neuen Unterrichtsfächern, die nach der Machtübernahme einge-
führt wurden, befand sich unter anderem die „Rassenkunde"2.
Bereits in den ersten Regierungsjahren Adolf Hitlers entstanden in
Breslau, insbesondere in den neuen Siedlungen, einige Schulgebäude,
die dieser Konzeption entsprachen.
Im Architekturmuseum Breslau - im Bauarchiv der Stadt Breslau
- befindet sich ein Modellentwurf für eine Volksschule mit einem
Kindergarten. Der Entwurf ist mit dem 2. Januar 1937 datiert und
wurde von dem Regierungsbaureferendar Engelbert Rogier aus
Oppeln vorgelegt3. Es handelt sich dabei um eine „Aufgabe zur
häuslichen Probearbeit für die Staatsprüfung im Hochbaufache für
den Regierungsbaureferendar". Die Aufgabe bestand in der Aus-
führung einer Schule mit 18 Klassen und eines Kindergartens auf
einem vorgeschriebenen Grundstück. Der Plan desselben mit genau-
en Richtlinien war vom Technischen Oberprüfungsamt in Berlin,
repräsentiert durch Dr. Ing. Kühn, vorbereitet worden. Die Richtlinien
mit dem Datum vom 28. September 1936 legten die Aufgabe im
Detail fest. Das Grundstück sollte auf dem Territorium der sich
schnell entwickelnden Stadt am Rand einer ausgedehnten Grünfläche
liegen. Es war die Anlage eines Sportplatzes vorzusehen, der den
Schülern sowie nachmittags und sonntags der Anwohnergemein-
schaft dienen sollte. Der Sportplatz sollte mit Umkleidekabinen mit
Duschen für die Schüler und einem separaten Gebäude für die
Gemeinschaft mit einem Abstellraum ausgestattet werden. Mit Aus-
nahme der bereits früher geplanten Straße „A-B" war die Art und
Weise der Verbindung des Schulgrundstückes und der Grünflächen
mit der nahe gelegenen Bebauung nicht im Detail vorgeschrieben,
sondern bildete einen Teil der Aufgabenstellung.
Die maximale Gebäudehöhe des Schulbaus wurde auf zwei
Geschosse festgesetzt, wobei zur Berücksichtigung der aktuellen
Vorschriften zur natürlichen Beleuchtung von Klassenräumen auf-
gefordert wurde. Es war eine Trennung der Jungen- und Mädchen-
klassen vorzunehmen und jeweils separate Eingänge für diese zu
planen. Die Klasseräume mit einer Fläche von 60-70 m2 sollten je
50-60 Kinder aufnehmen. Gleichfalls separat waren die Toiletten,
der Speisesaal jedoch für die gemeinsame Nutzung anzulegen.
Die Ausschreibungsbedingungen sahen die Planung weiterer
gemeinsamer Räumlichkeiten vor. Dabei handelte es sich um einen
Zeichensaal für 50 Kinder mit einer Modellwerkstatt, eine „Natur-
kundeklasse" mit einem Raum für die Lehrsammlung (60-70m2),
zwei Räume für Karten und Anschauungsmaterial, eine Bibliothek,
einen Musiksaal, der gleichzeitig einen Projektor aufzunehmen hatte
(90-100m2), eine Turnhalle (12x24m) mit einem Gerätemagazin, die
von zwei Umkleidekabinen, einem Lehrerzimmer und einem
Waschraum mit 20 Duschen ergänzt werden sollte. Die Turnhalle

sollte für die Organisation verschiedener Veranstaltungen genutzt
werden und daher mit einer kleinen Bühne und einem dazugehö-
rigen rückwärtigen Raum ausgestattet sein. Mit Rücksicht auf diese
zusätzliche Funktion war für die Turnhalle ein Aufbewahrungsraum
für Stühle und eine von außen zugängliche Garderobe mit einzu-
planen.
Zu den anderen Räumlichkeiten, die der Projektant zu berück-
sichtigen hatte, gehörten eine bzw. zwei Unterrichtswerkstätten
sowie der bereits zuvor erwähnte Schülerspeisesaal.
Als Räume, die der Schulverwaltung dienen sollten, führten
die Projektbedingungen ein Rektoratszimmer (20m2) mit einem klei-
nen, für Elterngespräche bestimmten Vorzimmer, ein Lehrerzimmer
(für 20 Personen), das mit einem separaten (!), kleineren Lehrerinnen-
zimmer (15-20m2) verbunden sein sollte, ein Dienstzimmer für den
Hausmeister sowie ein Zimmer für den Schularzt mit einem
Untersuchungsraum an. Darüber hinaus hatte die Schule die
Hausmeisterwohnung aufzunehmen, die aus drei Zimmern, einer
Küche und einer Vorratskammer (dazu ein Hof oder ein kleiner
Garten) bestehen sollte.
Der Kindergarten sollte sich aus zwei bis drei Räumen für die
Kinder (zusammen 150m2), Toiletten mit Waschbecken, einem
Zimmer für die Leiterin (10m2), einem Personalzimmer (10m2) sowie
einer überdachten Halle, die die Aufenthaltsräume der Kinder ver-
band, zusammensetzen. Auf dem Spielplatz sollten sich ein Sand-
kasten, Bänke und ein Planschbecken befinden. Die Gesamtanlage
war mit einem Schulbad zu vervollständigen, welches eine Garderobe
(30m2), einen Duschraum mit 25 Duschen, zwei Räume mit Wannen
und einen Raum für die „Aufsicht" (10m2) aufzuweisen hatte.
Die Entwurfsaufgabe sah die Anfertigung eines Gesamtplanes
im Maßstab 1:500 sowie Grundrisse, Schnitte und Ansichten im
Maßstab 1:200 vor. In einzelne, wichtige Räumlichkeiten waren
Möbel einzuzeichnen. Im Weiteren waren ein Fragment der Außen-
architektur mit einem Schnitt durch die Vorderwand im Maßstab 1:50
darzustellen sowie ein Farbentwurf für das Innere der Turnhalle
im Maßstab 1:25 und eine perspektivische Gesamtansicht anzufer-
tigen. Die Anlage sollte mit einer Zentralheizung ausgestattet sein,
die beschrieben und in die einzelnen Risse eingezeichnet werden
sollte. Für die Turnhalle wurde eine Berechnung des Wärme- und
Belüftungsbedarfs gefordert. Es galt, die Dachkonstruktion im Detail
darzustellen und in ihrer Statik zu belegen.
Die oben vorgestellten Rahmenbedingungen für den zur Prüfung
vorzustellenden Entwurf sind sehr interessant, da sie in detaillier-
ter Form über die Anforderungen informieren, die an die neu zu
bauenden Schulen im Dritten Reich gestellten wurden. Es soll an
dieser Stelle hervorgehoben werden, dass die Bedingungen durch-
aus die heutigen Erwartungen erfüllen würden, die an ein Schul-
gebäude gestellt werden. Es gibt jedoch bei einigen Einzelheiten Aus-
nahmen: So erscheint die vorgesehene Schülerzahl von 50 - 60 Kin-

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