Iwona Binkowska
Fotografien von Breslauer Schulen vor 1945 -
von der Architekturdokumentation zum malerischen Motiv
In meinen Überlegungen zum Thema Architekturfotografie beschäf-
tige ich mich mit zwei grundlegenden Aspekten. Zunächst einmal
soll es um die Entstehung einer Fotografie und die jeweilige Absicht
des Fotografen gehen: Handelt es sich um eine Aufnahme zur
Dokumentation im Auftrag einer staatlichen oder lokalen Institution,
bestellte ein Verleger Illustrationen oder ist das Foto aufgrund der
individuellen Interessen des Fotografen entstanden? Die zweite
Fragestellung folgt aus der ersten, sie betrifft die unterschiedlichen
Darstellungsweisen bei gleicher Motivwahl.
Die Zahl der Fotografien, auf denen Breslauer Schulen zu sehen
sind, ist sehr groß, ihre Entstehungsgeschichte und ihre Eigenheiten
sind äußerst vielfältig. Vorliegender kurzer Artikel soll einen Beitrag
zu dem umfassenden Thema Architektur in der Fotografie des
19. und 20. Jahrhunderts leisten. Ich habe einige wenige Beispiel-
arbeiten ausgewählt, die verschiedene ästhetische Positionen wieder-
geben, beginnend mit der Dokumentarfotografie, über den Piktoria-
lismus und die „Neue Sachlichkeit", hin zur Propagandafotografie'.
Aufgrund der besonderen Umstände, unter denen sich die
Fotografie im 19. Jahrhundert entwickelte und verbreitete, wurde
sie lange Zeit vorrangig als Medium der Informationsvermittlung
aufgefasst. Die ersten Fotografen galten aufgrund ihrer Ausbildung
und Interessen mehr als Wissenschaftler, denn als Künstler.
Tatsächlich begeisterten sich Natur-, aber auch Gesellschaftswissen-
schaftler für die Möglichkeiten der Fotografie, wodurch sich diese
schematische Bewertung verfestigte. Der positivistische Glaube an
die Objektivität der Fotografie zum Dienste der Wissenschaft spielt
selbst heute noch in der Rezeption eine wichtige Rolle2. Die Archi-
42. Breslau, ehern. Magdalenen-Gymnasium, Hauptfassade, Archivfoto,
Foto: Hugo Buchwald, vor 1867 (Universitätsbibliothek Breslau)
tekturfotografie - so die allgemeine Überzeugung - zeige voll-
kommen objektiv, wahrheitsgetreu und von subjektiven Interpre-
tationen unbeeinflusst einen Ausschnitt aus der Stadtlandschaft, ein
einzelnes architektonisches Objekt bzw. ein Detail. Die so verstan-
dene Fotografie wurde in der Regel Architekturdokumentation
genannt. Sie entwickelte sich zunächst zweigleisig. Auf der einen
Seite stand ihr praktischer technischer Einsatz in der Messbild-
technik, auf der anderen Seite ihr Beitrag für die historischen
Wissenschaften. In beiden Fällen ersetzte die Fotografie Zeichnungen.
Ihre häufige Anwendung in wissenschaftlichen Publikationen war
letztendlich ausschlaggebend dafür, dass sie allgemein als objekti-
ves Medium galt.
Eine der wichtigsten Aufgaben der Architekturdokumentation
war es, das Aussehen von Gebäuden festzuhalten, an denen kon-
servatorische Arbeiten vorgesehen waren, die umgebaut oder abge-
rissen werden sollten. Erstmalig diente die Fotografie an der seit
1849 in Paris tätigen Commission des Monuments Historiques diesem
Zwecke, hier nämlich wurde systematisch eine Dokumentation der
Baudenkmale angelegt3. Schon zwei Jahre später begann die Mission
Heliographique ihre Tätigkeit, indem sie eine Gruppe von Fotografen
anstellte4, darunter Charles Maville. Maville fotografierte die Pariser
Stadtviertel, die aufgrund des Stadtumbaus imter Leitung des
Präfekten G. E. Haussmann ab 1853 abgerissen werden sollten.
Parallel zu diesen Dokumentationen begann man in Frankreich
schon in den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts die Fotografie
in der Messbildtechnik anzuwenden. In Deutschland war Albrecht
Meydenbauer der Wegbereiter auf diesem Gebiet3, er nutzte 1858 Foto-
grafien für die Ausmessung der Kathedrale in Wetzlar, seit 1865
wendete er diese Methode auch in Berlin an. Damals entstand die Idee
eines Archivs zur Bestandsaufnahme aller Baudenkmale, das sich
hauptsächlich auf Fotografien stützen sollte, das sogenannte Denk-
mäler-Archiv. Zur Verwirklichung dieser Idee kam es aber erst 1885,
als Meydenbauer und Prof. H. W. Vogel Die Messbild-Anstalt des
Kgl. Ministeriums der geistlichen pp. Angelegenheiten zu Berlin grün-
deten, kurz Preußische Messbildanstalt genannt6. Diese Einrichtung
erarbeitete eine standardisierte Inventarisierung der Kunstwerke des
ganzen Landes7.
Von den Breslauer Schulgebäuden wurde der Sitz der wichtig-
sten Lehreinrichtung der Stadt, der Königlichen Universität, für die-
ses Archiv ausgewählt8. Die Dokumentation der Universität aus
dem Jahre 1893 ist in Breslau erhalten geblieben, denn entsprechend
der üblichen Vorgehensweise war ein Abzug der Fotoreihe dem
Amt für Denkmalpflege der niederschlesischen Provinz übergeben
worden.
Nachfolger der Messbildanstalt war die 1921 geschaffene Staatliche
Bildstelle - Berlin, die die Aufnahmen nicht nur sammelte, sondern
152
Fotografien von Breslauer Schulen vor 1945 -
von der Architekturdokumentation zum malerischen Motiv
In meinen Überlegungen zum Thema Architekturfotografie beschäf-
tige ich mich mit zwei grundlegenden Aspekten. Zunächst einmal
soll es um die Entstehung einer Fotografie und die jeweilige Absicht
des Fotografen gehen: Handelt es sich um eine Aufnahme zur
Dokumentation im Auftrag einer staatlichen oder lokalen Institution,
bestellte ein Verleger Illustrationen oder ist das Foto aufgrund der
individuellen Interessen des Fotografen entstanden? Die zweite
Fragestellung folgt aus der ersten, sie betrifft die unterschiedlichen
Darstellungsweisen bei gleicher Motivwahl.
Die Zahl der Fotografien, auf denen Breslauer Schulen zu sehen
sind, ist sehr groß, ihre Entstehungsgeschichte und ihre Eigenheiten
sind äußerst vielfältig. Vorliegender kurzer Artikel soll einen Beitrag
zu dem umfassenden Thema Architektur in der Fotografie des
19. und 20. Jahrhunderts leisten. Ich habe einige wenige Beispiel-
arbeiten ausgewählt, die verschiedene ästhetische Positionen wieder-
geben, beginnend mit der Dokumentarfotografie, über den Piktoria-
lismus und die „Neue Sachlichkeit", hin zur Propagandafotografie'.
Aufgrund der besonderen Umstände, unter denen sich die
Fotografie im 19. Jahrhundert entwickelte und verbreitete, wurde
sie lange Zeit vorrangig als Medium der Informationsvermittlung
aufgefasst. Die ersten Fotografen galten aufgrund ihrer Ausbildung
und Interessen mehr als Wissenschaftler, denn als Künstler.
Tatsächlich begeisterten sich Natur-, aber auch Gesellschaftswissen-
schaftler für die Möglichkeiten der Fotografie, wodurch sich diese
schematische Bewertung verfestigte. Der positivistische Glaube an
die Objektivität der Fotografie zum Dienste der Wissenschaft spielt
selbst heute noch in der Rezeption eine wichtige Rolle2. Die Archi-
42. Breslau, ehern. Magdalenen-Gymnasium, Hauptfassade, Archivfoto,
Foto: Hugo Buchwald, vor 1867 (Universitätsbibliothek Breslau)
tekturfotografie - so die allgemeine Überzeugung - zeige voll-
kommen objektiv, wahrheitsgetreu und von subjektiven Interpre-
tationen unbeeinflusst einen Ausschnitt aus der Stadtlandschaft, ein
einzelnes architektonisches Objekt bzw. ein Detail. Die so verstan-
dene Fotografie wurde in der Regel Architekturdokumentation
genannt. Sie entwickelte sich zunächst zweigleisig. Auf der einen
Seite stand ihr praktischer technischer Einsatz in der Messbild-
technik, auf der anderen Seite ihr Beitrag für die historischen
Wissenschaften. In beiden Fällen ersetzte die Fotografie Zeichnungen.
Ihre häufige Anwendung in wissenschaftlichen Publikationen war
letztendlich ausschlaggebend dafür, dass sie allgemein als objekti-
ves Medium galt.
Eine der wichtigsten Aufgaben der Architekturdokumentation
war es, das Aussehen von Gebäuden festzuhalten, an denen kon-
servatorische Arbeiten vorgesehen waren, die umgebaut oder abge-
rissen werden sollten. Erstmalig diente die Fotografie an der seit
1849 in Paris tätigen Commission des Monuments Historiques diesem
Zwecke, hier nämlich wurde systematisch eine Dokumentation der
Baudenkmale angelegt3. Schon zwei Jahre später begann die Mission
Heliographique ihre Tätigkeit, indem sie eine Gruppe von Fotografen
anstellte4, darunter Charles Maville. Maville fotografierte die Pariser
Stadtviertel, die aufgrund des Stadtumbaus imter Leitung des
Präfekten G. E. Haussmann ab 1853 abgerissen werden sollten.
Parallel zu diesen Dokumentationen begann man in Frankreich
schon in den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts die Fotografie
in der Messbildtechnik anzuwenden. In Deutschland war Albrecht
Meydenbauer der Wegbereiter auf diesem Gebiet3, er nutzte 1858 Foto-
grafien für die Ausmessung der Kathedrale in Wetzlar, seit 1865
wendete er diese Methode auch in Berlin an. Damals entstand die Idee
eines Archivs zur Bestandsaufnahme aller Baudenkmale, das sich
hauptsächlich auf Fotografien stützen sollte, das sogenannte Denk-
mäler-Archiv. Zur Verwirklichung dieser Idee kam es aber erst 1885,
als Meydenbauer und Prof. H. W. Vogel Die Messbild-Anstalt des
Kgl. Ministeriums der geistlichen pp. Angelegenheiten zu Berlin grün-
deten, kurz Preußische Messbildanstalt genannt6. Diese Einrichtung
erarbeitete eine standardisierte Inventarisierung der Kunstwerke des
ganzen Landes7.
Von den Breslauer Schulgebäuden wurde der Sitz der wichtig-
sten Lehreinrichtung der Stadt, der Königlichen Universität, für die-
ses Archiv ausgewählt8. Die Dokumentation der Universität aus
dem Jahre 1893 ist in Breslau erhalten geblieben, denn entsprechend
der üblichen Vorgehensweise war ein Abzug der Fotoreihe dem
Amt für Denkmalpflege der niederschlesischen Provinz übergeben
worden.
Nachfolger der Messbildanstalt war die 1921 geschaffene Staatliche
Bildstelle - Berlin, die die Aufnahmen nicht nur sammelte, sondern
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