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Zwierz, Maria [Hrsg.]
Breslauer Schulen: Geschichte und Architektur — Wrocław, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.38676#0013

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Einführung

In der tausendjährigen Geschichte der Stadt Breslau nahm das Schul-
und Erziehungswesen immer einen bedeutsamen Platz ein. Mit der
Gründung der ältesten Schule der Stadt, der Kathedralschule, gegen
Ende des 11. Jahrhunderts auf der Dominsel begann sich ein Bildungs-
wesen zu entwickeln, das in den folgenden Jahrhunderten großen
Einfluß auf das wirtschaftliche und kulturelle Leben Breslaus nahm.
Seit Mitte des 13. Jahrhunderts entstanden zahlreiche Kloster- und
Stiftsschulen, deshalb waren zunächst vorrangig Geistliche Lehrer
und die wichtigsten Unterrichtsfächer waren Religion, Katechismus-
lehre, Kirchengesang, Lesen und Schreiben. Das mittelalterliche
Unterrichtsmodell umfasste zwei Stufen - das trivum imd das cjim-
drivium, die aus den sogenannten sieben freien Künsten, also den
septern artes liberales bestanden. Von großer Bedeutung für das Bres-
lauer Bürgertum war die Gründung zweier städtischer Schulen:
im Jahre 1267 an der Maria-Magdalena-Kirche und 1293 an der
Pfarrkirche zur Hl. Elisabeth, aus denen sich die beiden wichtig-
sten Breslauer Gymnasien entwickelten.
In der Neuzeit stand das Breslauer Schulwesen unter Einfluß
der Reformation, des Humanismus und neuer pädagogischer
Tendenzen. Das Lehrprogramm sollte enger mit den Erfordernissen
des täglichen Lebens verbimden werden, man erkannte die Not-
wendigkeit, auch naturwissenschaftliche Fächer, moderne Sprachen
und Mathematik zu unterrichten.
Die Jesuiten kamen 1638 nach Breslau und schufen eine huma-
nistische Schule, die im Laufe der Zeit zum katholischen Königlichen
St. Matthias-Gymnasium wurde. Die Gründung dieser Einrichtung
beeinflußte auch die Entwicklung der beiden protestantischen städ-
tischen Schulen - der Magdalenen- und der Elisabethschule, die
aufgrund ihres hohen Unterrichtsniveaus schon im 16. Jahrhundert
einen ausgezeichneten Ruf genossen und daher zu Gymnasien erho-
ben wurden (Elisabethgymnasium* 1538, Magdalenen-Gymnasium
1643). Ihre herausragende Stellung im 16. und 17. Jahrhundert ver-
danken die Breslauer Schulen in erster Linie ihren Rektoren, aus-
gezeichneten Pädagogen und Gelehrten, von denen der Rektor des
Elisabethgymnasiums Andreas Winkler und der Rektor des Magda-
lenen-Gymnasiums Johannes Hess erwähnt werden sollen.
Im 18. Jahrhundert galt das Bestreben der Pädagogen vor allem
der Einführung neuer Lehrprogramme und -methoden im Sinne
der Aufklärung. Am Elisabethgymnasium wurden die Reformen
von Rektor Johannes Caspar Arletius initiiert. Diese Umgestaltung -
- 1785 ins Leben gerufen - hatten maßgeblich die Lehrer Johann
Ephraim Scheibel und Samuel Beniamin Klose, Rektor der Hl. Geist-
Schule, ausgearbeitet. Das Magdalenen-Gymnasium reformierte der
herausragende Pädagoge Johann Caspar Friedrich Manso.
Schon in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts wurde
im Rahmen der neuen preußischen Bildungspolitik die Schulpflicht
für Kinder vom 6. bis zum 13. Lebensjahr eingeführt, allerdings
hielt man sich in der Praxis oft nicht an diese Regelung. Erst im
19. Jahrhundert nahm das Schulwesen einen deutlichen Aufschwung,
nachdem nämlich 1800 eine weitere preußische Verordnung erlas-
sen worden war, die unter Bezugnahme auf die Pädagogik von Johann

Heinrich Pestalozzi einen allgemeinbildenden, anschaulichen Unter-
richt und eigenständiges Denken der Schüler forderte. Viele Lehrer
setzten diese Prinzipien in ihrer Arbeit um, u.a. Michael Morgen-
besser, der Rektor der Schule zum Hl. Geist (1811-1841), der sich
neben seiner pädagogischen Arbeit mit der Geschichte der Stadt
Breslau, Schlesiens und des städtischen Schulwesens beschäftigte.
Eine herausragende Persönlichkeit war auch Caesar Albano Kletke,
der langjährige Rektor der Zwinger-Realschule (1836-1876).
Sechs Absolventen Breslauer Gymnasien wurden später Nobel-
preisträger: Fritz Haber (Chemie 1918), Paul Ehrlich (Medizin 1908),
Otto Stern (Physik 1943), Max Born (Physik 1954), Gerhart
Hauptmann (Literatur 1912) und Friedrich Bergius (Chemie 1931).
Andere ausgezeichnete Schüler Breslauer Lehreinrichtungen waren
u.a. der Dichter und Philosoph Johannes Scheffler, bekannt als
Angelus Silesius, Martin Opitz, Ferdinand Lasalle und der Pro-
fessor für Philosophie Hans-Georg Gadamer, dem 1996 die Ehren-
doktorwürde der Breslauer Universität verliehen wurde.
Im frühen 19. Jahrhundert gab es in der Stadt 35 Elementar-
schulen, darunter zwölf katholische Schulen. Neben den städtischen
und Pfarrschulen entstanden Privat- und Sonderschulen, zum
Beispiel für blinde und taubstumme Kinder. Mit der weiteren
Entwicklung Breslaus stieg auch die Zahl der Schulen schnell an.
Zunächst befanden sich die Schulen in alten Gebäuden, die oft nicht
genügend Platz boten und über nur unzureichende Sanitäranlagen
verfügten. Später wurden daher neue Schulgebäude errichtet, und
zwar nach Entwürfen und imter Aufsicht der Stadtarchitekten Carl
Studt, Julius von Roux, Carl Johann Christian Zimmermann,
Ferdinand Kaumann und Robert Mende. Besonders viele Schul-
bauten entstanden unter Richard Plüddermann. Trotz der schnel-
len Entwicklung des Bildungswesens im 19. Jahrhundert nahmen
noch immer die sechsklassigen klassischen Gymnasien die führen-
de Position ein, deren Abschluß nach durchschnittlich neun Unter-
richtsjahren ein Universitätsstudium ermöglichte. Als Ergebnis wei-
terer Reformen entstanden gegen Ende des 19. Jahrhunderts weite-
re Mittelschulen: klassische Gymnasien, Realgymnasien, mittlere
Realschulen, wenig später auch Mittelschulen für Mädchen. Die
Realschulen konzentrierten sich auf die Vermittlung praktischer
Fähigkeiten, hier sollten die Schüler auf bürgerliche Berufe vorbe-
reitet werden, auf eine Tätigkeit als Kaufmann, Fabrikant oder
Beamter. Viel Aufmerksamkeit widmeten sie der Vermittlung moder-
ner Fremdsprachen, der exakten und Naturwissenschaften.
Das älteste Gebäude einer Mittelschule aus dem 19. Jahrhundert
ist der bis heute erhaltene klassizistische Bau der Zwinger-Realschule
am Zwingerplatz, errichtet 1823-1825. Im Jahre 1835 wurde der
neue Sitz des Elisabethgymnasiums übergeben, 1849 das Gebäude
der Schule zum Heiligen Geist am Kaiserin-Augusta-Platz (heute
plac Polski), das neue St. Johannes-Gymnasium (1865-1866) sowie
das Magdalenen-Gymnasium (Bau des neuen Schulgebäudes 1867-
-1869) - alle im klassiszistischen Stil. Im späten 19. Jahrhundert
entstandenen die Gymnasien „König Wilhelm I." und „König
Friedrich II." sowie viele Volksschulen im damals bereits üblichen
 
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