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Zwierz, Maria [Hrsg.]
Breslauer Schulen: Geschichte und Architektur — Wrocław, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.38676#0129

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Krystyn Matwijowski

Feierlichkeiten an
Die Basis für den vorliegenden Artikel bilden die vor beinahe vier-
zig Jahren durchgeführten Untersuchungen zu verschiedenen Formen
der Freizeitgestaltung im spätfeudalen Breslau. Eine gekürzte Fas-
sung davon erschien in einem Gespräch, das vom Ossolineum Verlag
in der Serie schlesischer Monographien: Feiern, Festlichkeiten und
Vorstellungen im barocken Breslau1 veröffentlicht wurde.
Das Breslauer Schulwesen war in der Neuzeit, d.h. vom 16. bis
zum 18. Jahrhundert, hauptsächlich der protestantischen Kirche unter-
stellt. Die Aktivitäten von Johannes Hess, und später von Ambro-
sius Moibanus, fanden in Breslau guten Nährboden und führten,
bei einer gewissen Passivität der Bischöfe im 16. Jahrhundert, zum
Triumph dieser Konfession in der Hauptstadt Schlesiens.2
Zwar hielt der Stadtrat über Angelegenheiten des Schulwesens
Aufsicht und erließ sogar Ordnungen, die das Schulleben regelten,
doch tatsächlich übten die Leitung des Schulwesens die protestanti-
schen Geistlichen aus. Auch der Bildungsprozess selbst lag in ihrer
Hand. Als Lehrer waren (besonders in Gymnasien) entweder Geist-
liche mit abgeschlossenem Theologiestudium tätig oder diejenigen,
denen diese Arbeit als erste Stufe zum geistlichen Stand dienen soll-
te. Übrigens bestimmte nicht nur diese personelle Verbindung die
Richtlinien und das Modell des Schullebens - die Kirche hatte schon
immer die Rolle der Schule vollauf gewürdigt und das Schulwesen
ideologisch beeinflusst. Hier hielt man sich an die Vorgaben Martin
Luthers; nicht von ungefähr hatten die Kirche und die Stadtbehörde
schulische Angelegenheiten geregelt, noch bevor die Kirchenordnung
festgelegt und eingeführt wurde:
Das Einwirken der Kirche kommt nicht nur in Leminhalten und
Lehrmethoden zum Ausdruck. Kein größeres Ereignis im Leben der
Schule konnte ohne Anteilnahme von Geistlichen stattfinden, und
die meisten Schulfestlichkeiten hatten auch einen religiösen Teil.
Im Jahr 1562 erhielt das St.-Elisabeth-Gymnasium ein neues
Gebäude. Die Inauguration trug einen sehr feierlichen Charakter.
An diesem Tag versammelten sich die Schüler in der St.-Elisabeth-
Kirche. Es wurde ein regelmäßiger Gottesdienst abgehalten, nur end-
ete dieser mit Te Deum laudamus. Danach formten die Teilnehmer der
Feierlichkeit einen Festzug und begaben sich in das neue Gebäude.
Auch hier wurde vermutlich erst gebetet, dann fand eine Art Vor-
führung statt. Einer der Schüler hielt eine Rede über die Jugender-
ziehung, wonach er sich wahrscheinlich für die Herstellung von bes-
seren Lembedingungen bedankte. Sein Auftritt bildete einen Prolog
zu dem im Anschluss aufgeführten Stück über Kain und Abel.4
Noch schöner sah die Übernahme des neuen Gebäudes von
der Schuljugend aus dem St.-Maria-Magdalenen-Gymnasium aus.
Die Einweihung fand am 26. Juni 1710 statt. Beim ersten Läuten der
Schulglocke versammelte sich die Jugend in den alten Klassenzimmern
und sagte wie üblich ein Morgengebet her. Anschließend traf die
ganze Schulgemeinschaft in einem Saal zusammen und man ver-
richtete in Anwesenheit des Rektors die ersten Dankgebete. Danach

Breslauer Schulen
ertönte Musik. Nachdem ihre letzten Klänge verstummt waren, bega-
ben sich die Schüler unter Aufsicht ihrer Lehrer und Klassenlehrer
in die St.-Maria-Magdalenen-Kirche. Dort fand ein Dankgottesdienst
statt, der mit dem Lied Te Deum laudamus endete. Nach der Kirche
marschierten die Jugendgruppen, Trompeten und Pauken spielend,
ins neue Gebäude. Alle versammelten sich im Hörsaal. Die Festlichkeit
begann abermals mit dem Lied Te Deum, wonach ein Konzert von
Instrumentalmusik stattfand. Gegen 10 Uhr beehrten Vertreter des
Stadtrats die Feier mit ihrer Anwesenheit, unter ihnen der Syndikus
Daniel von Riemberg und einige Räte. Ihr Auftreten begleiteten Klänge
von Trompeten, Pauken imd andere Instrumentalmusik. Nach die-
ser Begrüßung hielt der Ratssyndikus eine Rede, der Schulrektor ant-
wortete darauf und bedankte sich höchstwahrscheinlich im Namen
der Schulleitung. Damit war der offizielle Teil zu Ende. Im künstle-
rischen Teil führte die unter der Leitung ihrer Lehrer vorbereitete
Schuljugend ein Stück in deutscher Sprache auf.5
Im 18. Jahrhundert existierten in Breslau zwei polnische Schulen
- eine bei der Christopheruskirche, und die andere - eine im Jahr
1666 gegründete städtische Schule. Die Gründungszeit der ersten
ist nicht genau bekannt, man kann also nicht feststellen, wie und
wann ihre Tätigkeit begonnen hatte. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen
und - wenn man analoge Beispiele berücksichtigt - sogar ziemlich
sicher, dass das neue Gebäude (errichtet 1633, dank den Bemühungen
Butschkys), von dessen Räumen einige für die Schule bestimmt waren,
eingeweiht wurde, noch bevor man es der Schuljugend zur Verfügung
stellte.6
Noch schwieriger ist die Sache bei der zweiten polnischen
Elementarschule. Ein Forscher ihrer Geschichte vertritt die These,
dass diese Einrichtung in der ersten Zeit ihrer Tätigkeit, in den
Jahren 1666-1672, in der Wohnung des polnischen Moderators Jan
Emesti ihren Sitz hatte. Ob man sich aber auch in einem solchen
Fall darum bemühte, dass das Klassenzimmer eingeweiht wird?
Diese Frage bleibt offen. Derselbe Forscher ist der Meinung, dass
die Schule um 1676 ins Zuchthaus verlegt wurde. Außer des
Klassenraums befanden sich in dem Gebäude auch die Wohnungen
des Moderators (Schulvorstehers) und des Wächters. Daher ist es
nicht ausgeschlossen, dass wenigstens der Klassenraum während
des Umzugs geweiht wurde.'
Besonders im weltlichen Teil waren die Festlichkeiten zur
Aufwertung der Schule dem Schuleinweihungsfest sehr ähnlich.
1643 wurde die St.-Maria-Magdalenen-Elementarschule in den Rang
eines Gymnasiums erhoben. Zu der Feier erschienen Vertreter des
Stadtrats mit dem Obersyndikus Dr. Pein, dem Schulinspektor und
anderen prominenten Bürgern der Stadt. Ratssyndikus Pein ver-
kündete den Versammelten den Entschluss und der neu ernannte
Rektor Klose sprach seinen Dank aus. Über den künstlerischen Teil
ist nichts bekannt, angesichts der sich herausbildenden Tradiüon
musste jedoch so ein Ereignis feierlich begangen werden - wenn

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