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Zwierz, Maria [Hrsg.]
Breslauer Schulen: Geschichte und Architektur — Wrocław, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.38676#0070

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Teresa Kulak

Das Breslauer Schulwesen im 19. und in der ersten Hälfte
des 20. Jahrhunderts unter Berücksichtigung der Privat-,
Berufs- und Sonderschulen

Das Breslauer Schulwesen nach dem Übergang der Stadt
an Preußen (bis 1808)
Als der preußische König Friedrich II. im Jahre 1741 das kon-
fessionell nicht einheitliche Breslau besetzte, war das Breslauer
Schulwesen auf allen Unterrichtsstufen zwischen katholischen und
protestantischen Schulen deutlich geteilt1. Diese Teilung bezog sich
auf das ganze Spektrum der Schulen, angefangen bei den von den
Gemeinden getragenen Elementarschulen bis hin zur Universitäts-
stufe mit der 1702 gegründeten Akademie „Leopoldina", die mit
der 1638 gegründeten Knabenschule strukturell verbunden war.
Beide Einrichtungen wurden von Jesuiten geführt und waren dem
Bischof unterstellt, der auch über Pfarr- und Klosterschulen sowie
über Schulen der ebenfalls konfessionell getrennten Wohlfahrtssein-
richtungen, Spitäler und Waisenhäuser Aufsicht hatte. Katholische
Pfarrschulen, die manchmal auch lateinische Namen hatten, bestan-
den an der Kathedrale, der Kollegiatstiftskirche zum Hl. Kreuz, an
der Sandkirche sowie am Kloster und an der Kirche St. Matthias2.
Im Jahre 1798 entstand die Pfarrschule in der Pfarrgemeinde
St. Vinzenz und in den Jahren 1801-1805 wurden fünf weitere
Elementarschulen in den Pfarrgemeinden St. Adalbert, St. Dorothea,
St. Michael, St. Mauritius und St. Nikolaus gegründet. An der Wende
zum 19. Jahrhundert gab es zehn katholische Schulen mit insge-
samt 1200 Schülern3. Die in der Stadt zahlenmäßig überlegenen
Protestanten besaßen mehr Elementarschulen, die man damals als
„deutsche Schulen" bezeichnete, imd die der Stadtbehörde unter-
stellt waren: Im Jahre 1760 gab es in der Pfarrgemeinde St. Bernhardin
in der Neustadt und in der Elftausend-Jungfrauen-Gemeinde in der
Oder-Vorstadt vier Elementarschulen; darüber hinaus gab es in der
Pfarrgemeinde St. Elisabeth (einschließlich der Schule auf dem Bür-
gerwerder) neun Schulen, in der Pfarrgemeinde St. Maria Magdalena
acht Schulen und in der Schweidnitzer Vorstadt sowie in der Sand-
und Nikolaivorstadt sechs Schulen. In insgesamt 27 Schulen lern-
ten damals 1428 Kinder4. Die Pfarrschulen bezeichnete man als
Trivialschulen (abgeleitet vom mittelalterlichen trivium, d.h. die nied-
rigste Unterrichtsstufe). In den Schulen des trivium-Typs standen
das Lernen des Katechismus (Studieren der Bibel bei den Prote-
stanten) sowie das Lesen-, Schreiben- und Rechnenlernen im Mittel-
punkt des Unterrichts. Die Mittelschulen waren von zwei lutheri-
schen städtischen Gymnasien vertreten: St. Elisabeth, das den
Gymnasialstatus im Jahre 1562 erhielt, und St. Maria Magdalena
(1643 gegründet).
Die Besetzung des damals zu Österreich gehörenden Schlesiens
durch Preußen führte zum Ausbruch von drei Schlesischen Kriegen
mit Österreich, die bis 1763 andauerten. Erst nach der siegreichen

Beendigung dieser Kriege nahm sich Friedrich II. der Verbesserung
des schlesischen Schulwesens an, indem er am 12. August 1763 das
General-Land-Schul-Reglement erließ, in dem die Bildung evangeli-
scher Landschulen sowie die Schulpflicht für Kinder im Alter von
6 bis 13 Jahren angekündigt wurde. Mit einem ähnlichen Erlass
vom 3. November 1765 führte er das Pflichtschulwesen auf ele-
mentarem Niveau für Katholiken in schlesischen Dörfern und Städten
eine Da es jedoch an Lehrkräften mangelte, wurden parallel mit
der Gründung katholischer Schulen Lehrerseminare ins Leben geru-
fen. Das erste Breslauer Lehrerseminar entstand auf der Sandinsel
und wurde am 4. November 1766 durch den Abt des Saganer
Augustinerklosters Johann Ignaz von Felbiger (1724-1788), den her-
vorragenden Reformator des katholischen Schulwesens eingeweiht.
Zum Rektor dieser neu gegründeten Lehranstalt wurde von der
Bischofskurie Priester Anton Wende ernannt. Abt Felbiger schlug
vor, die Obhut über die Bildung zukünftiger Lehrer dem Pater
Schneider, seinem Zögling aus Sagan, zu übertragen. Die Ausbildung
zum Lehrerberuf erfolgte nach den von Johann Ignaz von Felbiger
erarbeiteten pädagogischen Methoden in einer Gruppe von ca. 12-
-15 neu geweihten Priestern, und dauerte zunächst nur sechs Wochen
(ab 1798 drei Monate)6. Der Unterricht im Seminar, in das die von
Pfarrern aus ihren Pfarrgemeinden gewählten Lehrerkandidaten
auf genommen wurden, wurde im Jahre 1801 auf zwölf Monate ver-
längert.
Im Jahre 1769 rief die Behörde der Breslauer Königlich Preußischen
Kriegs- und Domänenkammer das für zukünftige Landschullehrer vor-
gesehene evangelische LandschuTSeminarium ins Leben und betrau-
te den Kirchen- und Schul-Kammerinspektor mit der Aufsicht über
diese Anstalt. Die Lehrerausbildung in diesem Seminar dauerte acht
Wochen. Als der Magistrat im Jahre 1789 ein Projekt für ein ähnli-
ches Seminar für zukünftige Lehrer der städtischen Elementarschulen
vorstellte, wurde aus Spargründen sowie wegen des ähnlichen
Bildungsprofils der geplanten Lehranstalt ein Beschluss über die
Gründung des Stadt-und LandschuTSeminariums, einer gemeinsamen
Bildungsanstalt für Lehrer beider Schultypen, die im Gebäude an
der heutigen Nikolaistraße 63 untergebracht werden sollte, gefasst.
Somit entstand ein Lehrerseminar mit einem einjährigen Studien-
programm für Stadt- und Landvolksschullehrer7. Mit königlichen
Erlassen für die Umgestaltung der Bildungsstruktur und -pro-
gramme des Mittelschulwesens wurden auch Grundlagen für die
Reform der weiteren Bildungsstufen geschaffen. Damals entstand
ein neuer Mittelschultyp, die sogenannte Realschule, die den Schülern
hauptsächlich praktische Kenntnisse und Fertigkeiten vermitteln
sollte. Darüber hinaus entstanden auch erste Berufsschulen.

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