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Zwierz, Maria [Hrsg.]
Breslauer Schulen: Geschichte und Architektur — Wrocław, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.38676#0235

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Beate Störtkuhl

Schulbauten in Breslau 1918-1933*

Zu Beginn der Weimarer Republik verständigten sich die deutschen
Länder auf eine weitreichende Reform des Schulwesens. Zahlreiche
Ideen der sogenannten „Reformpädagogik" der Jahrhundertwende
fanden jetzt Eingang in den allgemeinen Schulbetrieb1. Das preu-
ßische Schulsystem sah eine vierjährige Grundschulausbildung vor,
nach der entweder die Volksschule mit dem Abschluß nach der
8. Klasse folgte oder eine weiterführende Schule besucht werden
konnte: eine Mittel- oder Realschule mit einem Abschluß nach der
10. Klasse oder eine Schule des gymnasialen Typs (Gymnasium,
Oberrealschule, Deutsche Oberschule) mit dem Abitur nach der
13. Klasse. Mit der Reform wurde das Schulsystem durchlässiger;
so konnte nach der 10. Klasse von der Realschule ins Gymnasium
gewechselt werden. Unter dem Stichwort „Einheitsschule" sollte
allen sozialen Schichten der Zugang zur Bildung ermöglicht wer-
den2. In Preußen wurde die Koedukation von Jungen und Mädchen
nunmehr auch auf die Volksschulen ausgedehnt3.
Auf die Architektur der Schulgebäude wirkten sich vor allem
die pädagogischen Neuerungen und Neugewichtungen aus, die
u. a. die Auflösung des strengen Frontalunterrichts und die Arbeit
in Gruppen, die Einrichtung von Räumen für den Fachunterricht
(insbesondere für die naturwissenschaftlichen Fächer) sowie eine
höhere Gewichtung von Sport- und Freiluftunterricht beinhalteten4.
Die pädagogischen Reformen und die Ideen des Neuen Bauens der
zwanziger Jahre ergänzten sich gegenseitig! Beide Bewegungen
wurden im nationalsozialistischen Deutschland unterdrückt, so daß
das Jahr 1933 auch im Schulhausbau eine Zäsur bedeutet.
In Breslau entstanden zwischen 1918 und 1933 relativ wenige
Schulgebäude größeren Ausmaßes6. Dies lag einerseits an der ange-
spannten Wirtschaftssituation; andererseits war aufgrund der inten-
siven Bautätigkeit im Schulwesen im späten 19. Jahrhundert bis
zum Ersten Weltkrieg der Bedarf im innerstädtischen Bereich und
in den Wohnvierteln der Gründerzeit weitgehend gedeckt, auch
wenn einige dieser Schulgebäude während des Krieges zweckent-
fremdet wurden und daher renoviert werden mußten7. Der Schwer-
punkt des Schulbaus während der Weimarer Republik lag in den
neuen Wohngebieten, v. a. in der Südvorstadt und den Siedlungen
Pöpelwitz und Zimpel, sowie in den dörflichen Vororten, die 1928
eingemeindet wurden. Bei den Neubauten handelte es sich größ-
tenteils um „Volksschulen" für die Klassen 1-8, d. h. Grund- und
Hauptschulen unter einem Dach. Neu errichtet wurden außerdem
das Magdalenen-Gymnasium und die Mädchenberufsschule. Eine
Volksschule an der Kniestraße (heute ul. Wejherowska) und eine
Knabenberufsschule, die sich 1929 in Planung befanden8, kamen
nicht zur Ausführung.
Alle genannten Schulen entstanden unter städtischer Ägide9.
Auch wenn teilweise Architekturwettbewerbe ausgeschrieben wur-
den, lag die Planung der ausgeführten Bauten ausschließlich in den
Händen des Städtischen Hochbauamts.

Städtische Volksschule an der Kleinburgstraße
(ul. Januszowicka, heute Grundschule Nr. 47)
Als erster Schul-Neubau nach Kriegsende wurde 1925/26 die
sogenannte Gaudig-Schule an der ehemaligen Kleinburgstraße
errichtet. In der Nähe des Südparks gelegen, bediente sie das
Einzugsgebiet des Villenviertels der Südvorstadt. Sie entstand anstel-
le eines früheren Schulgebäudes, das bereits 1898 existierte und im
April 1921 um vier Klassen erweitert worden war. Da dieser Ausbau
den Bedarf des expandierenden Stadtteils nicht decken konnte, war
ein Neubau erforderlich111. Für das Städtische Hochbauamt als Bau-
herr zeichnete auf den Plänen Max Schirmer, der damals erst am
Anfang seiner Laufbahn als „Magistrats-Baurat" stand; vermutlich
war er für den Entwurf verantwortlich.
Die äußere Gestalt der Gaudig-Schule steht noch in der Tradition
der Vorkriegszeit, die zwar die kasernenartige Bauweise des späten
19. Jahrhunderts überwand, aber bei der Gestaltung der Schulbauten
repräsentative Aspekte in den Vordergrund stellte11: Die Straßenfront
des Putzbaus war durch einen Mittelrisalt symmetrisch gegliedert;
der mittig angelegte Eingang war um einige Treppenstufen über das
Straßenniveau erhöht und durch eine Art Portikus mit dorischen
Säulen ausgezeichnet. Diese Situation wurde nach 1945 verändert,
um einen zusätzlichen Raum in dem nach wie vor als Schule genutz-
ten Gebäude zu gewinnen. Der Zugang erfolgt heute über den
Schulhof.
Auf der Hofseite ist der repräsentative Anspruch zurückge-
nommen: Die symmetrische Gliederimg ist beibehalten, doch fehlen
hier architektonische Würdeformen. Außerdem ist diese Front, hin-
ter der alle Klassenzimmer liegen, wesentlich stärker durchfenstert,
so daß eine gute Belichtung der Räume gewährleistet ist. Der Bau
besitzt ein ausgeprägtes Souterrain, in dem sich neben Kellerräumen
und Heizung auch ein Schülerbad mit Umkleide befand. Der Ein-
tretende gelangte zunächst in eine Halle, von der aus beidseitig
Treppen in den Flur des „Erdgeschosses" führten. Die beiden übri-
gen Geschosse wurden durch zwei Treppenhäuser zu beiden Seiten
des Mittelrisalits erschlossen. Ursprünglich dienten Dreiviertel des
Gebäudes dem Unterrichtsbetrieb, der Südteil enthielt zwei Haus-
meisterwohnungen. Die Klassenräume befanden sich, wie erwähnt,
auf der Hofseite. Ihre Ausrichtung nach Westen schützte im Sommer
vor zu starker Sonneneinstrahlung, außerdem wurden Störungen
durch den Straßenverkehr vermieden. Die Flure lagen an der Straßen-
seite. Im Erdgeschoß und im ersten Obergeschoß waren je drei
Klassenzimmer eingerichtet; in der Nordost-Ecke befanden sich ein
Lehrmittel- und Arztzimmer bzw. ein Lehrerzimmer. Im zweiten
Obergeschoß waren vier Klassenzimmer und ein Handarbeitsraum
untergebracht. In einer Planänderung vom November 1925 wurde
auch das ursprünglich als Speicher vorgesehene Dachgeschoß zu
zwei Klassenzimmern ausgebaut; die Dachgauben an der Hofseite
wurden entsprechend vergrößert. Ein Raum im ersten Stock konn-

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