92. Breslau-Pöpelwitz, Luftbild mit der Kirche und der Schule im Zentrum, 1928/29 ([in:] Fritz Behrendt, Das neue Breslau. „Deutsche Bauzeitung" 63,
1929, S. 579)
te nun als „Vorführraum" genutzt werden. Weitere Räume für den
Fachunterricht, eine Aula, Turnhalle oder ein Platz für Freiluftunter-
richt fehlten, obwohl diese Elemente bereits in der Reformdiskussion
vor dem Ersten Weltkrieg eine große Rolle spielten. Auch die Toiletten-
anlagen wurden nicht in den Bau integriert, sondern in einem
„Abort"-FIäuschen auf dem Schulhof untergebracht. Nicht nur im
Außenbau, sondern vor allem in der Grundrißgestaltung verkör-
perte die Gaudig-Schule - ungeachtet ihres Namenspatrons, des
Reformpädagogen Flugo Gaudig - einen bereits veralteten Schultyp.
Dies war vermutlich auf die damalige Unerfahrenheit Schirmers,
vor allem aber auf das Fehlen einer künstlerischen Autorität im
Hochbauamt nach dem Weggang des langjährigen Stadtbaurats Max
Berg Ende Januar 1925 zurückzuführen.
Städtische Volksschule Klodnitzstraße
(Siedlung Pöpelwitz/Popowice; zerstört)
Die durchgreifenden Änderungen, die der Schulbau in jenen
Jahren erfuhr, kamen in Breslau erstmals 1926 bei den Planungen
für die Volksschule an der Klodnitzstraße in der Siedlung Pöpelwitz
zum Tragen. Die schulische Versorgung der neu entstehenden Groß-
siedlungen gehörte zu den vordringlichen Bauaufgaben der Stadt.
Die von dem Breslauer Architekten Theodor Effenberger geplante
Siedlung im Westen der Stadt entstand in den Jahren 1919 bis 1927
und bot ca. 8.000 Menschen Wohnung12. Die katholische Hedwigs-
kirche (1925-1927) und die Volksschule an der Klodnitzstraße, wel-
che sich hier zu einem begrünten Platz erweiterte, bildeten das
Zentrum der Siedlung. Pöpelwitz wurde während des Zweiten Welt-
kriegs völlig zerstört, daher stützt sich die folgende Rekonstruktion
des Schulbaus vor allem auf die im Breslauer Bauarchiv überlie-
ferten Pläne12. Ein 1927 in der „Ostdeutschen Bauzeitung" veröf-
fentlichtes Modell14 belegt, daß der Entwurf im Hochbauamt ent-
standen war; der Architekt ist dort allerdings nicht genannt.
Vermutlich übernahm wiederum Max Schirmer die Planung, nach-
dem die Stelle des Stadtbaurats nach wie vor vakant war. Erst zum
Jahresende 1926 trat Hugo Althoff, der zuvor in derselben Funktion
in Frankfurt/Oder tätig war, das Amt des Stadtbaurats anb.
Das Modell zeigt, daß die Schule an der Klodnitzstraße
von Anfang an als symmetrischer Komplex zweier dreigeschossi-
ger Hauptbauten mit hohen Satteldächern geplant war, die durch
zweigeschossige, flachgedeckten Seitentrakte zu einem U-förmigen
Grundriß verbunden waren. Der Bau erfolgte in zwei Abschnitten,
deren erster im Frühjahr 1927 vollendet wurde16. Zu diesem Bauteil
besitzt das Bauarchiv lediglich „Aufnahme-Zeichnungen" aus dem
Jahr 193317, die jedoch genügend Aufschluß über die räumliche
Ausstattung geben. Die Schule war offensichtlich nicht unterkel-
lert, da Heizung und Kohlenlager im Erdgeschoß untergebracht
waren. Auch die Hausmeisterwohnung befand sich hier. Die zehn
Klassenräume des ersten Bauabschnitts waren über das erste und
zweite Ober- und das Dachgeschoß verteilt. Daneben verfügte die
Schule über Fachräume für Physik, Werken und Handarbeitslehre
- ein wesentlicher Fortschritt gegenüber der Gaudig-Schule. Dies
zeigt sich noch deutlicher in der sanitären Ausstattung (Knaben-
und Mädchentoiletten im Schulgebäude) sowie in den Einrichtungen
für Sport und Spiel: Im Seitentrakt befand sich die Turnhalle, deren
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