Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zwierz, Maria [Editor]
Breslauer Schulen: Geschichte und Architektur — Wrocław, 2005

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.38676#0180

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
durch hohe Fenster hindurch beleuchteten Lektorium waren, neben
einer reichen Buchsammlung, auf den Balustraden vollplastische
Skulpturen aufgestellt, die die Patrone der Wissenschaft, die sieben
Weisen des antiken Griechenlands, darstellten.
Einen gleichermaßen interessanten Einblick in die Art der
Ausstattimg Breslauer Schulen bieten drei Tafeln für die Lehre der
Schreibkunst, die in den vierziger Jahren des 16. Jahrhunderts ent-
standen sind und bis heute in den Sammlungen des Breslauer Natio-
nalmuseums aufbewahrt werden2. Die Tafeln wurden von Bonaven-
tura Roesler (1500-1575) gefertigt, der als Stadtbeamter und Stadt-
schreiber zugleich als Lehrer an der Elisabeth- und an der Magda-
lenenschule wirkte. Die Tafeln in einer Größe von 81,2 x 59 x 5 cm
haben jeweils die Form eines Diptychons und in geschlossener Form
das Aussehen eines flachen Kastens. Dessen Seitenleisten sind mit
Scharnieren sowie mit Schlössern versehen, die es ermöglichen, die
Tafeln zusammenzuklappen und mit einem Schlüssel zu verschlie-
ßen. Metallene Ösen dienten einst dazu, die Tafeln an einer Wand
aufzuhängen.
Die hölzernen Diptycha wurden innen mit Pergament ausge-
kleidet, auf dem die Schriftübungen in Tempera aufgetragen wor-
den sind. Diese Schreibmuster können als einer der ersten Versuche
in Schlesien gewertet werden, die neuen Schriftformen der Rena-
issance zu übernehmen, die in Reaktion auf die verwirrende und
nur schwer leserliche gotische Schrift entwickelt worden waren.
Die Tafeln von Bonaventura Roesler zeigen hebräische und latei-
nische Schrift in runder und halbrunder Form. Die Tafeln unter-
weisen nicht nur in der Lehre von der Gestalt und der Konstruktion
der Buchstaben, sondern sie enthalten darüber hinaus wertvolle
Hinweise auf die Arbeitsvorbereitung und die Werkzeuge, die mit
dem Schreiben zu jener Zeit verbunden waren. Der Kalligraf beleb-
te seine Ausführungen durch eine farbige Gestaltung derselben.
So setzte er die weißen, gelben, blauen und roten Buchstaben und
Ornamente auf einen dunklen Untergrund. Die erläuternden Texte
und die Linien seiner Schaubilder führte er hingegen in Weiß aus.
Mit Hilfe dieser Tafeln wurden Generationen junger Breslauer im
16. Jahrhundert ausgebildet, wobei sie die Schriftkultur der
Renaissance in sich aufnahmen und sie später in die Kanzleien und
Ämter trugen. Nunmehr geben die Tafeln Zeugnis von einer ver-
gangenen Kultur der Stadt und vermitteln eine Vorstellung von der
Ausstattung und den didaktischen Hilfsmitteln, die in den Breslauer
Schulen zur Anwendung kamen.
Die Information, dass die Schüler während des Unterrichts die
Bücher auf den Knien hielten und in dieser Art auch schrieben,
wobei sie sich mitunter eines tragbaren Pultes bedienten, sagt viel
über die Weise aus, in der der Unterricht stattgefunden hat. Erst
in den achtziger Jahren des 18. Jahrhunderts stattete der verdienst-
volle Rektor Johann Caspar Arletius alle Räume des Elisabeth-Gymna-
siums mit neuen Schulbänken sowie Tischen mit Tintenfässern aus.
Das stellte zur damaligen Zeit eine völlige Neuheit dar3. Im Verlaufe
der Jahre erhielten auch die anderen Schulen ähnliche, sehr nutz-
volle Ausstattungsgegenstände.
Einen tatsächlich entscheidenden Umbruch im Schulwesen Schle-
siens und Breslaus brachten die Verordnungen von 1763 und 1765,
die im Zuge der neuen Ansichten im Geist der Aufklärung die Idee

einer allgemeinen Schulbildung (die jedoch in der Praxis erst deut-
lich später umgesetzt wurde) postulierten und einen neuen Schultyp
- die Realschule einführten. Letztere reihte sich mit Blick auf Lehr-
programm und -niveau zwischen den Elementarschulen und den
humanistischen Gymnasien ein. Die Realschulen waren auf die
Ausbildung von praktischen Fähigkeiten ausgerichtet und hatten
im Zuge der Entwicklung von Industrie und neuer Produktions-
formen die Aufgabe, die Schüler auf einen typischen städtischen
Beruf, so z.B. eines Kaufmanns, Fabrikanten oder Beamten, vorzu-
bereiten. Große Aufmerksamkeit wurde in ihren Ausbildungspro-
grammen auf die Vermittlung moderner Fremdsprachen sowie von
Fächern im Bereich der Naturkunde und der exakten Wissenschaften,
insbesondere Chemie und Physik, gerichtet.
Die erste Breslauer Realschule wurde am 24. Januar 1765 von
der reformierten Gemeinde ins Leben gerufen. Sie wurde aus den
Mitteln der Gemeinde sowie mit Spenden von Anhängern der glei-
chen Konfession eingerichtet. Zu Ehren des Königs Friedrich II.,
welcher gleichfalls Geld beigesteuert hatte, wurde der Schule 1776
der Name Königliche Friedrichsschule verliehen4. Sie bezog ein ver-
mutlich bereits zuvor bestehendes Gebäude neben der Evangelisch
Reformierten Hofkirche in der Karlsstraße (ul. Kazimierza Wielkie-
go). Doch bereits am 2. Mai 1776 wurde der Grundstein für ein
neues Schulgebäude gelegt. Dessen Pläne gehen eventuell auf Carl
Gotthard Langhans zurück (Möglicherweise wurden sie auch nur
durch ihn geprüft und bestätigt). Die bauliche Ausführung indes
lag in den Händen des Maurermeisters Albertus und des Zimmer-
meisters Pfeiffer3. Auf Bitte der Presbyter stellte die Kriegs- und
Domänenkammer Holz zur Verfügung und der Breslauer Magistrat
unterstützte den Bau mit 35 Tsd. Ziegeln. Bereits im darauffolgen-
den Jahr war der Bau fertiggestellt, der sich nunmehr auf der rück-
wärtigen Seite des bisherigen Schulgebäudes befand. Leider haben
sich die Entwürfe aus der Bauzeit nicht erhalten. Doch noch heute
befindet sich südlich der Klosterkirche ein klassizistischer Bau mit
einer schönen hölzernen Treppe. Möglicherweise handelt es sich
hierbei um jenes Gebäude, an dem Carl Gotthard Langhans Anteil
hatte. Sicher hingegen ist, dass jenes Gebäude mit einem Balkon,
welches näher an der ehemaligen Wallstraße (ul. Pawla Wlodko-
wica) und dem ehemaligen Exerzierplatz (plac Wolnosci) gelegen
ist, zur damaligen Schule gehörte6. Auch heute noch, allerdings bau-
lich stark verändert, gehört diese Haus der evangelischen Gemeinde.
Am 12. Dezember 1812 erlangte die Schule den Status eines
Gymnasiums'. Sie wurde durch den Landesherrn materiell ausge-
stattet und unterstand der Aufsicht der Gemeinde und des Aller-
höchsten Konsistoriums in Berlin. In dem neuen Gebäudeteil, der
1768 der Nutzung übergeben worden war, befanden sich elf Räume
für Schüler und vier für Inspektoren. Ein Speiseraum, die Küche
und die Wohnung für das Wirtschaftspersonal waren im Erdgeschoss
untergebracht. Im Obergeschoss gab es darüber hinaus zwei Kranken-
räume, einen großen Saal, der für schulische Feierlichkeiten bestimmt
war, eine Bibliothek und einen Raum mit physikalischen und mathe-
matischen Modellen. Das Lehrprogramm dieser ersten Breslauer
Realschule folgte dem Konzept der Julius-Heckert-Realschule in
Berlin. Der sechsjährige Ausbildungsplan sah den Unterricht der
deutschen, aber auch der polnischen und der hebräischen Sprache,

174
 
Annotationen