Schulbänke in unterschiedlichen Höhen vorgesehen, die sich nach
der Größe der Schüler richteten. In der zweiten Hälfte des 19. Jahr-
hunderts wurden so Räumlichkeiten und sanitäre Einrichtungen,
die den höchsten Anforderungen an Hygiene entsprachen, sowie
Turnhallen und Bäder mit dem höchsten Grad an Zweckmäßigkeit
entwickelt11.
Mit dem Entwurf und dem Bau von Schulen beschäftigten sich
Baubeamte und Mitarbeiter der Stadtbauverwaltung12. Die Stadt
war dabei ein schwieriger und fordernder Investor. Die rigorosen
finanziellen Forderungen der Fachkommissionen der Stadträte, die
oft zum Verzicht auf die Nutzung teurer Baumaterialien und von
Schmuckformen führte, schränkten die künstlerischen Ambitionen
der Architekten ein. Es entstanden dadurch im 19. und zu Beginn
des 20. Jahrhunderts viele Beispiele von „unendlich langen"
Gebäuden mit einer monotonen, kasernenartigen Architektur, von
denen sich jedoch die Gebäude der elitären Gymnasien und
Realschulen abhoben. Deren Architektur wurde von einer anspruchs-
vollen und dekorativen Aufrissgestaltung, einer reichen Innenein-
richtung sowie durch die Verwendung teurerer Baumaterialien cha-
rakterisiert.
Neben der Forderung nach Sparsamkeit wurden der Schul-
architektur Dauerhaftigkeit und Einfachheit auferlegt. Sie solle ein-
fach und praktisch sein sowie allen Anforderungen an die Hygiene
und an den Brandschutz entsprechen, so die Forderung des Bau-
programms für Schulen in München aus dem Jahr 189913. Im Ham-
burger Programm aus dem Jahr 1904 wurde unter dem Einfluss der
Heimatschutzbewegung gefordert: „Die Architektur und die Deko-
ration des Schulgebäude sei einfach aber der Wichtigkeit der in
ihnen sich vollziehenden Arbeit entsprechend. Die innere Ausschmüc-
kung lenke nicht durch Aufdringlichkeit die Aufmerksamkeit der
Kinder ab, trage aber dazu bei, ihnen die Schulräume heimisch
zu machen und das ästhetische Bewusstsein in ihnen zu wecken"14.
Die künstlerischen Konzepte zur Erneuerung der Architektur, die
in den letzten Jahren vor dem Jahrhundertwechsel formuliert wur-
den, nahmen auch zum Bau von Schulen Stellung. Deren
Vorhandensein in jeder Wohnsiedlung sowie ihre Größe, die ent-
scheidend das Bild der Stadt oder des Dorfes prägte, bewirkten,
dass zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Bedeutung ihrer Architektur
betont wurde. Schließlich sollte diese in bewusster Weise und in
Übereinstimmung mit den aktuellen Tendenzen gestaltet werden.
Die Schulbauten sollen „selbst bei der gebotenen Schlichtheit, den
Geist der Neuzeit, das Streben nach Zweckmäßigkeit, Wahrheit und
Schönheit und das hervorragende Können der Technik bekunden.
Sie sollen Zierden des Ortes und Muster der technischen Voll-
kommenheit sein." (1900)15. Hermann Muthesius erblickte in den
Schulbauten: „eine bedeutende künstlerische Gestaltungskraft, ver-
bunden mit großer Gediegenheit und Aufrichtigkeit der Gesinnung"16.
An der Schwelle zum 20. Jahrhundert, das von Ellen Key17 zum
„Jahrhundert des Kindes" ausgerufen worden war, war man über-
zeugt, dass der Schulbau zur Entwicklung eines modernen Baustiles
beitrüge18.
War die funktionale und technische Ausführung von Schul-
architektur in den unterschiedlichen Landesteilen Deutschlands nach
der Reichseinigung vergleichbar, so waren hingegen in den letzten
drei Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts die jeweils verwendeten
Stilformen recht unterschiedlich. Dabei hing die Auswahl der his-
torisierenden Formen für die architektonische Ausgestaltung von
vielen Faktoren ab - der örtlichen Tradition und dem genius loci,
den Tendenzen in der Staatsarchitektur oder aber von den künst-
lerischen Programmen der Stadtarchitekten, die an der Spitze der
Bauverwaltung standen. Um 1900 zeichneten sich dabei in der deut-
schen Kommunalarchitektur ein Streben nach einer Vereinfachung
historischer Formen und gleichzeitig eine stärkere Anpassung der
modernen Architektur an das Landschaftsbild der jeweiligen kul-
turellen Region ab.
Das dominierende Baumaterial für die nach 1871 zahlreich ent-
stehenden kommunalen Bauten war - praktisch, sparsam und soli-
de - der Ziegelstein. Wenn auch Fassaden aus Ziegelstein teurer
als Putzfassaden waren, so waren sie doch billiger als Verblend-
mauerwerk aus Stein und von großer Dauerhaftigkeit im rauen
Klima des nördlichen Europas. Seit den Gründerjahren wurden sie
zu einem architektonischen Erkennungsmerkmal städtischer Bauten
in öffentlicher Nutzung so u. a. in Berlin, Hamburg, Hannover,
Lübeck und Breslau - also in erster Linie für Städte, in denen der
Bezug zu regionalen Traditionen der gotischen Backsteinarchitektur
oder aber der nördlichen Renaissance gegeben war.
So war der jeweilige „Geist des Ortes" Impuls für die Entstehung
von neoromanischen Schulen in Goslar (Hubert Stier) und Hildes-
heim (Gustav Schwartz), von neogotischen Schulen in Köln
(Hermann Weyer) und Wien (Friedrich Schmidt), von Schule im
Stil der nordeuropäischen Renaissance mit niederländischen, manie-
ristischen Schmuckformen in Stuttgart (Mayer) und Hamburg (Carl
Johann Christian Zimmermann), schließlich von neobarocken
Schulen in München (Hocheder) und Berlin (Ludwig Hoffmann).
Die Architektur der Städte Niedersachsens (Hannover, Bremen,
Verden), Schleswig-Holsteins (Hamburg, Kiel, Lübeck) sowie Berlins
oder auch Breslaus „schillerten" mit Zitaten gotischer Bauten der
norddeutschen Backsteingotik (so z.B. die Rathäuser in Thorn und
Hannover).
Ein wichtiges Zentrum neogotischer Architektur in Deutschland
wurde in der zweiten Hälft des 19. Jahrhunderts Hannover. Conrad
Wilhelm Hase schuf hier gestützt auf die Tradition der norddeut-
schen Backsteingotik die Grundlagen der Neogotik der Hannover-
schen Schule. Hase sah in der Gotik eine Form, die aus der Funktion,
der Konstruktion und des Materials entwickelt worden war.
Die Backsteinarchitektur, die mit farbig glasierten Ziegeln und hell
verputzten Blenden gestaltet sowie an die neuen Bedürfnisse ange-
passt wurde, war zweckmäßig und preisgünstig. Sie wurde, pro-
pagiert von den Schülern und den Nachfolgern Hases, zu einem
Erkennungszeichen für städtische öffentliche Bauten vieler deut-
scher Städte in den letzten drei Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts19.
Einer der ersten, beispielgebenden Bauten der Hannoverschen Schule
war das Gebäude des Gymnasiums Andreanum in Hildesheim
(1866-69), welches von Hase selbst entworfen worden war. Wilhelm
Koch setzte in Hildesheim die Tradition dieser Art von Architektur
fort. In diesem Stil entstanden in Hannover Schulbauten, die u. a.
von Edwin Oppler und Otto Wilsdorff (70er Jahren des 19. Jahr-
hunderts) sowie von Paul Rowald (nach 1890) entworfen wurden,
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der Größe der Schüler richteten. In der zweiten Hälfte des 19. Jahr-
hunderts wurden so Räumlichkeiten und sanitäre Einrichtungen,
die den höchsten Anforderungen an Hygiene entsprachen, sowie
Turnhallen und Bäder mit dem höchsten Grad an Zweckmäßigkeit
entwickelt11.
Mit dem Entwurf und dem Bau von Schulen beschäftigten sich
Baubeamte und Mitarbeiter der Stadtbauverwaltung12. Die Stadt
war dabei ein schwieriger und fordernder Investor. Die rigorosen
finanziellen Forderungen der Fachkommissionen der Stadträte, die
oft zum Verzicht auf die Nutzung teurer Baumaterialien und von
Schmuckformen führte, schränkten die künstlerischen Ambitionen
der Architekten ein. Es entstanden dadurch im 19. und zu Beginn
des 20. Jahrhunderts viele Beispiele von „unendlich langen"
Gebäuden mit einer monotonen, kasernenartigen Architektur, von
denen sich jedoch die Gebäude der elitären Gymnasien und
Realschulen abhoben. Deren Architektur wurde von einer anspruchs-
vollen und dekorativen Aufrissgestaltung, einer reichen Innenein-
richtung sowie durch die Verwendung teurerer Baumaterialien cha-
rakterisiert.
Neben der Forderung nach Sparsamkeit wurden der Schul-
architektur Dauerhaftigkeit und Einfachheit auferlegt. Sie solle ein-
fach und praktisch sein sowie allen Anforderungen an die Hygiene
und an den Brandschutz entsprechen, so die Forderung des Bau-
programms für Schulen in München aus dem Jahr 189913. Im Ham-
burger Programm aus dem Jahr 1904 wurde unter dem Einfluss der
Heimatschutzbewegung gefordert: „Die Architektur und die Deko-
ration des Schulgebäude sei einfach aber der Wichtigkeit der in
ihnen sich vollziehenden Arbeit entsprechend. Die innere Ausschmüc-
kung lenke nicht durch Aufdringlichkeit die Aufmerksamkeit der
Kinder ab, trage aber dazu bei, ihnen die Schulräume heimisch
zu machen und das ästhetische Bewusstsein in ihnen zu wecken"14.
Die künstlerischen Konzepte zur Erneuerung der Architektur, die
in den letzten Jahren vor dem Jahrhundertwechsel formuliert wur-
den, nahmen auch zum Bau von Schulen Stellung. Deren
Vorhandensein in jeder Wohnsiedlung sowie ihre Größe, die ent-
scheidend das Bild der Stadt oder des Dorfes prägte, bewirkten,
dass zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Bedeutung ihrer Architektur
betont wurde. Schließlich sollte diese in bewusster Weise und in
Übereinstimmung mit den aktuellen Tendenzen gestaltet werden.
Die Schulbauten sollen „selbst bei der gebotenen Schlichtheit, den
Geist der Neuzeit, das Streben nach Zweckmäßigkeit, Wahrheit und
Schönheit und das hervorragende Können der Technik bekunden.
Sie sollen Zierden des Ortes und Muster der technischen Voll-
kommenheit sein." (1900)15. Hermann Muthesius erblickte in den
Schulbauten: „eine bedeutende künstlerische Gestaltungskraft, ver-
bunden mit großer Gediegenheit und Aufrichtigkeit der Gesinnung"16.
An der Schwelle zum 20. Jahrhundert, das von Ellen Key17 zum
„Jahrhundert des Kindes" ausgerufen worden war, war man über-
zeugt, dass der Schulbau zur Entwicklung eines modernen Baustiles
beitrüge18.
War die funktionale und technische Ausführung von Schul-
architektur in den unterschiedlichen Landesteilen Deutschlands nach
der Reichseinigung vergleichbar, so waren hingegen in den letzten
drei Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts die jeweils verwendeten
Stilformen recht unterschiedlich. Dabei hing die Auswahl der his-
torisierenden Formen für die architektonische Ausgestaltung von
vielen Faktoren ab - der örtlichen Tradition und dem genius loci,
den Tendenzen in der Staatsarchitektur oder aber von den künst-
lerischen Programmen der Stadtarchitekten, die an der Spitze der
Bauverwaltung standen. Um 1900 zeichneten sich dabei in der deut-
schen Kommunalarchitektur ein Streben nach einer Vereinfachung
historischer Formen und gleichzeitig eine stärkere Anpassung der
modernen Architektur an das Landschaftsbild der jeweiligen kul-
turellen Region ab.
Das dominierende Baumaterial für die nach 1871 zahlreich ent-
stehenden kommunalen Bauten war - praktisch, sparsam und soli-
de - der Ziegelstein. Wenn auch Fassaden aus Ziegelstein teurer
als Putzfassaden waren, so waren sie doch billiger als Verblend-
mauerwerk aus Stein und von großer Dauerhaftigkeit im rauen
Klima des nördlichen Europas. Seit den Gründerjahren wurden sie
zu einem architektonischen Erkennungsmerkmal städtischer Bauten
in öffentlicher Nutzung so u. a. in Berlin, Hamburg, Hannover,
Lübeck und Breslau - also in erster Linie für Städte, in denen der
Bezug zu regionalen Traditionen der gotischen Backsteinarchitektur
oder aber der nördlichen Renaissance gegeben war.
So war der jeweilige „Geist des Ortes" Impuls für die Entstehung
von neoromanischen Schulen in Goslar (Hubert Stier) und Hildes-
heim (Gustav Schwartz), von neogotischen Schulen in Köln
(Hermann Weyer) und Wien (Friedrich Schmidt), von Schule im
Stil der nordeuropäischen Renaissance mit niederländischen, manie-
ristischen Schmuckformen in Stuttgart (Mayer) und Hamburg (Carl
Johann Christian Zimmermann), schließlich von neobarocken
Schulen in München (Hocheder) und Berlin (Ludwig Hoffmann).
Die Architektur der Städte Niedersachsens (Hannover, Bremen,
Verden), Schleswig-Holsteins (Hamburg, Kiel, Lübeck) sowie Berlins
oder auch Breslaus „schillerten" mit Zitaten gotischer Bauten der
norddeutschen Backsteingotik (so z.B. die Rathäuser in Thorn und
Hannover).
Ein wichtiges Zentrum neogotischer Architektur in Deutschland
wurde in der zweiten Hälft des 19. Jahrhunderts Hannover. Conrad
Wilhelm Hase schuf hier gestützt auf die Tradition der norddeut-
schen Backsteingotik die Grundlagen der Neogotik der Hannover-
schen Schule. Hase sah in der Gotik eine Form, die aus der Funktion,
der Konstruktion und des Materials entwickelt worden war.
Die Backsteinarchitektur, die mit farbig glasierten Ziegeln und hell
verputzten Blenden gestaltet sowie an die neuen Bedürfnisse ange-
passt wurde, war zweckmäßig und preisgünstig. Sie wurde, pro-
pagiert von den Schülern und den Nachfolgern Hases, zu einem
Erkennungszeichen für städtische öffentliche Bauten vieler deut-
scher Städte in den letzten drei Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts19.
Einer der ersten, beispielgebenden Bauten der Hannoverschen Schule
war das Gebäude des Gymnasiums Andreanum in Hildesheim
(1866-69), welches von Hase selbst entworfen worden war. Wilhelm
Koch setzte in Hildesheim die Tradition dieser Art von Architektur
fort. In diesem Stil entstanden in Hannover Schulbauten, die u. a.
von Edwin Oppler und Otto Wilsdorff (70er Jahren des 19. Jahr-
hunderts) sowie von Paul Rowald (nach 1890) entworfen wurden,
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