Zugang zum Garten, in dem bei gutem Wetter der Unterricht abge-
halten werden kann. Weitere wichtige Vorzüge der Pavillonschule
sind die zweiseitige Belichtung, die Querlüftung und die, durch
den annähernd quadratischen Grundriß bedingte, größere Raum-
tiefe, welche die freie Möblierung gestattet und somit zum Beispiel
die Arbeit der Schüler in Gruppen, also den sogenannten Arbeits-
unterricht ermöglicht. 1928 wird in Frankfurt am Main zwischen
dem Hochbauamt und den Schulbehörden sogar vereinbart, Schulen
künftig nur noch im Pavillonsystem zu errichten, „um dem Bedürfnis
nach Unterricht im Freien, nach Verbindung mit der Natur, nach
Licht, Luft und Sonne Rechnung zu tragen"26. Aber dieses Programm
ist angesichts wirtschaftlicher Not nicht durchzuhalten. Auch in
den teuren und engen Innenstadtlagen kann das Ideal der Frei-
flächenschule, wie sie in Frankfurt am Main genannt wird, nicht
aufrechterhalten werden.27
Da, wo die Voraussetzungen für eine Pavillonschule nicht gege-
ben sind, sucht man deren Vorteile auf den Geschoßbau zu über-
tragen. Als ein Musterbeispiel galt die 1928 von dem Wiener Architek-
ten Franz Schuster errichtete Heinrich-Kromer-Schule in Niederursel
bei Frankfurt. Das Prinzip seiner architektonischen Lösung, die in
die Geschichte des modernen Schulbaus als Schustertyp eingegan-
gen ist, beruht auf dem Weglassen des Korridors in den Ober-
geschossen und auf den zwischen je zwei Klassenzimmern einge-
fügten Treppenhallen, so daß die Klassenzimmer sich über die
gesamte Tiefe erstrecken und so zweiseitig belichtet und querbe-
lüftet werden können.
Ansonsten suchen Architekten bei kompakten, mehrgeschossi-
gen Schulhäusern durch Dachterrassen die Verbindung zu „Licht,
Luft und Sonne" herzustellen. Hannes Meyer und Hans Wittwer
schlugen 1926 in ihrem Wettbewerbsentwurf für die Petersschule
in Basel gar vor, eine Plattform oberhalb des Straßenniveaus abzu-
hängen, um den fehlenden Tummelplatz für die Kinder zu erset-
zen, der wegen der Enge des Grundstücks auf dem Boden keinen
Platz hatte.
Das Neue Bauen beansprucht - nicht anders als der Deutsche
Werkbund oder andere gesellschaftliche Reformkräfte - auch
unmittelbare Erziehungsfunktion. Der Kritiker Adolf Behne zum
Beispiel merkt zur Bundesschule des Allgemeinen Deutschen
Gewerkschaftsbunds von Hannes Meyer an, daß dieser Typ ideal
sei „um ihnen [den Arbeitern] wenigstens für diese Wochen des
Unterrichts die Ziele und Methoden moderner Wohnkultur in einer
so reinen und zwingenden Form nahe zu bringen, faktisch erleb-
bar zu machen, daß sie von dem Beispiele für immer Nutzen und
inneren Gewinn hätten."2' Der Rektor der Frankfurter Kunstschule
Fritz Wiehert veröffentlicht im Neuen Frankfurt den Beitrag „Die
neue Baukunst als Erzieher", in dem - gleichfalls wie bei Verlaut-
barungen von Erneuerern vor und nach ihm - vor allem auch der
'neue Mensch' zur Sprache kommt. Zur Architektur führt er unter
anderem aus „Um wieder reine, echte Form zu finden, hält sie
[die neue Baukunst] sich an das Notwendige und schraubt ihre
Ausdrucksmittel bewußt bis zur Herbheit zurück. Welcher Pädagoge
wüßte nicht, wieviel mit der Anwendung dieser Regel auf erzie-
herischem Gebiet zu gewinnen ist."29 Als bedeutendstes Beispiel für
die Verbindung eines revolutionär ästhetischen und pädagogischen
91. Rudolf Schroeder, Goethe-Schule in Kiel, Schulunterricht im Freien, 1951
([in:] Das Klassenzimmer, Schulmöbel im 20. Jahrhundert, hrsg. Th. Müller,
R. Schneider, München - New York 1998, S. 54)
Programms gilt das Staatliche Bauhaus in Weimar (ab 1919) und
Dessau (ab 1926). Die Trennung von Handwerk, Technik und Kunst
zu überwinden, die handwerklich-künstlerischen Arbeiten als
Modelle für die industrielle Produktion durchzusetzen, Schönheit
und Stil in der funktionellen Gestaltung zu finden, waren die Ziele
dieser für die Kultur des 20. Jahrhunderts insgesamt bedeutenden
neuen Hochschule.3"
Auch das „problematische Experiment der Vereinigung sämt-
licher verschiedener Schularten zu einer 'Gesamtschule', die 3000
Kinder umfaßt"31 wird bereits 1926 gewagt und von Bruno Taut auf
Initiative des Bezirksstadtschulrats Kurt Löwenstein in Zusammen-
arbeit mit dem Pädagogen Fritz Karsen am Dammweg in Berlin-
Neukölln entwickelt. Unter dem Einfluß des Pädagogen erhalten
drei grundlegende Prinzipien der 'Neuen Schule' architektonischen
Ausdruck. Es soll eine Arbeitsschule sein, in der sich die Schüler
ihr Wissen selbständig in kleinen Gruppen erarbeiten können. Für die-
sen Unterricht sind besondere Fachräume vorgesehen. Die Rolle des
Lehrers ist der eines Mitarbeiters, Organisators oder Werkmeisters
vergleichbar. Ferner soll es sich um eine 'Gemeinschaftsschule' han-
deln, die ganztägig geöffnet ist, damit deren gemeinschaftliche
Einrichtungen wie Schwimmbad, Bibliothek oder Sporthalle von
allen Interessenten genutzt werden können. Zuguterletzt ist an eine
'Gesamtschule' gedacht, welche die unterschiedlichen Schulformen
in einem Bau zusammenfaßt, um den Schülern eine Vielfalt von
Entscheidungsmöglichkeiten zu bieten. Taut entwirft die Arbeits-
klasse auf quadratischem Grundriß mit umlaufenden Oberlichtern
als Grundbaustein der Gesamtanlage. Die Schule mit ihren Unter-
richtsräumen zu beiden Seiten eines gekrümmten Weges, als
Metapher für den Lebensweg des Schülers zu lesen, befindet sich
im Innern eines großen Wohnblocks. Es ist geplant, daß die Anwohner
auch die Außenanlagen des Schulkomplexes mitbenutzen, daher
sieht der Entwurf von Bruno Taut keinen abgetrennten Schulhof
vor. Mehrgeschossige Flügelbauten, die die langgestreckte Anlage
gliedern, sind dem Gemeinschaftsunterricht Vorbehalten und ver-
fügen, an zentraler Stelle, über den großen Versammlungssaal sowie
Fachräume und Sporthallen. Auch die Realisierung dieses Projekts
215
halten werden kann. Weitere wichtige Vorzüge der Pavillonschule
sind die zweiseitige Belichtung, die Querlüftung und die, durch
den annähernd quadratischen Grundriß bedingte, größere Raum-
tiefe, welche die freie Möblierung gestattet und somit zum Beispiel
die Arbeit der Schüler in Gruppen, also den sogenannten Arbeits-
unterricht ermöglicht. 1928 wird in Frankfurt am Main zwischen
dem Hochbauamt und den Schulbehörden sogar vereinbart, Schulen
künftig nur noch im Pavillonsystem zu errichten, „um dem Bedürfnis
nach Unterricht im Freien, nach Verbindung mit der Natur, nach
Licht, Luft und Sonne Rechnung zu tragen"26. Aber dieses Programm
ist angesichts wirtschaftlicher Not nicht durchzuhalten. Auch in
den teuren und engen Innenstadtlagen kann das Ideal der Frei-
flächenschule, wie sie in Frankfurt am Main genannt wird, nicht
aufrechterhalten werden.27
Da, wo die Voraussetzungen für eine Pavillonschule nicht gege-
ben sind, sucht man deren Vorteile auf den Geschoßbau zu über-
tragen. Als ein Musterbeispiel galt die 1928 von dem Wiener Architek-
ten Franz Schuster errichtete Heinrich-Kromer-Schule in Niederursel
bei Frankfurt. Das Prinzip seiner architektonischen Lösung, die in
die Geschichte des modernen Schulbaus als Schustertyp eingegan-
gen ist, beruht auf dem Weglassen des Korridors in den Ober-
geschossen und auf den zwischen je zwei Klassenzimmern einge-
fügten Treppenhallen, so daß die Klassenzimmer sich über die
gesamte Tiefe erstrecken und so zweiseitig belichtet und querbe-
lüftet werden können.
Ansonsten suchen Architekten bei kompakten, mehrgeschossi-
gen Schulhäusern durch Dachterrassen die Verbindung zu „Licht,
Luft und Sonne" herzustellen. Hannes Meyer und Hans Wittwer
schlugen 1926 in ihrem Wettbewerbsentwurf für die Petersschule
in Basel gar vor, eine Plattform oberhalb des Straßenniveaus abzu-
hängen, um den fehlenden Tummelplatz für die Kinder zu erset-
zen, der wegen der Enge des Grundstücks auf dem Boden keinen
Platz hatte.
Das Neue Bauen beansprucht - nicht anders als der Deutsche
Werkbund oder andere gesellschaftliche Reformkräfte - auch
unmittelbare Erziehungsfunktion. Der Kritiker Adolf Behne zum
Beispiel merkt zur Bundesschule des Allgemeinen Deutschen
Gewerkschaftsbunds von Hannes Meyer an, daß dieser Typ ideal
sei „um ihnen [den Arbeitern] wenigstens für diese Wochen des
Unterrichts die Ziele und Methoden moderner Wohnkultur in einer
so reinen und zwingenden Form nahe zu bringen, faktisch erleb-
bar zu machen, daß sie von dem Beispiele für immer Nutzen und
inneren Gewinn hätten."2' Der Rektor der Frankfurter Kunstschule
Fritz Wiehert veröffentlicht im Neuen Frankfurt den Beitrag „Die
neue Baukunst als Erzieher", in dem - gleichfalls wie bei Verlaut-
barungen von Erneuerern vor und nach ihm - vor allem auch der
'neue Mensch' zur Sprache kommt. Zur Architektur führt er unter
anderem aus „Um wieder reine, echte Form zu finden, hält sie
[die neue Baukunst] sich an das Notwendige und schraubt ihre
Ausdrucksmittel bewußt bis zur Herbheit zurück. Welcher Pädagoge
wüßte nicht, wieviel mit der Anwendung dieser Regel auf erzie-
herischem Gebiet zu gewinnen ist."29 Als bedeutendstes Beispiel für
die Verbindung eines revolutionär ästhetischen und pädagogischen
91. Rudolf Schroeder, Goethe-Schule in Kiel, Schulunterricht im Freien, 1951
([in:] Das Klassenzimmer, Schulmöbel im 20. Jahrhundert, hrsg. Th. Müller,
R. Schneider, München - New York 1998, S. 54)
Programms gilt das Staatliche Bauhaus in Weimar (ab 1919) und
Dessau (ab 1926). Die Trennung von Handwerk, Technik und Kunst
zu überwinden, die handwerklich-künstlerischen Arbeiten als
Modelle für die industrielle Produktion durchzusetzen, Schönheit
und Stil in der funktionellen Gestaltung zu finden, waren die Ziele
dieser für die Kultur des 20. Jahrhunderts insgesamt bedeutenden
neuen Hochschule.3"
Auch das „problematische Experiment der Vereinigung sämt-
licher verschiedener Schularten zu einer 'Gesamtschule', die 3000
Kinder umfaßt"31 wird bereits 1926 gewagt und von Bruno Taut auf
Initiative des Bezirksstadtschulrats Kurt Löwenstein in Zusammen-
arbeit mit dem Pädagogen Fritz Karsen am Dammweg in Berlin-
Neukölln entwickelt. Unter dem Einfluß des Pädagogen erhalten
drei grundlegende Prinzipien der 'Neuen Schule' architektonischen
Ausdruck. Es soll eine Arbeitsschule sein, in der sich die Schüler
ihr Wissen selbständig in kleinen Gruppen erarbeiten können. Für die-
sen Unterricht sind besondere Fachräume vorgesehen. Die Rolle des
Lehrers ist der eines Mitarbeiters, Organisators oder Werkmeisters
vergleichbar. Ferner soll es sich um eine 'Gemeinschaftsschule' han-
deln, die ganztägig geöffnet ist, damit deren gemeinschaftliche
Einrichtungen wie Schwimmbad, Bibliothek oder Sporthalle von
allen Interessenten genutzt werden können. Zuguterletzt ist an eine
'Gesamtschule' gedacht, welche die unterschiedlichen Schulformen
in einem Bau zusammenfaßt, um den Schülern eine Vielfalt von
Entscheidungsmöglichkeiten zu bieten. Taut entwirft die Arbeits-
klasse auf quadratischem Grundriß mit umlaufenden Oberlichtern
als Grundbaustein der Gesamtanlage. Die Schule mit ihren Unter-
richtsräumen zu beiden Seiten eines gekrümmten Weges, als
Metapher für den Lebensweg des Schülers zu lesen, befindet sich
im Innern eines großen Wohnblocks. Es ist geplant, daß die Anwohner
auch die Außenanlagen des Schulkomplexes mitbenutzen, daher
sieht der Entwurf von Bruno Taut keinen abgetrennten Schulhof
vor. Mehrgeschossige Flügelbauten, die die langgestreckte Anlage
gliedern, sind dem Gemeinschaftsunterricht Vorbehalten und ver-
fügen, an zentraler Stelle, über den großen Versammlungssaal sowie
Fachräume und Sporthallen. Auch die Realisierung dieses Projekts
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