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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1887

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Heft 7/8
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Muther, Richard: Die Anfänge der Genre- und Landschaftsmalerei, [1]: Vortrag, gehalten im Bayer. Kunstgewerbeverein am 11. Januar 1887 von Dr. Richrad Muther
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https://doi.org/10.11588/diglit.6902#0054

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Aus Ej. Seb. Beham's „Bauernhochzeit". —- Lliche aus G. E^irth's „Kulturgeschichtlichem Bilderbuch".

Die Mf'ilW M Leim- W LanWüstsmalerei.

Vortrag, gehalten im Bayer. Aunstgewcrbeverein am p. Januar s887 von Or. Richard Muther.

on allen Gattungen der Malerei hat wohl keine
einen sonderbareren Entwicklungsgang durch-
gemacht, als das Genre oder die Landschaft.
Gerade diese beiden Aunstzweige, die in modernen
Ausstellungen immer am reichsten vertreten sind, sind erst
am spätesten zur Entstehung gelangt. Zwar hat es schon in
der ältesten Zeit genrehafte Darstellungen bei den Aegyptern
gegeben, zwar wissen wir, daß einzelne griechische Aünstler,
wie Zeuxis, mit Vorliebe Sittenbilder malten, und können
sehr zahlreiche Genre- und Landschaftsbilder noch heute in
Rom und Pompeji betrachten. Aber zu ähnlichen Leistungen,
wie die moderne Malerei, hat es die Ärmst der Alten — die
der Orientalen, wie die der Griechen und Römer — doch
nie gebracht. Die genrehaften wie die landschaftlichen Motive
wurden nur als angenehme Zugaben in den Bildern an-
gesehen, die sich dekorativ vortrefflich verwerthen ließen und
die dekorativ vielleicht anmuthiger verwerthet sind als in
der Neuzeit, die aber doch, was selbständigen Aunstwerth
anlangt, im Vergleich zu den Leistungen der modernen
Malerei immer oberflächlich erscheinen müssen.*)

Und desgleichen ist dem ganzen Mittelalter die Genre-
wie die Landschaftsmalerei vollständig fremd gewesen. Mir
heutzutage, die wir mit schwärmerischer Begeisterung, so
oft wir können, den Städten entrinnen, um die landschaftliche
Natur mit Bewußtsein zu genießen, — die wir, wenn wir
die Mittel dazu haben, durch die Gartenkunst unser eigenes
Fleckchen Erde, groß oder klein, in ein unserer Idee ent-
sprechendes landwirthfchaftliches Naturbild umzuschaffen
suchen, die wir landschaftliche und Genrebilder lieber kaufen
als alle übrigen Aunstwerke und in dilettantischer Meise
uns selbst am frühesten mit der künstlerischen Aufnahme
von Skizzen nach der landschaftlichen Natur oder mit ver-
sifizirten Ausdrücken unserer Naturempfindung beschäftigen,—
wir verstehen es nur schwer, daß das ganze Mittelalter sich
dieser beiden Aunstzweige so vollständig entschlagen konnte.
Es genügt auch nicht, diesen Umstand nur durch die niangel-

*) vgl. tvoermann, „Die Landschaft in der Kunst der alten
Völker", München ^876.

hafte Technik des Mittelalters zu erklären, so richtig es auch
ist, daß gerade Genre und Landschaft die genaueste Aennt-
niß der Perspektive und den Vollbesitz eines reichhaltigen
Farbenmaterials voraussetzen. In erster Linie wird man
vielmehr zur Erklärung auf die so ganz andere, von der
unsrigen so grundverschiedene Naturanschauung des Mittel-
alters Hinweisen müssen.

Die Lehre des Lhristenthums — „Mein Reich ist nicht
von dieser Melt" — hatte damals bekanntlich auch der Aunst
ihren Stempel aufgedrückt. Der sündhafte Mensch als
solcher war kein Gegenstand der Darstellung. Die Malerei
war eine Art Bilderschrift, welche denen, die nicht lesen
konnten, das Heil verkündigte und das Leben der heiligen
Personen vorführte. Der menschliche Aörper wurde nur
dargestellt als Hülle der unsterblichen Seele. Die irdische
Auflösung im himmlischen Erlöser war das Schönheits-
ideal. Schlanke, emporgereckte Gestalten treten uns ent-
gegen, von langen Gewändern umflossen, die den Aörper-
bau kaum erkennen lassen. Iemehr das Aörperliche zurück-
trat, umsomehr konnte aus dem anmuthigen Gesicht und
den gemüthstiefen Augen das Göttliche hcrvorlcuchten.
Und in keiner irdischen Umgebung durften diese Gestalten
sich aufhalten. Deshalb dehnt sich hinter den Figuren
prangender Goldgrund aus, der sie gleichsam in eine
himmlische Ferne entrückt, wo es nichts als Reines und
heiliges gibt und wo der sterbliche Mensch mit seiner Aual
nicht hinkoinmt. Sittenbildliche Motive oder landschaftliche
Hintergründe wird man daher auf mittelalterlichen Mand-
oder Tafelbildern vergeblich suchen. Ueberall tritt uns die
finstere Askese der Zeit entgegen, welche unsere Vorfahren
nöthigte, in den bisher verehrten Quellen und Bergen,
in See und Mald das Antlitz falscher Dämonen zu ahnen.

Höchstens die Bilderhandschriften, die großen Miniatur-
werke belehren uns, daß auch damals die Menschen nicht
aller Lebensfreude bar waren, Hier, wo sich die Maler
von der Dogmatik weniger beengt fühlten, konnten sie ihrer
Liebe zum Leben und zur Natur eher Ausdruck geben.
Schon die ganze Anlage der Bilder ist in diesen Hand-
 
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