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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 9.1934

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Schmidt-Hellerau, Karl: Zum Preisausschreiben des Kampfbundes für deutsche Kultur und der Deutschen Werkstätten A.-G.
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Von der Arbeitstagung des Bundesbeirates: am 26. Januar 1934 in Bremen
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https://doi.org/10.11588/diglit.13712#0036

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Wenn wir den größten Teil der Möbel ausführen würden,
wären sie nicht zu verkaufen. Vielleicht, wenn die junge Gene-
ration etwas weiter herangewachsen ist. Die Generation, die
heiratsfähig ist, ist zwar auch schon viel erzogener, aber noch
immer verlangt das große Publikum Möbel in guten, am
liebsten überseeischen Hölzern, mit stark gerundeten Ecken,
Möbel, die „nach etwas aussehen", nicht Möbel, die „nach
armen Leuten riechen". Es geht dem Möbelfabrikanten wie
dem Verleger und dem Theaterdirektor. Der Händler sagt zum
Fabrikanten: „Ich kann nur verkaufen, was der Kundschaft
gefällt". Dasselbe sagt der Fabrikant. Auch aus diesem Grunde
stimmt die liberale Auffassung nicht. Die Form wird diktiert,
oder es gibt keine Form. Solange jeder Halb- oder noch
weniger Gebildete beim Händler das kauft, was ihm gefällt,
wird er zwangsläufig maßgebend schließlich für die Fabri-
kation. Darum macht der Gewandte, der keine Verantwortung
für Form und Qualität in sich fühlt, das Geschäft, und der
Redliche und Ehrenhafte kommt nicht weiter.

Also zu dem Ergebnis des Preisausschreibens, das an sich,
was ich betonen möchte, besser war als irgendein Preisaus-
schreiben, was ich sonst bisher gesehen habe, kann man nur
sagen: 98% der Leute sind nicht berufen, Entwürfe zu machen.
Sie haben es in der Schule gelernt und glauben, Anspruch
darauf zu haben. Eine Besserung, eine wesentliche Steigerung
halte ich nur für möglich, wenn fest durchgegriffen wird, der
Unfug aufhört, daß man 95% der Unberufenen auf allen mög-
lichen Schulen zu etwas macht, zu dem ihnen alle Voraus-
setzungen fehlen. Die Lüge, daß man in einer Schule einen
Architekten oder Künstler erziehen kann, muß endlich aufhören.
Es gibt nach meiner Meinung, wenn wir im Driften Reich in
dieser Beziehung etwas bessern wollen, keinen anderen Weg
als den, den wir früher gegangen sind. Jeder fängt im Hand-
werk an, der Fähige wird Werkmeister, der noch Fähigere

Meister und die Allerfähigsten, die Schöpferischen, werden die
entwerfenden Architekten. Genau so ist's bei Malern und
Bildhauern; wo es nicht langt, bleibt einer Steinmetz, und
wenn einer Maler werden will und es langt nicht, bleibt er
Zimmeranstreicher. Die zehntausend Mittelmäßigen sind volks-
wirtschaftlich unnütz. Dann werden die paar wenigen schöpfe-
rischen Architekten wieder die rechten Aufgaben haben, und
es wird wieder die ruhige, gesunde Entwicklung eintreten,
nicht die amerikanische Hast, die modischen Schwankungen,
die frühere Zeiten gar nicht gekannt haben. Diese ganze ent-
menschte Methode, die nur den Profit kennt, hat es soweit
gebracht, daß heute nicht nur der Arbeiter, sondern auch
der Ingenieur, Betriebsleiter und auch die Direktoren großer
Gesellschaften immer mehr zum Kuli werden als zur Persön-
lichkeit.

Ein Architekt weiß, daß er als Architekt noch lange nicht
unbedingt Möbel entwerfen kann, wenn er gute Häuser ent-
wirft, und diese schöpferischen Architekten werden wieder den
guten Tischler, Stukkateur und dekorativen und einfachen Maler
sich zu wirklichen Mitarbeitern heranziehen. Dann wird der
Architekt auch wieder Einfluß auf den Bauherrn haben, daß
nicht unbedingt der Billigste, d. h. der Gewissenloseste, den
Auftrag bekommt.

Wir haben Akademien, Technische Hochschulen, Kunst-
gewerbeschulen, jetzt auch noch Berufsschulen, eine Menge
Kunstzeitschriften, 24 Lehrstühle für Kunstgeschichte im Deut-
schen Reich, lauter Einrichtungen, die immer gescheit reden.
Ordentlich arbeiten und gut bauen und gutes Gewerbe hat
gar nichts mit Literatur und Reden zu tun, sondern ist lediglich
eine Sache der Begabung, der Erfahrung, der geübten Sinne
und Hände. Es gab z. B. große Kunst zu Zeiten der Medici
in Florenz, aber weder eine Volksschule, eine Akademie oder
einen Kunstgelehrten.

Von der Arbeitstagung des Bundesbeirates

AM 2 6. JANUAR 1934 IN BREMEN

Eröffnungsrede des Werkbundführers

Nach kurzer Begrüßung der Teilnehmer führte der Vorsitzende
des Werkbundes, Dipl.-Ing. Lörcher-Berlin, etwa folgendes aus:
Als Nationalsozialist lege er weniger Wert auf schöne Reden
mit schönen Worten, dagegen besonderen Wert auf schöne
Taten. Alle Versuche, eine Volkskultur zu gründen, seien bisher
vergeblich gewesen. Es sei ja auch völlig unmöglich, daß
ohne ein breites, tragendes Fundament im Volke eine Blüte der
Kunst entstehen könne. Wenn das Volk geistig verfalle, so sei
alles, was wir machen, sinnlos.

Er fühle sich als Mitkämpfer für das heutige Deutschland und
die heutige Generation und Mithelfer an einem schöneren
Deutschland für unsere Kinder. In diesem Kampfe würden die
Nationalsozialisten ihre Arme weit öffnen für alle, die guten
Willens seien zur Mitarbeit, würden aber alle mitleidslos weg-
stoßen, welche kämen, um zu zersetzen. Nur der Weg unseres
Führers zur Rettung des Volkes werde von uns gegangen und
kein anderer. Eine Kultur brauche sichere Grundlagen. Kunst
im luftleeren Raum gebe es nicht. So könne man auch die

Seele eines Volkes nicht ansprechen, ohne selbst mit dem Volk
verbunden zu sein.

Um eine solche Existenzgrundlage zu gewinnen, müssen wir
zunächst unseren Raum neu ordnen. Damit ergebe sich auch
die Reihenfolge der Ziele. Der Mensch sei die Voraussetzung
unseres Handelns, der Raum sei die Voraussetzung für die
Lebensmöglichkeit des Menschen. Nicht die Stadtwirtschaft als
Einzelteil, sondern die Raumwirtschaft für das Gesamtvolk sei
für uns das Gegebene. Nicht Kultur als Selbstzweck, sondern
Kultur im Dienste der Veredelung des Menschen, die Einordnung
unseres Schaffens in eine Dienstleistung am Volk sei unser Ziel.
Darauf beruhe auch unsere Weltgeltung.

Trotz mühevoller dreißigjähriger Arbeit habe der Werkbund
das breite Fundament im Volk noch nicht erreicht. Seine Auf-
gabe müsse daher zunächst sein, das Fundament zu einer
Erneuerung der Kunst neu zu legen. Es bestehe durchaus kein
Mangel an guten Möbeln und anderen Gebrauchsgegen-
ständen, aber es seien keine Käufer vorhanden. Noch nicht
10 vom Hundert der Bevölkerung werde erfaßt und es müsse

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