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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 1): Denkmäler aus alter Zeit — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3501#0193

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Der Tempel des Theseus in Athen.

deren

Gründung

in die

Der Tempel des Theseus gehört zu denjenigen religiösen Gebäuden Athens,
älteste Zeit hinaufreicht. Plutarch erzählt uns, dass die Athener dem Theseus einen Tempel nach seiner
llückkehr von Kreta und seiner Besiegung des Minotaurus errichteten. Theseus selber verordnete, dass
die Kosten zur Unterhaltung dieses Tempels und zur Bestreitung der Opfer, die darin gehalten wurden,
von dem Tribut bestritten würden, den man dem König Minos zahlte, von dessen Zahlung er die Athener
durch seine Heldenthat befreit hatte. Er vertraute die Sorge für diese heiligen Gebräuche, die daselbst
gefeiert werden sollten, den Nachkommen des Phytalus, den Phytaliden an, weil diese ihm bei seiner
ersten Ankunft in Athen bis zum Flusse Kephissos entgegen gekommen waren, und ihn auf seine Bitte

errichtet

gesühnt hatten. Es war dies nicht der

izige Tempel, der dem Theseus bei seinen Lebzeiten

wurde; die Athener weihten ihm sehr viele, von denen er aber nur vier für sich behielt, alle andern liess

er dem Herkules weihen,
hatte, in das er von dem

fast vollständig den,

aus Erkenntlichkeit dafür, dass dieser Heros ihn aus dem Gefängnisse befreit
Oedoneus, dem Könige der Molosser, eingeschlossen worden war; er selber ver-
änderte den Namen ©rjaeiu, den diese Tempel führten, in den der ^HquxXeiu.*)

Von diesen Tempeln ist keine Spur bis auf uns gekommen; aber wir besitzen
der später zu Ehren dieses Heros errichtet wurde. Dieses Denkmal wurde 465 Jahre vor Chr. erbaut
im 4. Jahre der 77. Olympiade, beinah acht Jahrhunderte nach dem Tode des Theseus, 40 Jahre vor dem
des Perikles und 30 Jahre vor der Erbauung des Parthenon.

Einige Archäologen erheben Zweifel darüber, dass der Tempel, den wir hier betrachten, ein Tempel
des Theseus sei; wir theilen diese nicht und glauben aus den Sculpturen, die ihn schmücken — die, so
verstümmelt sie auch sind, mehrere Thaten des attischen Helden mit Sicherheit erkennen lassen — mit
Recht schliessen zu dürfen, dass dieser Tempel dem Besieger des Minotaurus geweiht gewesen sei. Es ist
gewiss derselbe, den Plutarch und Pausanias in die Nähe des Gymnasiums des Ptolemäus setzen.*') Es sind
noch ziemlich beträchtliche Beste dieses Gymnasiums vorhanden, und ihre Lage entspricht in Bezug auf
den Tempel genau den Nachrichten, die uns diese Schriftsteller davon hinterlassen haben. Diese geben
uns auch den Grund der dem Theseus erwiesenen Ehre an. Nachdem Plutarch die Heldenthaten
desselben aufgezählt und von der Undankbarkeit gesprochen hat, mit der die wankelmüthigen Athener

Dienste

die Athener, durch mehrere zusammenkommende
In der Schlacht von Marathon wollte ein grosser

gesehen

haben, wie er an ihrer Spitze bewaffnet

seine Uienste bezahlten, sodann von seiner Verbannung und seinem Tode im Exil erzählt hat, setzt
er hinzu: „Mehrere Jahrhunderte darauf verehrten
Umstände dazu bewogen^ den Theseus als einen Heros
Theil ihrer Krieger den Theseus als eine Erscheinung

sich auf die Barbaren stürzte. Als nach den Perserkriegen die Athener unter dem Archonten Phaedon
das Orakel des Apollo um Rath befragten, antwortete ihnen die Pyihia, dass sie die Gebeine des Theseus
holen und innerhalb der Mauern ihrer Stadt mit feierlichen Ehren bestatten und sie heilig halten
sollten." Dieser Auftrag wurde ausgeführt, als Cimon, des Miltiades Sohn, Skyros erobert hatte. Nach
langem Suchen entdeckte er die Ueberreste des Helden, die in einem Skelett von grosser Statur, in einer
ehernen Lanzenspitze und in einem Schwerte von demselben Metall bestanden. Er brachte dieselben auf
seinem Schiffe nach Athen, wo man Feste und Spiele dem Sohne des Aegeus zu Ehren einsetzte. Bei
dieser Gelegenheit fand auch der berühmte Wettstreit zwischen Aeschylos und Sophokles Statt, in dessen
Folge der besiegte Aeschylos sich zu einem freiwilligen Exil verurtheilte und

Der Tempel, der zu dieser Zeit errichtet wurde, um darin die Gebeine des Helden beizusetzen

sich nach Sicilien zurückzog,
des

derselbe, von dem wir heute noch die so wichtigen Ruinen sehen

und für die geringeren Bürger, sobald sie von einem mächtigen Bürger verfolgt wurden, und dies zum

Theseus, dessen ganzes Leben der Verteidigung Unglücklicher und Schwacher

geweiht

ist
Er war im Alterthum ein Asyl für die
Sklaven
Gedächtniss

gewesen war. Auch diente dieser Tempel zu verschiedenem bürgerlichen Gebrauch, so versammelten sich
in ihm die Thesmotheten ***), später wurden sogar einige Prozesse in ihm verhandelt, und er wurde eine
Art von Staatsgefängniss.****)

Der Tempel des Theseus liegt auf einer kleinen Anhöhe, die eine Fortsetzung des Hügels des Areopagus
bildet. Er ist ein hexastylos peripteros, und ähnelt sehr dem Parthenon, dem er augenscheinlich als Vorbild
gedient hat. Die Hauptfayade des Tempels ist gegen Osten gerichtet; in dem vorderen Portikus sieht man eine
in den Boden gerissene Linie, man vermuthet, dass sie als Meridian gedient habe. Der Tempel ruht auf

einem Unterbau von zwei Stufen; seine

Länge

beträgt aussen am Unterbau

(1071 Fuss Rh.}, seine Breite 15,80 Metr. (etwa 50 F.

14,25 Metr.

gemessen

33,80 Meires

KhO; die Dimensionen des Tempels selber oben
auf dem Stylobat gemessen sind 31,80 und 14,25 Metr. (etwa 101 und 45| F. Rh/). Der Tempel ist ganz
aus penthelischem Marmor erbaut, mit Ausnahme seiner Fundamente, die aus grossen Quadern von
Piräischem Kalkstein bestehen. An der nordwestlichen Ecke haben Aufgrabungen mehrere Schichten des
Fundamentes zu Tage gelegt, wie man auf unserer perspectivischen Ansicht sehen kann, die den Tempel
von seiner hinteren oder westlichen Seite darstellt. Diese Seite ist durch Wind und Wetter sehr angegriffen
und verwittert,

wodurch die Festigkeit dieses Theiles des Gebäudes etwas gelitten hat.

*) Plutarch, Leben des Theseus.
**) „Er wurde in der Mitte der Stadt beerdigt, nahe an der Stelle, wo heute das Gymnasium steht." (Plutarch. Thes.) ,,Tn
dem Gymnasium, das nicht fern von der Agora gelegen ist und das Ptolemäische nach dem Namen seines Erbauers
genannt wird, giebt es sehenswerthe steinerne Hermen. Man sieht auch dort eine erzene Statue des Ptolemäus und eine
des Juba, des Libyers. Beim Gymnasium ist der Tempel des Theseus." (Pausanias Att. c. 27.)
*") So nannte man zu Athen die sechs Blut- oder Criminalrichter, denen auch die Sorge für die Verbesserung der Gesetze
anvertraut war.
****) Aeschines, Rede gegen Ktesiphon.

Denkmäler der Baukunst. XI.VITI. Lieferung.
 
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