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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 1): Denkmäler aus alter Zeit — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3501#0066

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Tempel auf der Insel Gozzo, gewöhnlich Giganteia oder

Tihurm der Biesen genannt.

(Der Text nach Alb. Lenoir, Mitglied des Comite der Künste und Denkmäler.)

Die Uebereinstimmung in der geistigen Anlage des menschlichen Geschlechtes bringt es mit sich,
dass überall die ersten und ursprünglichsten Betätigungen des geistigen Daseins, die frühsten Denk-
mäler, welche die Völker errichtet, einen verwandten Charakter haben müssen; erst wenn die Nationali-
täten sich individuell und charakteristisch ausgebildet haben, können sie solche Eigentümlichkeit auch
in den Denkmälern aussprechen. Die Ursagen der Völker führen uns überall darauf zurück. Wo eine
feste Stätte, (ein Mal für den Gedanken) bezeichnet werden soll, — zur Erinnerung an das Bündniss der
Gottheit mit den Menschen, als Altar, auf welchem der Gottheit die Opfer des Bündnisses dargebracht
werden, zur Erinnerung an grosse Könige und Helden, welche der Tod fortgerafft, oder an irgend ein
denkwürdiges Ereigniss, — da wälzt man Steine zusammen oder schüttet einen Hügel von Erde empor,
damit sie als Denkzeichen oder als Opferheerd in die Augen fallen mögen. Dann findet man es nöthig,
den umgebenden Baum ebenfalls als einen geheiligten zu bezeichnen; man schliesst ihn von dem weiten
und unbegrenzten Baume draussen durch eine Umzäunung, durch einen Erdwall, am liebsten durch einen
Kreis von Steinen ab. Und in gleichem Maasse, wie die Cultur weiter fortschreitet, bildet man eine
Anlage solcher Art auf eine mehr und mehr ebenmässige, gegliederte, mannigfaltige Weise aus.

Wir dürfen nicht ohne Grund annehmen, dass Asien, die Heimath der Urreligionen, die frühsten
Denkmäler von dieser einfachen Beschaffenheit habe entstehen sehen. Die Berichte der Beisenden unsrer
Zeit haben uns manche beachtenswerthe Notiz hierüber gegeben. So hat man neuerlich in Indien, in Per-
sien und Syrien sehr urthümliche Steindenkmale und Altäre gefunden. Aehnliches berichten uns die
Schriftsteller des Alterthums. Lucian z. B. sah zu Heliopolis, dem Mittelpunkte des syrischen Sonnen-
cultus, einen Thron oder Altar der Sonne, der bloss aus vier Steinklötzen in Gestalt eines Tisches bestand.
Artemidor (bei Strabo) erzählt, dass in Afrika, unweit Carthago, dem Gotte Melkarth, d. h. dem phöni-
cischen Herakles, dessen Cultus von Tyrus aus dahin verbreitet war, auf drei oder vier übereinander
geschichteten Steinen geopfert wurde. Die Phönicier, das schifffahrende Volk des Mittelmeeres, das an
den fernsten Küsten desselben Niederlassungen gründete, mag, mit der Verbreitung seines Cultus, gleich-
zeitig zur Verbreitung und vielleicht auch zur weiteren Ausbildung dieser urthümlichen Weise der Errich-
tung der Denkmäler beigetragen haben. Dahin mögen die sogenannten altpelasgischen Monumente Grie-
chenlands, sowie die ihnen entsprechenden in Italien und selbst in Spanien, die merkwürdigen Nuraghen
auf Sardinien, die Talayots auf den Balearen zu deuten sein. Aber auch noch in anderen, zum Theil
abgelegenen Ländern finden sich Denkmäler von verwandter Beschaffenheit. So im Norden Europa's, wo be-
sonders die sogenannten druidischen Denkmäler in den ehemals celtischen Ländern von Bedeutung sind.
So auch in Amerika, besonders in dessen nördlicher Hälfte, dessen Urdenkmäler mit denen des nörd-
lichen Europa viel Verwandtes haben.

Das bedeutendste unter den noch einigermassen erhaltenen Heiligthümern dieser Art sind die soge-
nannten Giganteia, auch Thurm der Biesen geheissen, im District Kasal-Sciagra auf der kleinen
Insel Gozzo bei Malta. Sie erscheinen als eine sehr umfassende und verhältnissmässig bereits ausgebildete
Anlage, und gewinnen zugleich durch eine Menge von Einzelheiten, die unläugbar auf phönicischen Cultus
deuten, ein ganz eigenthümliches Interesse. Wir entnehmen die Ansichten und Durchschnitte derselben
einer Abhandlung des Grafen de la Marmora, welche in den „Nouvelles Annales de l'Institut archeologique
de Borne", Jahrgang 1836, enthalten ist.

In einem hochgethürmten Haufen ungeheurer Steinblöcke von unregelmässiger Form und theils hori-
zontaler, theils vertikaler Lage sind zwei offne Tempelräume (auf dem zweiten Blatte A und B) enthalten,
ein jeder aus fünf unregelmässigen Halbkreisen bestehend, die sich einem Mittelgange anschliessen; zwei
Thüren (C und D) an einer und derselben Facade bilden den Eingang der beiden Heiligthümer. Die
sämmtlichen Steine sind an Ort und Stelle gebrochen; es sind gewöhnliche Kalksteine.

Im Innern waren die Wände ursprünglich mit grossen Steinplatten bedeckt, wovon noch Ueberreste
zu sehen sind (Siehe E im Tempel A); auch der Fussboden war damit belegt. Die Schwelle des grös-
seren Tempels (A) besteht aus zwei elliptischen Steinplatten, deren Gestalt beinahe an den Grundriss
des Tempels selbst erinnert. Die ganze Länge desselben (von F bis G) beträgt 81 Pariser Fuss, die
Breite im hintern Oueerbau (von H bis I) 70 Fuss 9 Zoll und im vordem (von K bis L) 49 Fuss 6 Zoll.

Denkmäler der Baukunst. IV. Lieferung.
 
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