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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 1): Denkmäler aus alter Zeit — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3501#0282

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Etrnskisclie Gräber«

Ohne die Entdeckung unzähliger etruskischer Gräber würde man jetzt nichts von der Kunst und
Architectur der Etrusker wissen. In der That waren fast sämmtliche Bauwerke dieses Volkes, die ent-
weder von den Römern im Kriege zerstört oder nach und nach bei den Bauten der späteren Zeiten ver-
wendet worden, eben so vom Erdboden verschwunden wie die Denkmäler seiner Geschichte und Literatur
verschwunden sind. Man würde, was die Kenntniss der Bildung dieses Volkes anbetrifft, allein auf die
Zusammenstellung einiger spärlicher Fragmente in den griechischen und lateinischen Schriftstellern ange-
wiesen gewesen sein, wenn man nicht seit einiger Zeit durch einen unschätzbaren Glücksfall Entdeckungen
gemacht hätte, die, wenn sie auch noch nicht in aller Vollständigkeit die Kunst dieses Volkes in ihren
verschiedenen Zweigen und in ihren verschiedenen Varietäten enthüllen, uns doch wenigstens die Mittel
zu ihrer Abschätzung gewährt haben, wie sie für einige Kategorien in mehreren Perioden ihrer Ausübung
gewesen sein muss.

Fast sämmtliche auf etruskischem Boden errichteten Denkmäler hieratischer wie profaner Architectur
sind verschwunden; man kann von ihr jetzt nur eine oberflächliche Kenntniss aus der Interpretation einiger
Stellen des Vitruv oder aus einigen älteren römischen Bauten erhalten, die Reminiscenzen an etruskische
Baukunst bewahren und vielleicht in sehr alter Zeit von etruskischen Künstlern ausgeführt wurden. Aber
wenn man auch immer den Untergang von Bauwerken zu beklagen hat, die uns in die Geheimnisse der
etruskischen Baukunst eingeweiht hätten, so giebt es doch noch einige Befestigungsbauten und Gräber,
die ihrer Natur nach viel weniger zerstörbar sind, entweder weil sie sehr massenhaft sind, oder weil sie
im Schoosse der Erde verborgen waren oder an wenig besuchten Orten liegen, die uns für jenen Verlust
entschädigen können. Die Entdeckung und Durchforschung der etruskischen Gräber nebst allem, was
man in ihnen gefunden, hat ein bestimmtes Licht über die Kunst und die Geschichte dieses Volkes von
den ältesten Zeiten bis auf die letzte Epoche ihres Daseins verbreitet, und fast alle verschiedenen Phasen
oder Umwandlungen ihrer Kunst aufgedeckt.

Dieser Aufsatz wird sich nun mit den etruskischen Grabmonumenten und den hauptsächlichsten
Gegenständen ihrer Ausschmückung und Ausstattung beschäftigen.

Wenn wir hier in Kurzem erwähnen, dass die Etrusker asiatischen Ursprungs waren, wenn wir an
die Beziehungen und Verbindungen erinnern, die zwischen ihnen und Griechenland bestanden, so heisst
dies vorweg aussprechen, dass die Kunst dieses Volkes Theil hatte an der einen und an der anderen
dieser beiden Civilisationen. So werden uns in der That ihre Gräber erscheinen, mögen wir sie nun vom
künstlerischen und materiellen Gesichtspunkt aus betrachten, als nach Anlage, Anordnung und Aus-
schmückung u. s. w., oder mögen wir sie vom historischen Gesichtspunkt aus ansehen, sie werden durcli
die Aehnlichkeiten, die sie in den Vorstellungen der Menschen von dem Leben nach dem Tode, in den
Sitten u. s. w. mit den eben genannten Ländern zeigen, uns die nicht zu bestreitende Gewissheit geben,
dass sie von jenen entliehen waren.

Die ältesten Denkmäler, die uns von etruskischer Architectur übrig geblieben sind, scheinen die
Gräber zu sein; aber man muss bei diesen Gräbern diejenigen unterscheiden, die in ältester Zeit angelegt
an die grossen Grabbauten des Orients erinnern, der die Wiege und das Vaterland der lydischen und
tyrrhenischen Colonie war, und Hypogeen, in denen sich griechischer Einüuss auf bestimmte Weise ausspricht.
Alle Hypogeen waren jedoch nicht in einer und derselben Epoche angelegt, was aus der aufmerksamen
Betrachtung der Monumente selber hervorgeht. Man unterscheidet in der That bei den Etruskern wie bei
allen Völkern, die auf einander folgenden Einflüssen mehrerer Völker und damit mehreren Civilisationen
unterworfen waren, ganz und gar von einander abweichende Style, Formen und Schriftarten, die den
Alterthumsforscher unterscheiden lassen, was von einem Volke hergenommen und was einem anderen
angehörte. So bietet denn auch die grosse Verschiedenheit der etruskischen Gräber ganz natürlicher
Weise wichtige Mittel dar, die auf die Spur leiten können, welche politische Verbindung bei ihrer
Ausführung von Einfluss gewesen ist. So sehen wir in einer Epoche, die man für die älteste halten
kann, kreisrunde und konische Formen von Gräbern, die an die grossen Tumuli Asiens erinnern, von wo
die Etrusker gekommen waren, und eben so hat man wieder andere Gräber entdeckt, die man für eben so
alt hält, deren Anordnung der Facade eine grosse Aehnlichkeit mit der gewisser asiatischer Gräber zeigt,
die ganz und gar aus dem Felsen gehauen sind. In einer Periode, die jünger als die vorige zu sein
scheint, zeigen die Hypogeen schon Verschiedenheiten und merkliche Veränderungen der Kunst, die
griechisch wird; dies zeigt die Zeichnung der figürlichen Darstellungen eben so wie das angewendete
System einer gemalten Decoration, die übrigens an und für sich den Gräbern des alten Etruriens eigen«

Denkmäler der Baukunst. LXXVII. Lieferung. etniSftfdje ©va'fcev. 1.
 
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