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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 1): Denkmäler aus alter Zeit — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3501#0072

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Ruinen 4er Akropolis zn Tirynth.

(Der Text nach Emest Breton, Mitglied der archäologischen Gesellschaft von Frankreich.)

Die ältesten Ueberlieferungen berichten uns, dass zu Anfange die Völker, über die Erde zerstreut, ein
nomadisches Leben führten, dass sie sich allmählig vermehrten und in gegenseitige Berührung kamen, dass
die einen und die andern sich den Anfällen räuberischer Stämme ausgesetzt sahen und in Folge dessen
endlich genöthigt wurden, hinter starken und wohlbefestigten Mauern einen Zufluchtsort zu suchen. Wo
die Ueberlieferungen schweigen, führt doch unser eigenes Nachdenken uns auf dieselbe Weise des Ursprungs
der Städte, des bürgerlich gemeinsamen Lebens, welches dem nomadischen Umherschweifen ein Ziel
setzte. Die Anlage von Befestigungsbauten wurde durch ein bestimmtes Bedürfniss geboten; ihre allmählig
fortschreitende Ausbildung liess sie zu Werken der Kunst werden, die einer nähern Aufmerksamkeit, einer
genauem Forschung würdig sind.

Zu bemerken ist jedocb, dass die grossen Staaten, welche der Herrschaft eines Einzelnen unterworfen
und durch ein zablreiches Volk vertheidigt waren, das Bedürfniss viel weniger empfanden, ihre Städte auf
solche Weise gegen häufigen und unvorhergesehenen Angriff zu schützen. So namentlich Aegypten, wo
die unbedeutenden Ueberbleibsel von Mauern aus ungebrannten Ziegeln keinesweges Reste von Befestigungen
sind, sondern nur zu dem Einschluss der Tempel oder Palasträume gehörten*). Griechenland dagegen, in
eine Menge unabhängiger Staaten gespalten, die fast fortwährend in feindlichen Verhältnissen standen,
musste schon seit den frühsten Zeiten auf die Sicherheit seiner Städte bedacht sein. Die Mehrzahl
derselben wurde sogar ursprünglich auf steilen Höhen angelegt, die die Verteidigung vorzüglich begünstigten.
Schwer angreifbar durch ihre Lage, mit dicken Mauern umgeben, waren diese Orte der beste Schutz gegen
feindlichen Angriff. Als später die Bevölkerung solcher Städte sich vermehrte und sich auf diesen Berg-
höhen unbequem eingeengt fühlte, stieg sie in die Ebene hinab und breitete sich um den alten Wohnsitz
aus, der nun, indem er zur Citadelle ward, nichtsdestoweniger zum fernem Schutz der Stadt diente und
von seiner ursprünglichen Bestimmung den Namen Akropolis, d. i. Hochstadt, beibehielt. In der Akropolis
bewahrte man nach wie vor die kostbarsten Güter der Stadt, den öffentlichen Schatz, die Archive, den
Tempel der Schutzgottheit, u. s. w. Zugleich Heiligthum und Festung war die Akropolis das für die
Griechen, was später das Capitol für die Römer.

Fast alle griechischen Städte hatten somit eine Akropolis, und noch heute sehen wir in diesen
Gegenden eine grosse Menge von Bauresten solcher Art. Die ältesten derselben sind die sogenannten
cyklopischen oder pelasgischen Mauerwerke. Die wichtigsten unter diesen, sowohl in Bezug auf ihren
Umfang als auf ihr Alter, sind die Reste von der Mauerumgebung der Akropolis von Tirynth.

Tirynth oder Tiryns, heutiges Tages Paläo-Anapli genannt, eine Stadt in Argolis, unfern von
Nauplia (Napoli), lag in einer Ebene und umgab eine Anhöhe; welche seine Akropolis trag und, nach
Strabo, Lycimna hiess. Vergebens sucht man in unsern Tagen weitere Spuren dieser alten Stadt, deren
starke Mauern schon bei Homer und bei Hesiod gerühmt werden**).

Petit-Radel, in seiner unten angeführten Schrift, bemerkt, dass die Mauerreste der Akropolis von
Tirynth sich durch grössere und geringere Regelmässigkeit von einander unterscheiden, dass sie mithin
verschiedenen Zeiten angehören, Die regelmässigeren schreibt er der Regierung des Prötus zu (des Bruders
des Acrisius, dessen Tochter Danae von Zeus den Perseus gebar), die andern der noch älteren Gründungs-
zeit der Stadt durch Tiryns, Sohn des Argos, welcher ein Sohn des Zeus war. Pausanias bemerkt
zwar***), die Cyklopen hätten dem Prötus die Mauern von Tirynth erbaut. Er selbst aber erzählt, im
Widerspruch hiemitf), in dem Heräum zu Mycenä habe sich ein altes Bild der Hera, aus wildem Birn-
baum geschnitzt, befunden, welches ursprünglich von Pirasus, einem zweiten Sohne des Argos3 nach Tirynth
geweiht war. Zu dessen Zeit also, mithin auch zu der seines Bruders Tiryns, war die Stadt bereits vor-
handen. Die Ausleger der Mythen bestimmen aber die Zeit des Prötus auf das Jahr 1379 oder 1450,
die des Tiryns auf das Jahr 1710 vor Christi Geburt. Bis in die letztere Zeit würde folglich das Alter
von Tirynth hinaufreichen tt).

*) Die ganze, rings abgeschlossene und isolirte Lage Äegyptens ist übrigens gewiss auch ein erheblicher Grund, weshalb man
hier nicht auf den Bau ansehnlicher Befestigungen geführt ward. F. "■•

Ilias II, 559. — Schild des Herakles, 81.
Buch II, 16, 4.
Ebendas. 17, 5.
Falls man nemlich eine so bequeme Chronologie der Mythen anzunehmen geneigt ist. F. K.

Denkmäler der Baukunst. XXI. Lieferung.

"*)

+)

ff)
 
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