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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 1): Denkmäler aus alter Zeit — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3501#0073

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Ruinen der Akropolis zu Tirynth.

Nach andern mythischen Ueberlieferungen brachte Herkules seine Jugend in Tirynth zu und hielt sich
daselbst auch später lange Zeit auf. Eben dahin führte er die Heerden, die er dem Geryon in Spanien
geraubt hatte.

Pausanias berichtet uns ferner'-), dass die Stadt von den Argivern zerstört wurde (464 v. Chr. G.)
und dass die letzteren, um die eigne Stadt zu vergrössern, die Bewohner nach Argos führten.

Die Beschreibung, welche Pausanias von den Mauern von Tirynth liefert"-), giebt von der ältesten
cyklopischen Bauweise ein sehr genaues Bild. ,,Die Mauer, so sagt er, ist aus rohen Steinen gemacht,
deren jeder eine solche Grösse hat, dass davon nicht einmal der kleinste durch ein Joch Maulthiere fortbewegt
werden kann. Die Zwischenräume sind mit kleinen Steinen ausgefüllt, die den grossen Steinen sehr gut
zur Verbindung dienen." Die grossartige Masse und die bewunderungswerthe Festigkeit dieser Anlagen
führen Pausanias an einer andern Stelle seines Werkes darauf, sie mit andern Monumenten des Alterthums,
die wegen derselben Eigenschaften berühmt waren, zu vergleichen. ,,Die Hellenen, so sagt er, sind freilich
sehr sonderbar, dass sie das Ausländische mehr anstaunen als das Heimische. Und wenn ausgezeichnete
Geschichtsschreiber es unternommen haben, die Pyramiden bei den Aegyptern auf das Genaueste zu
beschreiben, so hat doch Keiner der Schatzkammer des Minyas und der Mauern zu Tiryns, die doch nicht
geringerer Bewunderung werth sind, je nur im Geringsten gedacht."'-""")

Wie Pausanias im zweiten Jahrhundert unsrer Zeitrechnung diese Mauern sah, so zeigen sie sich
noch heute unsern erstaunten Blicken; denn es scheint nicht, dass die Stadt nach ihrer Zerstörung durch
die Argiver von Neuem aufgebaut oder bevölkert worden sei. Ohne Zweifel gehören diese Reste noch
in die Zeiten Homers, und es sind dieselben Steine, die den Dichter von dem „mauerfesten Tirynth"
sprechen Hessen. Eine so lange Dauer hat nichts Unwahrscheinliches, wenn man die gigantischen Massen,
aus denen die Mauern zusammen gesetzt sind, und die unbesiegliche Widerstandskraft, die sie den ge-
wöhnlichen Ursachen der Zerstörung entgegensetzen mussten, in Erwägung zieht.

Die Akropolis von Tirynth ist auf einem Felsen gebaut, der sich länglich hindehnt, der sich aber
nicht mehr als 10 Metres (etwa 30 Fuss) über die Ebene erhebt und an mehreren Stellen gemach in die-
selbe ausläuft. Der Felsen streicht von Norden nach Süden. Im Norden ist er gegen Mycenä, im Süden
gegen Nauplia gewandt. Die Mauern der Akropolis schliessen eine Fläche von 60 Metres Länge und
18 Metres Breite (185 Fuss Länge und 55 Fuss Breite) ein; sie sind in geraden Linien construirt und
folgen mithin nicht den einzelnen Krümmungen des Felsens. „Eine so kleine Burg, sagt Dodwell, scheint
uns des tiryntischen Heros unwürdig; dennoch aber zeigt ihre Umfassungsmauer uns Dimensionen, die
wir ohne Uebertreibung herkulisch nennen dürfen." Sie hat im Allgemeinen 0 Metres (1S| Fuss) Stärke,
an einigen Stellen auch 7 Metres 70 Centimetres (etwa 24 Fuss). Ihre gegenwärtige Höhe, an den
Stellen, wo sie am Besten erhalten ist,, beträgt 13 Metres (40 Fuss).

Die Blöcke, aus denen sie zusammen gesetzt ist, haben ziemlich die Beschaffenheit, in der sie aus
dem Steinbruch kamen. Die stärksten haben 3 bis 4 Metres (etwa 9 — 12 Fuss) Länge bei 1 Metres
33 Centimetres (4 Fuss 1 Zoll) Stärke. Ihre gewöhnliche Grösse ist die von 1 bis 2 Metres 35 Centi-
metres (3 bis 7 Fuss 3 Zoll). Die ursprüngliche Höhe der Mauern betrug wahrscheinlich nicht weniger
als 18 Metres (55 Fuss). Man findet im Innern der Akropolis eine kleine Anzahl loser Blöcke, die be-
hauen sind, und die, wie es scheint, zu den Thoren gehört haben. Die Citadelle hatte nach W. GeU^
der von ihr eine genaue Beschreibung giebt, drei Eingänge; einen im Osten, den andern im Westen, den
dritten auf der Südost-Ecke. Der östliche Eingang ist leidlich erhalten. Ein aufsteigender Weg von
5 Metres (etwa 15 Fuss) Breite, oder vielmehr eine Rampe, die durch ein ebenfalls cyklopisches Mauer-
werk gehalten wird, führt von der Ebene empor, zieht sich um die östliche und südliche Seite eines
starken Thurmes, der etwa 7 Metres (21^ Fuss) breit und 7 Metres 70 Centimetres (23 Fuss 8 Zoll) hoch
ist, und führt zu einem, aus ungeheuren Steinblöcken errichteten Thore, dessen Architrav allein 3 Metres

*) Buch II, 25, 7.
**) Ebendaselbst.
»*») Buch IX, 36, 3.
gesagt.

Hätte Pausanias in unsern Tagen gelebt, so hätte er statt „die Hellenen" vielleicht „die Deutschen"

F. K.

Hiian"
Die
 
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