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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 1): Denkmäler aus alter Zeit — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3501#0074

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Ruinen der Akropolis zu Tirynth.

40 Centimetres (10^ Fuss) lang ist. Das Thor hat 5 Metres (15 Fuss) Höhe. „Es ist sehr wahrschein-
lich, sagt W. Gell, dass über diesem Thore, wie über dem Löwenthor zu Mycenä, eine dreiseitige Steinplatte
in die Mauer eingelassen war; wenigstens finden sich zwei Stücke einer solchen, die zusammen ein
Dreieck von etwa 1 Metres 73 Centimetres zu 1 Metres 48 Centimetres (5 Fuss 3| Zoll zu 4 Fuss
6^ Zoll) ausmachen, senkrecht zerbrochen auf dem Boden liegend. Ob diese Steine sculptirt waren,
kann man nicht bestimmen, da der eine ganz verwittert ist, der andre mit seiner Schauseite nach unten
liegt. Die Thür selbst hatte ihre Zapfen in der Mitte; diese gingen in Löchern, welche in der Mitte des
Architravs und der Schwelle gebohrt waren, so dass sich, wenn Jemand eintrat, die eine Seite der Thür
nach aussen, die andre nach innen öffnete; eine Einrichtung, die als ein neuer Beweis von dem hohen
Alter des Thores und von den einfachen Begriffen seiner Bauzeit gelten muss.

Südwärts von diesem Eingange ist der letzte Rest der verdeckten Gallerieen, die in der Dicke der
Mauern angebracht waren. Er erstreckt sich bis zur südöstlichen Ecke der Akropolis. Die Mauer
hat hier zumeist eine Dicke von 8 Metres 33 Centimetres (25^ Fuss) und besteht aus drei parallelen
Steinreihen, die 1 Metres 70 Centimetres (5 Fuss 2§ Zoll) stark sind und zwei Gallerieen von einander
sondern; die letzteren sind jede ebenso breit wie diese Steinreihen stark und haben in ihrer gegen-
wärtigen Beschaffenheit eine Höhe von etwa 4 Metres (12^ Fuss). Die Seiten der Gallerieen werden
durch je zwei Lagen von Steinen gebildet; sie haben eine Art gewölbter Bedeckung, ebenfalls aus je
zwei horizontalen Steinlagen bestehend, die sich gegen einander neigen, indem sie an ihren inneren Seiten
im schrägen Bogen behauen sind, und die unter einem Winkel von 45 Grad zusammen stossen. Andre
Steine liegen platt über der Linie, wo jene einander berühren, und tragen wesentlich zur Festigkeit der
Construction bei. Der gegenwärtig aufgedeckte Theil der Gallerieen ist ungefähr 30 Metres (einige
90 Fuss) lang. Hier sieht man an der östlichen Seite sechs Oeffnungen oder Nischen; die eine davon
ist ein Fenster oder eine Thür und stand vielleicht mit einigen äussern Anlagen in Verbindung, die un-
fern von dieser Stelle vorhanden waren, wie man aus den noch erhaltenen Fundamenten sehen kann,
und die, wie es scheint, eine kleine vorgeschobene Befestigung, zur besseren Deckung des Hauptplatzes,
ausmachten. Die Nischen haben l Metres 32 Centimetres bis 1 Metres 63 Centimetres (4 bis 5 Fuss)
Breite; die Mauerstücke zwischen ihnen sind 3 Metres 21 Centimetres bis 3 Metres 40 Centimetres
(9 Fuss 10 Zoll bis 10 Fuss 5£ Zoll) breit. Die Gallerieen erstreckten sich wahrscheinlich rings um die
Citadelle; gegenwärtig sind sie jedoch nur an dieser einen Seite, wo die Mauern sich am Besten erhalten haben,
zugänglich; sie waren ohne Zweifel bestimmt, bei einer Belagerung der Besatzung zum Rückzuge zu
dienen; wenigstens scheint darin keine Oeffnung auf die Ebene vorhanden gewesen zu seyn, auch sieht
man keine Spur von Fenstern oder Schiessscharten. Das Thor der Südost-Ecke ist völlig zerstört.

Die gewölbartige Decke der Gallerie von Tirynth hat die Form des Spitzbogens, vermuthlich das
älteste Beispiel von der Anwendung dieser Form in Griechenland. In dem Innern der Akropolis findet
man noch ein Thor,'auf dieselbe Weise aus übereinander vorragenden Steinen bedeckt, die auch hier in
der Linie eines Spitzbogens behauen sind. Andere Beispiele der Art findet man in Griechenland zu
Mycenä, bei Missolunghi, in Aetolien, zu Thorikus, in Attika; auch in Italien: in den Ruinen von Arpino,
von Segni und von Alatri.

Diese letztern Städte und einige andre in Latium und in Etrurien, wie Norba, Cortona, Volterra,
enthalten Reste cyklopischen Mauerwerks, die ohne Zweifel ansehnlicher sind, als die eben beschriebenen.
Aber die Mauern von Tirynth sind dennoch ohne Widerspruch die ausgezeichnetsten Spuren jener ent-
fernten Zeiten, die wir auf dem Boden Griechenlands finden; sie wären schon deshalb unsrer Aufmerk-
samkeit höchst würdig, auch wenn sich daselbst nicht die merkwürdigen Gallerieen, von denen uns nirgend
sonst ein Beispiel bekannt ist, vorfänden.

Die Ansicht, welche wir unsern Lesern vorlegen und die aus Dodwell entnommen ist, enthält den
Blick auf einen Theil der argolischen Ebne. An dieser Flur haften mannigfache Erinnerungen, über
welche die Schriftsteller des Alterthums einen unvergänglichen Reiz ausgegossen haben. In der Mitte
erliebt sich die Akropolis von Tirynth, von der Ostseite aus gesehen; die Ebne ist jetzt fast wüst, doch
mit Oelbäumen bepflanzt; der Horizont ist durch die Berge begränzt; zur Linken bemerkt man einen
Theil des Golfes von Nauplia. Die andern Stücke unsrer Tafel, den Grundriss und die Theile der Mauern
von Tirynth, verdanken wir den Blättern der Expedition de Moree.
 
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