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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 1): Denkmäler aus alter Zeit — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3501#0366

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Die Bäder des liitoiiln Caracalla m Rom.



Die Thermen datiren erst aus der Kaiserzeit; die erste Anlage derselben wird dem Agrippa zuge-
schrieben. Die Nachfolger des Augustus vermehrten diese ausgedehnten Bauanlagen so, dass unter
Constantin Rom nicht weniger denn fünfzehn Hauptbäder zählte. Da man diese Bauwerke mit aller nur
möglichen architectonischen und decorativen Pracht ausführte, so kann man von ihnen einiger Maassen auf
den jedesmaligen Zustand der Civilisation des römischen Volkes in der Epoche zurückscbliessen, in der
jedes von ihnen errichtet wurde; wir werden so aus der grösseren oder geringeren Harmonie ihres Planes,
aus dem mehr oder minder reinen Geschmack ihrer Decoration einen dem entsprechenden Fortschritt oder
Rückschritt in der Civilisation der Römer folgern können.

Die Bäder des Antonin Caracalla wurden von diesem Kaiser erbaut und im Jahr 217, d. i. im vierten
seiner Regierung, bis auf die Portiken der Ringmauer vollendet, die Heliogabalus und Alexander Severus
hinzufügten. Zwischen der Stadtmauer Roms und der via triumphalis gelegen nahmen sie den ungeheuren
Raum von 124,140 Ouadratmetres oder 2,740 Ouadratruthen ein. Von der Zeit, wo sie verlassen standen,
bis auf die gegenwärtige waren sie unaufhörlichen Verwüstungen ausgesetzt. Wie diejenigen reichen antiken
Bauwerke, die das Christenthum nicht schützte indem es sich sie aneignete, hatten die Bäder weniger von
den Stürmen der Zeit als von den Händen der Menschen zu leiden; sie wurden als Steinbrüche benutzt,
all ihrer kostbaren Baumaterialien beraubt, es wurden nicht nur ihre Statuen und Badewannen entführt,
sondern auch die Bekleidungen der Wände und sogar die Säulen, die ihrer Stützen beraubten Gewölbe
stürzten demzufolge ein. Heute bietet dieses Bauwerk, das nach seiner festen Construction Jahrhunderten
hätte trotzen können, nur eine unförmliche Masse von Mauern aus Bruchsteinen und Ziegeln dar, deren
Einförmigkeit nur von zahlreichen Ablastebogen und einigen Resten von Mörtelüberzug und Stuc unter-
brochen wird. Die Trümmer seiner oberen Theile bedeckten den Boden mit einer 12 bis 16 Fuss dicken
Schuttlage, die uns die reichen Mosaiken des Fussbodens seiner Säle unberührt erhielt, die in den Jahren
1824 und 1825 durch die Ausgrabungen aufgedeckt wurden, die von dem Grafen Velo begonnen und von
der französischen Academie fortgesetzt wurden. Diese Nachgrabungen lehrten auch einige niedrigere Theile
der Wandbekleidungen kennen, die der Gier der Verwüster entgangen waren, und förderten aus dem
Schutte eine Menge architectonischer Details und Sculpturfragmente ans Licht, z. B. Säulenbasen und
Capitelle, marmorne Brüstungen, grosse Bruchstücke von Säulen, von Gebälken u. dgl. Schon früher hatte
man zu verschiedenen Zeiten in diesen Ruinen zahlreiche Sculpturen ausgegraben, die Zeugniss von
dem Glanz des Gebäudes ablegten.

Die Thermen des Caracalla bestehen wie der grösste Theil der ihnen gleichen Bauwerke aus einer
Ringmauer und einem Hauptgebäude. Die Ringmauer besteht an der Hauptseite und an einem Theil der
beiden dieser sich anschliessenden Nebenseiten aus zwei Stockwerken, von denen jedes sechs und fünfzig
Badezellen a für die einzelnen Bäder enthielt; man nimmt gewöhnlich an, dass diese für die Frauen
bestimmt waren. Jeder dieser Badezellen geht ein kleines Vorzimmer und allen ein Porticus voran.
Mehrere in gewissen Entfernungen von einander liegende Treppen b führen zu dem oberen und Haupt-
stockwerk der Bäder. An den vom Geräusch entferntesten Orten waren Academieen c, Versammlungssäle d,
Palaestren e, die mit Portiken in Verbindung standen. Ein grosser Gartenplatz oder Xystus y zu
gymnastischen Uebungen und mit Bäumen bepflanzte Spaziergänge h umgaben das Hauptgebäude. Die
nordöstliche Seite der Ringmauer war grösstentheils durch ein ungeheures Wasser-Reservoir f in zwei
Stockwerken eingenommen, deren jedes zwei und dreissig Kammern hatte, und von den Wassern des
Aquaducts Antonius gespeist wurde.

Bei dem ersten Anblick des Grundrisses des Hauptgebäudes sieht man dasselbe in drei verschiedene
Theile durch zwei unbedeckte mit einem Peristyl umgebene Höfe A getheilt; in dem mittleren Theile, der
bei Weitem der grösste ist, befinden sich drei Säle, die in Hinsicht auf Grösse, Zweck und Pracht die
wichtigsten der ganzen Anlage sind. Acht Thüren, deren jeder ein Vestibül folgt, führen in das Innere
des Gebäudes, vier an der Hauptseite und zwei an jeder Nebenseite. Zur Seite der beiden mit B bezeich-
neten Vestibüle befinden sich mehrere kleine Räume, der grösste in der Mitte von ihnen gelegene und
auf unserem Grundrisse mit C bezeichnete war das apodyterium, wo man die Kleider ablegte, die von den
in D befindlichen Dienern bewacht wurden; die Kammer E oder das elaeothesium enthielt die wohlriechenden
Salben, die Kammer F, conisterium genannt, bewahrte den feinen Staub, mit dem sich die Ringer einrieben.
Diese Vestibüle, in deren Fond ein Saal G für die Conversation reservirt war, wurden zur Rechten und
Linken durch das frigidarium H getrennt, ein grosser unbedeckter Raum, der fast ganz von einem Schwimm-
teich eingenommen wurde und mit Nischen als Ruheplätzen für die Schwimmer umgeben war. Die Wände
dieses Raumes wurden durch acht nahe vor den Mauern stehende grosse Granitsäulen decorirt, und vier
andere Säulen von orientalischem Alabaster machten seinen Schluss nach den Vestibülen hin; eine breite
Oeffnung bildete den Eingang in den grossen Mittelsaal /, der in der Mitte des Gebäudes und in den
beiden Axen desselben lag. Dieser Saal, von dessen gegenwärtigem Zustande wir auf unsrer Bildtafel
eine Abbildung geben, diente als bedeckter Xystus; man nahm darin das lauwarme Bad in grossen Bassins,
die sich in den vier weiten geschlossenen Nischen befanden; acht grosse vor der Wand gestellte granitne
Säulen dienten den drei immensen Kreuzgewölben, die die Decke dieses Saales bildeten, als Stützen. Das
Innere dieses Saales war von äusserster Pracht, Wände und Fussboden waren mit dem kostbarsten Marmor-
getäfel, und die Decke mit reichen Stuccos verschwenderisch versehen. Zu beiden Seiten dieses Saales und
von diesem durch vier Säulen getrennt befanden sich zwei andere Säle K, in denen sich diejenigen
aufhielten, die den Uebungen zusahen. Ein anderes tepidarium L diente als Vorbereitung für das warme Bad,

Denkmäler der Baukunst. LXVIT. Lieferung.
 
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