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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 1): Denkmäler aus alter Zeit — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3501#0145

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Kleiner Fels-Tempel zu Ebsambul, der Göttin Athor geweiht.

(Der Text nach Jomard, Mitglied des Instituts und Conservator der König]. Bibliothek zu Paris.)

Wer durch das dürre Nubien nilaufwärts reist, wird durch den Anblick zweier am rechten Ufer in den
Fels gehauenen Heiligthümer überrascht, die sich von aussen durch Reihen von riesenhaften, im besten
ägyptischen Style gearbeiteten Figuren ankündigen. Der Ort heisst Ebsambul oder Ibsambul (nicht Abu-
Sambul oder Abu-Simbel, wie einige Reisende behaupten). Die ganze Umgegend ist einer der interessan-
testen Theile des Landes der Kennu's in Unternubien.

Seit Ebsambul durch mehr als zwölf Reisende beschrieben worden, ist es das Reiseziel sehr vieler
Europäer, die ihm ihre ungetheilte Bewunderung nicht versagt haben; was die kühne Anlage und die
schöne Ausführung dieser Denkmäler in vollem Maasse verdient. In dem grösseren Tempel, von
welchem anderswo die Rede sein soll, zeigen sich Baukunst, Bildhauerei und Malerei am wundersamsten
und reichsten, doch soll vor der Hand von dem weiter unten gelegenen, kleinern Tempel die Rede
sein, welcher der Göttin Athor*) geweiht war.

Seit langer Zeit benutzen ihn die Einwohner des nahen Dorfes Beyllagy und andrer umliegender Oerter
als Zufluchtsort gegen die Angriffe der Beduinen von Gharb oder Libyen, welche plündernd von Argo bis
Dakkeh streifen und selbst die Wüste zwischen Theben, Syut und der Oase des Amnion beunruhigen.
Die bedrängten Kennu's treiben oft auch ihre Heerden in den Tempel, wo es ihnen leicht wird, sich gegen
die Araber zu vertheidigen; auch sind die Bildwerke von den im Innern angezündeten Feuern zum Theil
ganz schwarz geworden. Die Umgegend ist fast ganz unfruchtbar; der Sand reicht bis an's Ufer des
Flusses; der Boden ist ein eisenhaltiger Sandstein. Die Sennespflanzen, welche in einiger Entfernung sehr
häufig wachsen, sind fast der einzige Reichthum der Gegend; auch ist die nahe Wüste reich an Onyx,
Carneol und Achat, aber unerträglich heiss. Man wundert sich, dass die Menschen in einer so armen
Umgebung so prachtvolle Werke auszuführen im Stande waren.

Die beiden Tempel sind in einen Felsen gearbeitet, welcher Dschebel-Ebsambul: *) heisst; der kleinere
berührt beinahe das Ufer, der grössere liegt etwas weiter entfernt. Die ersten Reisenden, welche Ebsambul
sahen, sind Ritter Drovetti, französischer Generalconsul in Aegypten, dessen Verdienste um die Archäologie
und die Civilisation gleich gross sind, und sein Begleiter F. Cailliaud, der sich durch seine Reisen
in Aegypten und Nubien einen Kamen gemacht hat. Die abergläubischen Leute des Ortes waren trotz
ihres Versprechens und trotz des lockenden Geldgewinnes nicht zu bewegen, den grössern Tempel zu
öffnen; wenn der Fuss eines Christen das Innere beträte, meinten sie, müsse der grimmigste Zorn des
Himmels auf sie fallen. Dies geschah im Jahre 1816. Glücklicher war ein Jahr später Belzoni; er Hess
auf Befehl Salt's den Eingang vom Schutte säubern und drang bis in die Tiefe des Heiligthumes. Ihm
verdankt man die erste äussere Gesammtansicht von Ebsambul in grösserem Maassstabe, die bei allen
Unvollkommenheiten eine hohe Idee von dem Ganzen giebt. Auf ihn folgten, gleichsam als Fortsetzer
dessen, was Napoleon im Jahre 1798 in Aegypten begonnen, die beiden Architekten Huyot und Gau,
ferner Rifaud, Cailliaud, Linant, so wie die englischen Reisenden Lord Prudhoe, Major Felix und Wilkinson.
Niemand aber hat so genaue und sorgfältige Forschungen geliefert, als die von der französischen und von
der toskaniscben Regierung veranstaltete Expedition des Jahres 1828, an welcher unter der Leitung
Champollions des Jüngern und Rossellini's, auch Bibent, N. L'hote, S. Cherubini u. a. m. Theil nahmen. —
Sonst sind noch zu nennen der Baron Rüppell, der Architekt Horeau, und die Herren Cadalvene und Breuvery,
welchen wir die neuesten Zeichnungen verdanken. Leider hat Huyot bis jetzt seine schönen Aufnahmen
von Ebsambul nicht herausgegeben, und die Zeichnungen Gau's sind einstweilen das Genaueste, was wir
über diese Tempel in architektonischer Beziehung besitzen. Die vorliegenden Bilder sind an Ort und
Stelle von dem Architekten Horeau aufgenommen worden, und geben, obwohl in kleinerem Maassstabe,
den Charakter des Baues und der Decoration vollkommen treu wieder.

Das erste Blatt stellt die äussere Ansicht des kleinen Tempels dar, von dem grössern sieht man
einen kleinen Theil am Rande der Zeichnung. Der Fels ist auf eine Länge von 83 Fuss und eine Höhe
von 37 Fuss in etwas schrägliegender Fläche geebnet, den Aussenseiten der ägyptischen Pylonen vergleichbar.
In diese schiefe Wand treten sechs hohe Nischen mit eben so vielen Riesenstatuen "■••'*) tief hinein. Diese

*) Champollion der Jüngere sagt in seinen Lei.res d'Egypte et de Nubie, dieser Tempel sei von Nofre-Ari, der Gemahlin
Rhamses des Grossen, der ägyptischen Venus Athor gewidmet worden.
**) Dschebel bedeutet Berg.

■**) Nach Champollion d. Jung, sollen diese sechs Colosse den Pharao Rhamses den Grossen mit seinem Weibe und seinen
Söhnen und Töchtern vorstellen.
Denkmäler der Baukunst. I. Lieferung.
 
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