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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 1): Denkmäler aus alter Zeit — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3501#0256

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Der Kailasa (Tempel des Siva) zu Ellora.

(Der Text nach Langlois, Mitglied des Instituts.)

Unter den Fels - Monumenten des merkwürdigen Ellora zeichnet sich vor allen der Kailasa, ein
Tempel des Siva, aus, welcher gleichsam als ein Abbild der himmlischen Wohnung Siva's erscheint,
die zufolge der indischen Mythologie tief im Himalaya, jenseits des Sees Manasa liegend gedacht
wird. Und in der That ist der Anblick dieses Werkes ausserordentlich genug. Die Europäer
selbst können kaum ihre Fassung behalten und finden es ganz in der Ordnung, dass die Eingebornen

im Glauben stehen, der Kailasa sei von Geisterhänden erbaut.

Die Kühnheit und Schönheit der Anlage,

die glückliche Ausführung, der Reichthum und die Mannigfaltigkeit der Details mussten dieses stumme
Erstaunen hervorbringen, zumal bei einem Volke, welchem nichts einfacher scheint, als dergleichen Riesen-
werke einem höheren Wesen zuzuschreiben.

Wir geben den Plan des Kailasa, wie ihn James Manley im Jahr 1794 unter der Leitung des Sir
Charles Malet an Ort und Stelle aufnahm; Malet fügte ihn einer Abhandlung im sechsten Bande der asia-
tischen Untersuchungen bei. Später, im Jahre 1820, hat Capitain W. H. Sykes in der literarischen Gesell-
schaft zu Bombay eine Beschreibung der unterirdischen Denkmäler Ellora's vorgelesen. Beide Schriften
weichen nur in wenigen Einzelheiten, z. B. in Maassbestimmungen, von einander ab, was wir, wo es
wesentlich scheint, bemerken werden.

Dies Denkmal ist nicht, wie die übrigen in Ellora, unterirdisch in den Felsen gehauen, sondern aus
dem Felsen freistehend herausgearbeitet, so dass zwar Alles aus einem und demselben Steine besteht, dennoch
aber durchaus einem Gebäude ähnlich sieht, das Stein für Stein aufgebaut worden. Es gehört somit zu
einer besondern Klasse von Denkmälern, welche wir freistehende Felsmonumente nennen können.

Der Kailasa, der mit Recht als das schönste und vollendetste Denkmal von Ellora gilt, besteht aus
drei Haupttheilen: einem Vorbau mit Seitenflügeln, der Kapelle des Nandi und dem grossen Tempel.
Der Vorbau liegt gegen Westen, am untern Theile des Berges, weshalb auch der Fels, in welchen er
eingehauen ist, auf dieser Seite nur eine Höhe von 47 Fuss hat, während er am nordöstlichen Ende des
vertieften Tempelhofes 104 und am südöstlichen 101 Fuss misst. Die grösste Länge des ausgehauenen
Raumes, vom Fuss des Abhanges an gerechnet, beträgt 401 und von dem Vorbau an 247 Fuss (nach
Sykes 323 Fuss), die grösste Breite aber von einer Felswand zur andren 150 Fuss (nach Sykes 185 Fuss).
Aussen ist die Breite geringer und die Fläche vor dem Vorbau ist nur 138 Fuss breit und 88 Fuss lang.

Dieser Vorbau besteht aus einem Mittelbau und zwei Seitenflügeln (1, 1). Ersterer ist von aussen
mit Pflastern geschmückt, zwischen welchen riesige Gestalten sich erheben. Er enthält fünf Gemächer
und trägt ein oberes Stockwerk, an welchem gegen aussen eine Art von Fensterbalcon angebracht ist,
ohne Zweifel zur Aufnahme von Musikanten bei festlichen Anlässen. Unten folgen von den fünf Ge-
mächern drei unmittelbar auf einander (2, 2), und zwei liegen auf den Seiten C3, 3); von diesen aus
gelangt man durch Treppen (4, 4) zum obern Stockwerk. Die drei mittlem Gemächer (2, 2) sind
42 Fuss lang und reich mit Skulpturen verziert; ein würdiger Eingang zum innern Hofe. Von dem obern
Stockwerke aus führt eine Brücke (5) von 20 Fuss Länge und 18 Fuss Breite, mit einer vierthalb Fuss
hohen Brustwehr, nach der Kapelle des Nandi (8).

Oberhalb dieser Brücke übersieht man den ganzen ungeheuren Tempelhof (6). Eine Treppe (7) von
sieben bis neun Stufen führt in das Heiligthum (8) des Nandi, des Gefährten Siva's. Dasselbe bildet ein
Quadrat, dessen innere Wände je 16 Fuss 3 Zoll breit und ganz mit Skulpturen bedeckt sind; zwei
Fenster (9, 9), rechts und links, erhellen das Innere. Gegenüber der Eingangstreppe (7) befindet sich
ein Ausgang, welcher wiederum auf eine steinerne Brücke (10) führt; dieselbe ist 23 Fuss lang und 21 Fuss
breit. Von hier aus sieht man unmittelbar vor sich den 90 Fuss (nach Sykes 100 Fuss) hohen Haupttempel.

Ein auf zwei Pfeilern und zwei Pflastern ruhender Porticus (41) erregt hier zunächst unser Staunen.
Man steigt durch denselben drei Stufen aufwärts in eine Vorhalle (12) mit steinerner Brustwehr, zu welcher
man auch aus dem Tempelhofe auf zwei Treppen von 36 Stufen (13, 13) gelangen kann; sie ist 18 Fuss
lang, 15 Fuss 2 Zoll breit und 17 Fuss hoch. Von da führen vier Stufen durch eine Thür von 12 Fuss
Höhe und 6 Fuss Breite, zu deren beiden Seiten Riesenstatuen als Wächter stehen, in einen Tempel (14)
von 61 Fuss Länge und 55 Fuss Breite. Von der Thür bis an's Ende der Terrasse (19), wovon wir
unten sprechen werden, misst man 103 Fuss 6 Zoll. Die Decke, 17 Fuss 10 Zoll über dem Boden, ruht
auf 16 Pfeilern und zwanzig Pflastern; die erstem stehen je vier und vier zusammen, so dass zwischen
diesen Gruppen ein breiterer Raum in Gestalt eines griechischen Kreuzes entsteht. Zwei Arme desselben
führen durch zwei Thüren, welche eben so gross als die Eingangsthür sind, nach zwei Seitenhallen(15,15)

Denkmäler der Baukunst. II. Lieferung.
 
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