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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 1): Denkmäler aus alter Zeit — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3501#0138

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Der Felstempel des Phre zu Abu-SimM (Ebsambui) in STuMen.

Unter den alten Bauwerken Nubiens und Aegyptens giebt es nichts Imposanteres als den prächtigen
Felstempel von Abu-Simbel, er ist in einem Sandsteinfelsen ausgehöhlt, dessen Fuss vom Nil bespült
wird auf der Höhe von Abocci. Die wahrhaft monumentale Facade bildet die massive Trapezform eines
Pylonen oder eines ägyptischen Naos. Sie hat an der Basis gemessen eine Länge von 120| rheinl. Fuss
(38 M.) und eine Höhe von 90| Fuss (28 M. 50 C). Von der etwas nach hinten geneigten Facade
heben sich vier aus dem Felsen gehauene colossale Statuen ab, die grössten, die es in Aegypten und
Nubien giebt: *) ibre ganze Höhe, den Pschent inbegriffen, beträgt ungefähr 67 Fuss (21 M.). Diese vier
gut gearbeiteten Statuen stellen Ramses den Grossen sitzend dar; er ist fast nackt und nur mit einer
einfaclien Schantei bekleidet, der Hals ist mit einem Collier und Pectoral, die Arme sind mit Ringen
geschmückt, die Hände ruhen ausgestreckt auf den Knieen, der Kopf trägt die bürgerliche ägyptische Kopf-
bedeckung und darüber den Pschent, das Sinnbild der Herrschaft über Ober- und Unterägypten. Die
Gesichter, in denen sich Ruhe und Majestät ausspricht""), sind wirkliche Portraits und ihre Profile ähneln
vollkommen dem Gesicht dieses Pharao auf den Monumenten von Theben und Memphis. An den Füssen
des Thrones sind die Bilder der Mutter des Ramses, der Königin und mehrerer ihrer Kinder in Relief
dargestellt. Die Thür des Tempels ist zwischen den beiden Sesseln der mittleren Colosse angebracht**").
Ueber der Thür befindet sich eine 19 Fuss hohe Statue des Phre, des Sonnengottes; in der Rechten hält
er den Scepter mit dein Schakalkopf, in der Linken eine kleine Figur der Wahrheit, das Ganze soll
den mystischen Beinamen des Königs: Sonne, Herr der Gerechtigkeit oder der Wahrheit, entsprechen.
Zur Rechten und Linken dieser Phre-Statue ist Ramses in Relief dargestellt, wie er dem Gotte mit einem
Bilde der Wahrheit oder Gerechtigkeit eine Opfergabe darbringt. Die Facade endigt mit einem Hieroglyphen-
Friese, der da besagt, dass dieses Speos dem Amnion und dem Phre von Ramses dem Grossen geweiht
sei. Darüber befindet sieh ein sogenannter Rundstab oder richtiger zu sagen eine Schnur, die eine Kehle
oder das Kranzgesims der Facade mit der Wand derselben verbindet; diese Kehle zeigt in Namensringen,
die zur Seite den Uranus, die Schlange (als Symbol göttlicher, dann königlicher Macht) haben, abwech-
selnd die Namen der Götter, die in dem Tempel verehrt wurden. Darüber macht eine Reihe von ein und
zwanzig Kynokephalen oder hundsköpfigen Affen den Schluss der Facade, die nach Stellung und Gesicht
denen gleichen, die das Piedestal des Obelisken von Luksor auf dem Concorde-Platze in Paris zieren.
Diese Affen, die nicht weniger denn 8 Fuss hoch sind, sind in gekauerter Stellung gebildet, die beiden
Vorderpfoten auf die Kniee gelegt. Sie sind ganz rund und nur mit ihrem Hintertheil mit dem Felsen in
Verbindung. Diese Kynokephali, die Embleme des Thoth, sind hier statt der Uranus, die die ägyptischen
Tempel gewöhnlich krönen, gewählt worden, ohne Zweifel deshalb, weil Hermes unter seinen beiden
Gestalten der Schutzgott des ganzen zwischen den beiden Cataracten gelegenen Landstrichs war.

Diese Facade rivalisirt mit denen der schönsten Monumente Aegyptens, sie ist auch die merkwürdigste
und imposanteste in Nubien. In der Nähe gesehen verliert sie, versandet wie sie ist, ganz ihre grandiose
Wirkung; man müsste sie von der Mitte des Nils aus betrachten, oder man müsste am Fuss der Treppe
stehen, die ohne Zweifel einst zum Tempel führte, um über die Wirkung zu urtheilen, die sie machen
würde, wenn sie nicht vom Sande verschüttet wäre, der ihren Eingang verstopft; in der Nähe verdecken
sie die weit vorspringenden Colosse und verhindern den Ueberblick über die Facade. Mit der Entdeckung
dieses prächtigen Felstempels durch Burckhardt und seitdem sein Eingang von Belzoni ausgegraben wurde,
hat der Sand, der ihn bedeckt, grosse Fortschritte gemacht, so dass oft der Eingang verstopft ist, und
man sich mit grosser Mühe einen Weg bahnen muss, um unter dem Thürsturz hindurch zu kriechen. Als
der Verfasser dieses Aufsatzesf) dort war, liess der Sand noch ziemlich Luft und Licht durch die Oeffnung,
so dass die Besucher noch bequem athmen und die merkwürdigen riesigen Sculpturen des Inneren ohne
Fackellicht betrachten konnten.

Der Thürsturz des einzigen Eingangsthores in dieses Speos ist mit einem Doppelbilde bedeckt, das
Ramses weitausschreitend zeigt; in der einen Hand hält er eine Doppelelle, in der anderen ein Niveau
oder Compass, die characteristischen Zeichen der Errichtung des Gebäudes; denn unter diesem Titel als
Gründer des Tempels stellt er sich auf der einen Seite dem Amnion-Ra, dem Könige der Götter, dar,
welchem Mauth, die Beherrscherin der Welt, folgt; auf der anderen Seite tritt er vor Phre und dessen
Gemahlin Uerek.

Das Innere des Tempels, das einige Aehnlichkeit mit dem Speos von Gerf-Hussein hat, entspricht
vollkommen dem Styl der Facade; derselbe Baumeister oder vielmehr derselbe Gedanke ist bei ihrer
Ausführung der Leiter gewesen. Ich war von Schauern der Bewunderung ergriffen, als ich meine Blicke in
diesem geheimnissvollen Orte umherschweifen liess, der nur durch die Thür sein Licht erhielt. Ich verweilte

*) Das Gesicht dieser Colosse ist mehr denn 7 Fuss (2 M. 27 C), die Ohren sind mehr als 3 Fuss hoch. Der Oberarm
ist 15i Fuss (4 M. 86 C.), die Schulterbreite mehr denn 25 Fuss (8 M.). — Die zerbrochene Statue des Memnoniums
dürfte nur 55 bis 58 Fuss (17 —18 M.) hoch gewesen sein; die Colosse des Memnon haben ungefähr SO Fuss ohne ihr
Piedestal an Höhe. — Die Androsphinx der Pyramiden von Giseh hat einen bei Weitem colossaleren Kopf, aber sie kann
nicht mit den hier in Rede stehenden Statuen in Parallele gestellt werden.

**) M. s. Champollion's d. J. Monuments de l'Egypte et de la Nubie 1 Th. Taf. X.

**) An den Beinen des Colosses zur Linken, der zerbrochen ist, befinden sich mehrere griechische Inschriften eingegraben.
Eine derselben könnte vielleicht von einem Krieger des Psammetich sein, die dann die älteste griechische Inschrift wäre,
welche in Aegypten und Nubien existirt.
f) E. Prisse d'Avennes.

Denkmäler der Baukunst LVII. Lieferung.
 
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