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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 1): Denkmäler aus alter Zeit — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3501#0374

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Der Palast des Diocletian zu Spalatro.

In dem Zeiträume von der Regierung des Commodus bis zu der des Constantin sammelten sich die
Ursachen zu dem Verfall der römischen Herrschaft, dessen unvermeidliche Folge auch der der Wissen-
schaften und Künste sein musste. Schlecht geworden unter dem Despotismus, durch fortwährende
Proscriptionen ihrer Reichthümer beraubt oder in die Intriguen des Hofes verwickelt hatten die Häupter
der alten vornehmen Familien mit der Ruhe des Geistes und dem Frieden der Seele auch die Liebe zu
den schönen Künsten verloren; sie beschäftigten sich wenig mit ihnen, und noch weniger ihre
demoralisirte allen Lastern hingegebene Jugend, die für ihre Fehler oft auf dem Throne Beispiele, ja selbst
Entschuldigung fand.

Die Regierung des Septimius Severus und das Ende des zweiten Jahrhunderts war die wahre Zeit
des beginnenden Verfalls der Kunst, und in Bezug auf die Sculptur ist der auf dem Forum errichtete
Triumphbogen dieses Kaisers das erste Denkmal derselben. Einige Zeit überlebte noch die Baukunst den
Verfall der übrigen Künste, sie konnte noch ein scheinbares Dasein fristen, indem sie copirte, was früher
gemacht worden; die Nachahmung ist in ihr nicht mehr ein Act der Kunst, sondern nur ein Act einer
blossen handwerklichen Geschicklichkeit. So geschah es, dass in einer Zeit (284 v. Chr.), wo man in
dem ganzen römischen Reiche nicht einen Maler oder einen Bildhauer finden konnte, der wahrhaft würdig
des Namens Künstler gewesen wäre, doch Diocletian noch Baumeister fand, die ihm seine Thermen in
Rom und seinen Palast in Spalatro bauen konnten, in denen man noch einige Reminiscenzen an den
guten Geschmack findet, obwohl dieselben mit einer Menge von Fehlern verknüpft sind, die den Untergang
der Regeln und Principien der Kunst ankündigen. Man sieht daselbst Säulen die Epistylien tragen mit
solchen, die Bogen tragen, unmittelbar vermischt, letztere, die Bogen, unterbrechen willkührlich die
Epistylien blos der Abwechselung wegen; die Säulen sind blos decorativ verwendet, sie stehen ohne
eigentlichen baulichen Zweck vor der Mauer, die sie nur decoriren sollen; sie sind übereinander gestellt
auf unförmlichen Piedestalen und tragen Epistylien mit unvollständigen Kranzgesimsen, oder sie stehen
auf Consolen und tragen gebrochene Giebel, u. dgl. m.; überall sind Kranzgesimse und Gebälke plump
und seltsam componirt (m. s. die Fig. 2, 3, 4 und 5).

Spalatro, dessen ursprünglicher Namen Spalatum, Spalato ist, der sich offenbar von dem Worte
palatium ableitet, ist die bevülkertste und handeltreibendste Stadt Dalmatiens; früher Sitz eines Erzbischofs
ist sie jetzt ein blosses Bisthum, mit einem kleinen Hafen am adriatischen Meere und etwa 8,000 Ein-
wohnern. Die Stadt hat zwei Theile, der eine nordöstliche ist von den Mauern der alten Befestigungen
umgränzt, der andere, beträchtlichere, liegt ganz und gar innerhalb der Umfangsmauern des bedeutenden
Palastes, den Diocletian nach seiner Thronentsagung baute, um in diesem Theile Dalmatiens die letzten
Jahre seines Lebens zuzubringen, und denselben mit mehreren Bauwerken schmückte, die noch würdig
römischer Grösse waren. Aus den Trümmern des von ihm hier erbauten Palastes und seinen weiten
Dependenzien ist die heutige Stadt Spalatro hervorgegangen. Die alte Stadt Salona befand sich in ihrer
Nachbarschaft, deren Lage noch durch bedeutende Ruinen bezeichnet wird.

An dem Quai längs des Hafens zwischen der grossen und kleinen Mole zeigen sich Ehrfurcht gebietend
die bedeutenden Ueberreste einer grossen Colonnade, die den Palast des Diocletian an der Meeresseite zierte.
Diese Colonnade ist noch beinahe ganz erhalten und besteht aus fünfzig Säulen, von denen noch zwei-
undvierzig übrig sind; sie bildete eine Galerie von 25£ rheinl. Fuss (8 M. 12) Breite, die längs der vom
Kaiser selber bewohnten Zimmer hinlief.

Der Palast des Diocletian nahm ein beinah regelmässiges Rechteck ein von 650| Fuss Länge C204 M. 65)
und von beinah 527 Fuss (165 M. 70) Breite; die beiden grossen Seiten desselben waren senkrecht auf
das^Meer gerichtet. Die Höhe der den Palast begränzenden Mauern war an der Seite der Colonnade
76 Fuss (24 M.), an den drei anderen Seiten nur 57 Fuss (17 M. 90). An jeder Ecke der Umfangsmauer
erhebt sich ein viereckiger Thurm (H), der 19 Fuss (6 M.) über die Mauern ragte. Diese Thiirme sind
allein der Zerstörung entgangen, die die sechs anderen viereckigen Thiirme (I) und die sechs achteckigen
(G) betroffen hat, welche letztere neben den drei Eingangsthoren des Palastes (F, F und A) standen.

Das Haupthor an der Nordseite (A) ist der Colonnade entgegengesetzt, und wrird mit dem Namen der
goldenen Pforte, der Porta aurea, bezeichnet. Dieses Thor zeigt unsere Bildtafel. Wie die übrigen beiden
Thore hiessen, weiss man nicht. Die goldene Pforte giebt ein schlagendes Beispiel von dem Barbarismus
des Styls, den wir oben bezeichneten. Wir sehen die Säulen auf Consolen stehen und Bogen tragen,
die sich über Nischen und Fensterblenden wölben. Die Sculptur der Capitelle und Kämpfer ist roh
aber zu reich für die Archivolten. Eine sehr merkwürdige Besonderheit ist, dass die Steine, die die
Epistylien bilden, mit Zapfen unter einander verbunden sind, eine Weise der Construction, die man
manchmal bei alten Bauwerken wiederfindet, und die die Baumeister vornemlich bei Gewölben anwendeten.

Nachdem man die goldene Pforte hinter sich gelassen, befindet man sich in einer breiten Strasse, die
zu beiden Seiten Portiken hat; zur Linken waren die W7ohnungen der Officiere aus dem Gefolge des
Kaisers, zur Rechten das Gynaeceum oder die Wohnung der Frauen. Diese beiden grossen Quartiere,
die jetzt gänzlich mit modernen Bauwerken besetzt sind, die den ganzen Umfang des Palastes einnehmen,
waren einst mit Mauern umgeben, gegen die sich weite Portiken lehnten. Wenn man bis zum Mittelpunkt
des Palastes fortschreitet, so findet man die Strasse durch eine andere kreuzweis durchschnitten, die
ebenfalls Portiken zu beiden Seiten hat, und das westliche mit dem östlichen -Thor verbindet (F F).

Im Angesicht der Strasse, die man bis zum Mittelpunkt ihrer Durchkreuzung verfolgt hat, zeigt sich
einer der reichsten und besterhaltensten Theile des Schlosses (B), der heute der Domplatz, Piazza del

Denkmäler der Baukunst. XX.* Lieferung.
 
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