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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 1): Denkmäler aus alter Zeit — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3501#0077

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Ruinen der Akropolis zn Mykenae.

(Der Text nach Ernest Breton, Mitglied der archäologischen Gesellschaft von Frankreich.)

Mykenae (Mvxrvr], Mvxr\vau) lag am Anfange der Ebene, welche sich südlich von dem Gebirgszuge
eröffnet, der die Landschaft Argolis durchzieht; nicht weit von der berühmten wie zwischen Felsenmauern
gebahnten Strasse Kontoporia, welche Argos mit Korinth verband. Seine Ruinen fixiren seine Lage hin-
länglich bei dem heutigen Charvati in Morea. — Mykenae ward, wie die Griechen glaubten"), durch Per-
seus gegründet. Als dieser seinen Grossvater Akrisius unvorsätzlicher Weise getödtet, soll er, um die
Erinnerung an dies Missgeschick zu verwischen, Argos seinem Oheim Megapenthes überlassen und Mykenae
sich zum Hauptsitz erbaut haben. — Nach einer anderen Sage soll schon früher Mykeneus, des Phoroneus
Enkel, die Stadt gegründet und ihr seinen Namen gegeben haben. Andere leiten wieder den Namen der
Stadt von dem Worte ^.vy.i]g her, das zugleich einen Pilz und eine Schwertscheide, oder vielmehr das untere
Ende derselben, das wie ein Pilz geformte Stossblech bedeutet — entweder weil nach der Sage an jenem
Orte der nvy.ijg von Perseus Schwerte abfiel, was dieser für ein Zeichen nahm, dass er daselbst eine Stadt
gründen solle, oder weil Perseus dürstend dort unter einem Pilze eine Quelle entdeckte, oder weil die
Form der Akropolis von Mykenae, wie Dodwell will, an einen Pilz erinnerte. — Sein zweiter Nachfolger
war Euristheus, der dem Herakles Tirynth vorenthielt; nach diesem kam die Herrschaft an die Pelopiden,
unter denen Mykenae seine grösste Macht erlangte. Durch Familienverbindung mit den Persiden nemlich kam
Pelops Sohn, Atreus, zum Besitze von Mykenae und Tirynth; ihm folgte Agamemnon, der durch Glück
und Tapferkeit seine Herrschaft bis nach Korinth, Sikyon und dem Lande der Jonier, die in dem späteren
Achaja sassen, und bis nach Argos erstreckte.**) So war Mykenae vor den Doriern die bedeutendste und
angesehenste Stadt in Argolis.*"") Homer nennt sie M-vm\vr\ svQvayvlu (mit breiten Strassen), IvxtIiievov
TtToXhdQov (die wohlgegründete Burg); nach Thucydides war die Stadt zwar klein, aber voll von gross-
artigen und reichgeschmückten Monumenten: es war da des Eurystheus kyklopische Vorhalle''•'■•'),
Agamemnons goldreiches Haus; 15 Stadien davon war das Heräum, das gemeinschaftliche Heiligthum der
Nachkommen des Danaus. —

Die Grösse von Mykenae fällt in die mythische und heroische Zeit Griechenlands. Aus der Geschichte
wissen wir, dass Mykenae seine Macht, Berühmtheit und Bevölkerung zu verlieren anfing, als Agamemnons
Geschlecht untergegangen und die Herakliden in den Peloponnes zurückgekehrt waren, ungefähr 80 Jahre
nach dem trojanischen Kriege; die Dorier nahmen das Land ein und die alte achäische Bevölkerung ward
theils vertrieben, theils unterworfen. Zur Zeit der Perserkriege jedoch finden wir Mykenae als freie, unab-
hängige Gemeinde, die ohne die Beistimmung der den Spartanern feindlichen Argiver sich an die Hegemonie
Sparta's anschloss. Die Mykenäer schickten 80 Mann nach Thermopylae, die hier den Ruhm der Lake-
daemonier theilten; sie fochten mit in der Schlacht von Platää. Mykenae stritt sogar mit Argos über
die Rechte beim Tempel der Hera und die Verwaltung der nemäischen Spielet)- Bald aber sollte My-
kenae seinen völligen Untergang durch Argos finden. Die auf Mykenae eifersüchtigen Argiver griffen
dasselbe an und zerstörten es Ol. 79, 1 (460 v. Chr.). Ein Theil der Mykenaeer flüchtete nach Kleonä,
andere Hessen sich zu Keryneia in Achaja nieder, der grösste Theil ging nach Macedonien zum Könige
Alexander, des Amyntas Sohn. Gegen tausend Jahre hatte Mykenae nach seiner Gründung durch Perseus
bestanden.

Das verlassene Mykenae ward nie wieder bevölkert; es gerieth fast in Vergessenheit; Euripides ver-
wechselt es öfter mit Argos; es scheint, dass man selbst die Spuren davon nicht mehr kannte. In Sophokles
Elektra herrscht das verwirrteste Bild von seiner Lokalität, und Strabo, der sich doch zu Korinth nicht
weit von Mykenae befand, sagt, es sei keine Spur mehr von ihm vorhanden. Es ist dies nicht der ein-
zige Ort, den Strabo von der Karte streicht. Pausanias aber, der 500 Jahre nach Strabo Griechenland be-
reiste und beschrieb, spricht von mehreren Bauwerken, die man noch heute zu Mykenae sieht. Doch
muss man bedauern, dass dieser Schriftsteller, der mit so viel Sorgfalt von dem königlichen Argos spricht,
bei den Monumenten der unglücklichen Nebenbuhlerin desselben nicht mehr in's Detail gegangen ist, dies
würde für uns von dem höchsten Interesse gewesen seyn. Die zahlreichen Bauwerke, deren Reste sich
noch heute auf dem Boden dieser alten Stadt befinden, hätten mehr als eine einfache Erwähnung verdient.

Die Akropolis von Mykenae erhob sich auf einem Hügel, der zwischen zwei hohen sie beherrschenden
Bergen von konischer Form gelegen war. Nach Plutarch war der erste Name dieses Hügels Argion. Gell
und Dodwell finden übereinstimmend unten in der Ebene und nicht weit von der Akropolis Spuren einer

*) Pausan. II, 15, 4 fg. Apollod. II, 4, 4. — **) Strabo, Buch VIII, p. 372.
***) O. Müller, die Dorier I, S. 78. Pausan. II, 16, 6. — ****) EvQvo&iOQ nvulömia tiqo&vqu. Pindar, Fragm.
|) Pausan. II, 6, 5. V, 23, 2. Diodor. XI. 65.

Denkmäler der Baukunst. XLIII. Lieferung.
 
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