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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 1): Denkmäler aus alter Zeit — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3501#0343

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Das Amphitheater zu Pola.

(Der Text nach Albert Lenoir, Mitglied der Commission der historischen Denkmäler in Frankreich.)

Istrien, eine Provinz des österreichischen Kaiserstaates, liegt am atlriatischen Meere, das seine Grenze
überall bildet, gegen Norden ausgenommen, wo es an Krain gränzt. Von den Römern im Jahr 473 n. E. R.
unterworfen, sah es bald an seinen Küsten Soldaten-Colonien entstehen. Pola, später Pietas Julia genannt,
war eine der blühendsten derselben, wenn man nach den zahlreichen antiken Baudenkmälern urtheilt, die
noch daselbst zu sehen sind. Das grösste und merkwürdigste dieser Gebäude ist ein Amphitheater, das
ausserhalb der Stadt an dem Abhänge eines Hügels erbaut ist, und von dem nahen Meere aus gesehen
einen herrlichen Anblick gewährt.

Es ist schwer, das Alter dieses Monumentes mit Bestimmtheit anzugeben. Der Canonicus Stancovich,
der darüber eine gelehrte Abhandlung geschrieben hat, die im Jahr 1822 zu Venedig herauskam, glaubt,
dass es vor der Zeit des Augustus gebaut sei, was sehr wenig wahrscheinlich ist, da zu dieser Zeit
Rom selber nur Amphitheater von Holz besass. Wie dem nun auch sei, so haben die eigenthümlichen
Dispositionen dieses Gebäudes, die es von allen ähnlichen dieser Art unterscheiden, die Mittheilung des-
selben in einem Werke nöthig erscheinen lassen, dessen Zweck es ist, die Baudenkmäler aller Zeiten
kennen zu lernen und die Unterschiede nachzuweisen, die Monumente einer und derselben Gattung aus
einer und derselben Zeit an sich tragen.

Das Amphitheater zu Pola hat seine äussere Umfangsmauer fast unversehrt erhalten (s. den
Grundriss Fig. 1, Tafel 1). Seine besondere Lage an dem Abhänge eines Hügels ist die Ursache,
dass ungefähr die Hälfte der Ellipse in A sich auf einem höheren Grunde als das übrige befindet; der
Architect fand darin ein Mittel zu Ökonomisiren, denn an dieser Seite finden sich nicht die Substructionen
und das erste Stockwerk, ein grosser Theil der Sitzstufen wird unmittelbar von dem Abhänge des Hügels
getragen. Diese sehr verständige Anordnung ist indessen von verschiedenen Reisenden und Schriftstellern,
die über dieses Bauwerk geschrieben haben, vielfach getadelt worden. — Pietro Martire von Anghiera sah
das Gebäude im J. 1501, und nahm es für ein Theater. Maffei, der im J. 1728 Pola besuchte, verfiel in
denselben Irrthum, indem er die Arena für eine Orchestra hielt; da aber gegen eine solche Erklärung sich
Schwierigkeiten erhoben, und andrerseits noch die Stadt die Ruinen eines wirklichen Theaters besass, so
dachte er, dass dies Gebäude ein prächtiges Schloss gewesen sein könne.

Die Entdeckungen, die Carli in den Jahren 1750 und 1788 durch die Aufgrabungen machte, die der
Ingenieur Rocco Sbisä leitete, die Publicationen von Stuart und von Cassas, die neueren Untersuchungen,
die im J. 1810 auf Kosten des Marschalls Marmont, Herzogs von Ragusa, während er Gouverneur von
Illyrien war, angestellt wurden, endlich die letzten Nachforschungen, die im J. 1816 vom Kaiser Franz I.
von Oesterreich befohlen und bis zum Jahre 182] fortgesetzt wurden, haben keinen Zweifel über die Be-
stimmung dieses Gebäudes und über seine inneren Einrichtungen gelassen. Wir werden in diesem Auf-
satze das Bemerkenswertheste davon mittheilen.

Der Grundriss des Amphitheaters ist eine Ellipse, die grosse Axe derselben beträgt 137 Metres
8 Centimetres (c. 438 Rheinl. Fuss), die kleine 110 Metres 50 Centimetres C351J Rheinl. Fuss).
Zwei und siebenzig Arcaden bilden den Umfang; die Bogen werden von viereckigen Pfeilern getragen,
die an der äusseren Seite mit einem Pilaster decorirt sind. An vier Punkten springen thurmartige Vor-
bauten in der Breite von zwei Arcaden und von geringer Tiefe vor der Umfassungswand des Gebäudes
vor, deren Zweck wir weiter unten kennen lernen werden. Sebastian Serlio, der 1551 über dieses Bau-
werk schrieb, betrachtete sie als Contreforts, um die Facadenwand zu verstärken. Maffei, der in diesem
Bauwerk ein Theater sah, behauptete, dass sie in der Comödie Wohnungen vorgestellt hätten, eine Mei-
nung, die in sich selber zerfällt, weil sie nach Aussen liegen und von den Zuschauern im Innern nicht
gesehen werden konnten. Die an den beiden Enden der grossen Axe liegenden Arcaden führen direct zur
Arena, sie sind 5 Metres (fast 16 Fuss), alle andern nur 4 Metres (etwa 12| Fuss) breit. Die Hälfte des
Gebäudes C, die dem Hügel gegenüberliegt, und gegen das Meer gekehrt ist (auf unserm Grundriss ist
sie dunkler schraffirt), erhebt sich auf einem Unterbau, dessen Oeffnungen mit Steinplatten überdeckt sind
und grösstentheils vermauert waren, mit Ausnahme derjenigen, die direct zu den Treppen führten, durch
die man auf die inneren Corridore des ersten Stockwerks und auf das Podium gelangte. Hinter der Um-
fassungsmauer zog sich ein breiter Gang D hin, der bei der grossen Axe bei E durch den Abhang des
Hügels unterbrochen wurde. Ueber dem Unterbau wiederholt sich dieselbe räumliche Anordnung mit dem
Unterschiede, dass der zweite innere Gang F zu den Treppen des ersten Ranges führte, und rings herum
lief, indem der Boden desselben unmittelbar auf dem Abhänge des Hügels lag in jenem Theile des Ge-
bäudes, der vom Meere abgekehrt war. Hier bei A war dieser Gang halb in den Felsen gehauen, und

Denkmäler der Baukunst. XL VI. Lieferung.
 
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