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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 1): Denkmäler aus alter Zeit — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3501#0180

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Die Theater von Pompeil und Jassus.

Bas grosse Theater von Pompeii.

Das grosse oder das tragische Theater von Pompeii wurde schon im Jahre 1764 entdeckt aber erst
dreissig Jahre später gänzlich ausgegraben. Es ist eines der ersten Gebäude das dem Wanderer aufstösst,
wenn er in die Ruinen Pompeiis durch das Forum, dem sogenannten Quartier der Soldaten eingeht. Dieses
Forum lehnte sich an den Bau der Scene an, wie man dies aus der perspectivischen Ansicht unsers
Kupfers sehen kann. An der Westseite dieses Theaters befindet sich ein anderes Forum, das ihm als
Porticus dient, in dessen Mitte sich ein Tempel erhob, der das einzige rein griechische Gebäude ist, das
in dem ausgegrabenen Theile der Stadt sich findet*

Das grosse Theater von Pompeii lehnte sich nach einem allgemein bei Griechen und Römern befolgten
Brauche an einen Bergabhang an, wodurch die Kosten der Substructionen vermindert wurden, und der es
gestattete, dass der Haupteingang in der Höhe der zweiten praecinctio — d. i. dem breiten Gange, der
die Reihen der Sitzstufen so zu sagen in Ränge schied — angelegt werden konnte, von der unsere
Ansicht genommen wurde. Zwei andere Eingänge waren zu beiden Seiten der Scene durch gewölbte
Corridore hergestellt und mündeten in der Orchestra bei C C; durch sie gelangte man zu den unteren
Sitzstufen, fünf an der Zahl, die für bevorrechtete Personen bestimmt waren. Jeder dieser Corridore oder
vomitoria hatte einen gleichfalls gewölbten Seitengang, der unter den Sitzstufen hinging und vermittelst
sechs Stufen zur Höhe der ersten praecinctio führte. Endlich brachte eine Treppe, die zur Rechten der
Sitzstufen lag, bei M, direct auf die dritte praecinctio, wohin die niedrigsten Schichten des Volks und
die Frauen gewiesen waren. Dieser letzte Theil des Theaters ist seit seiner Entdeckung wieder hergestellt
worden, man hat einen der Ständer, die das velarium oder die Zeltdecke über dem Zuschauerraum trugen,
wieder aufgerichtet und mehrere Kragsteine, die zur Befestigung der Ständer dienten, wieder eingesetzt.

Dieses Theater, das in dem höchsten Theile der Stadt lag, war nach der Katastrophe vom Jahre 79
zum Theil zugänglich geblieben; so ist es denn und ohne Zweifel schon von der Zeit der Römer an
zum grössten Theil seiner Gradinen (Sitzstufen) und Marmorplatten beraubt worden. Die Scene, die viel
niedriger liegt und deshalb ganz von der Asche des Vesuvs bedeckt wurde, ist vor der Unbill der Zeit
und der Menschen besser bewahrt geblieben und auf uns mehr unberührt gekommen.

Unser Grundriss des Theaters ist querdurch in zwei Theile geschieden; die obere Hälfte zeigt allein die
Stellen an, die von Mauerwerk eingenommen sind, die andere Hälfte zeigt das Bauwerk in seiner Anordnung
und mit seinen Sitzstufen. Das Theatron im engeren Sinne, nämlich der für die Zuschauer bestimmte
Schauraum
Halbkreis,

messer beträgt

, den die Griechen auch wohl xollov, und die Römer die cavca nannten, bildet nicht einen

wie es Vitruv beim römischen Theater will, sondern einen Hufeisenbogen; sein Durch-

216 Rbeinl. Fuss und er konnte fünf Tausend Zuschauer fassen. Die Gradinen oder

Sitzstufen bestanden aus parischem Marmor, es gab ihrer neun und zwanzig, die durch zwei Praecinctionen
oder Gänge in drei Etagen oder Ränge geschieden wurden; sie selber aber wurden durch sechs Treppen,
itinera oder scalae in fünf Keile oder cunei L, L, L abgetheilt und in noch zwei Abtheilungen, die streng
genommen, diesen Namen nicht verdienen. Diese letzten beiden Abtheilungen befanden sich zunächst der
Scene über den gewölbten Seiteneingängen des Theaters und endigten in ihrem unteren Theile in einer
Tribüne oder einem podium, in deren einem man die Reste einer sella curalis gefunden hat.

Der erste Rang oder die ima cavea bestand wie schon oben bemerkt aus fünf Sitzstufen, der zweite
Rang aus zwanzig und der dritte nur aus vier. Auf der vierten Gradine der ima cavea befinden sich
drei Piedestale, die wahrscheinlich Statuen solcher Männer trugen, die sich als Magistrate um die Stadt
verdient gemacht hatten. Ein wenig höher liest man an einer marmornen Gradine folgende Inschrift:

Marco Holconio Marci filio Rufo, duumviro iure dicundo quinqiäens Herum (duumviro) quinquennali, tribuno
militum a populo, Flamini Augusti, Patrono coloniae, decreto decurionum.

(Dem Marcus Holconius Rufus, Sohn des Marcus, fünf Mal Duumvir zum Rechtsprechen und von
Neuem zum Duumvir auf fünf Jahre erwählt, dem vom Volk ernannten Tribun der Soldaten, dem Flamen
des Augustus und Patron der Colonie auf Beschluss der Decurionen.)

Noch sichtbare Spuren auf dem Marmorblock, der diese Inschrift trägt, lassen vermuthen, dass die
Pompeianer daselbst ein bisellium oder eine Statue zu Ehren dieses Holconius errichtet hatten, dem die
Stadt mehrere ihrer vorzüglichsten Bauwerke verdankte, wie es eine andere Inschrift im Theater beweist,
die da sagt dass die beiden Marcus Holconius, Rufus und Celer, auf ibre Kosten eine Krypta, ein Tri-
bunal und ein Theater zum Schmuck der Colonie haben bauen lassen. Die Krypta oder der Wasser-
behälter, so wie das Tribunal, das heute gewöhnlich die Schule genannt wird, existiren wirklich noch

Denkmäler der Baukunst. CXVII. Lieferung .
 
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