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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 1): Denkmäler aus alter Zeit — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3501#0139

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Der Felstempel des Phre zu Abu-Simbel in Nubien.

um die acht colossalen Statuen von 22 Fuss zu betrachten, die aus dem Felsen gehauen sind mit den
Pfeilern, gegen die sie sich lehnen. Diese Statuen sind aufrecht stehend gebildet, gleichen sich alle, und
halten in ihren über die Brust gekreuzten Händen den Krnmmstab und die Geissei. Sie sind nackt bis auf
den Gürtel, der durch eine Namensring-Agraffe geschlossen ist, von dem eine mit Uranus verzierte Franze
herabhängt. Dieser Gürtel hält die Schantei, den engen gefalteten gelb bemalten Schurz, der bis zu den Knieen
hinabreicht. Der Kopf ist ein wenig dick und mit einer plumpen hohen Mütze bedeckt, die das Symbol
der Herrschaft über Oberägypten ist; die Augen sind gross, schön geschlitzt, die Brauen gewölbt; die
Augenwinkel und Brauen, die man bis an die Ohren verlängert hat, sind mit Russ (stibium) gemalt; die
Nase ist leicht gewölbt, der Mund ist gebogen und lächelnd, die Unterlippe springt etwas vor, das Kinn
ist leicht gerundet; im Ganzen hat das Gesicht den Ausdruck der Milde und des Wohlwollens. Diese
riesigen Atlanten, die schweigenden Wächter der Mysterien ihrer Religion und der Ereignisse ihrer Zeit,
geben dem Monument den Character des Grossartigen und Feierlichen, und fordern den Besucher zur
Achtung und Andacht auf. Diese colossalen Portraits Ramses des Grossen scheinen die Decke eines
grossen mit Gemälden geschmückten Saales zu stützen, die kriegerische Scenen aus den Eroberungszügen
dieses Pharao in Africa und Asien darstellen.

Alle diese Statuen und Basreliefs sind mit einer Stucklage überzogen, in der der Künstler seine
Sculpturarbeit vollendet hat, und die dann mit reichen und mannigfaltigen Farben bemalt ist. Die hori-
zontale Decke ist von einer dreifarbigen Bordüre umgeben und zeigt, auf blauem Grunde Geier mit der
Mitra des Pschent gekrönt, mit ausgebreiteten Flügeln und in jeder Klaue ein langes Palmenblatt haltend.
Die Symbole der JNeith, der ägyptischen Minerva, sind durch Namensringe mit dem Namen und den Bei-
namen des Ramses getrennt.

Wenn die Augen sich an dieser lebenden, ernsten und imposanten Architectur genug geweidet
haben, schweifen sie zu den Basreliefs, die uns von allen Seiten umgeben; sie sind minder hinsichtlich
der Kunst als der Geschichte interessant und ein ganzer Band aus dem Leben und den Eroberungszügen
des Ramses-Sesostris.

Man bemerkt gleich zu beiden Seiten des Eingangs Ramses, eine Gruppe africanischer und asiatischer
Gefangener an den Haaren haltend, die er den beiden Göttern Ammon-Ra und Phre zu opfern scheint.
Unter diesen beiden grossen Bildern hat man nach dem Alter zur Rechten die Kinder männlichen Ge-
schlechts, die alle in der Hand das Emblem des Sieges, das Zeichen der Prinzen, tragen, zur Linken die
Kinder weiblichen Geschlechts des Pharao dargestellt, deren jedes in der Hand eine Art Sistrum*) mit
einem Kopf der Hathor geziert, trägt. Das erste Bild auf der rechten Wand stellt die Belagerung eines
Ortes vor. Ramses, auf seinem Wagen stehend mit gespanntem Bogen und die Pferde im Galopp haltend,
hinter ihm seine drei erwachsenen Söhne ebenfalls auf Streitwagen, treibt ein assyrisches Heer in die
Flucht und belagert die Festung, in die sich die Geflohenen zurückgezogen haben. Der Held, der immer
riesig gross dargestellt ist, trägt einen Helm und ist mit all seinem königlichen Schmuck bedeckt, mit
Collier und mit Ringen um Ober- und Unterarm; seine ganze Bekleidung besteht nur in einer Art prächtig
gezierten Schurzes; die Zügel der kostbar aufgezäumten und mit Federn auf dem Kopfe geschmückten
Rosse sind um seinen Leib geschlungen. Sein Köcher hängt am Wagen, dessen leichte zierliche Räder
von Bronze zu sein scheinen. Drei Krieger schützen die Wagen seiner Söhne, die obgleich jung doch
schon in Schlachten erfahren alle einen mit Leopardenhaut überzogenen Schild tragen. Oben sieht man
von der Festung, die auf einem Berge liegt und in zwei Absätzen sich aufbaut, die unglücklichen Assyrer
von Pfeilen durchbohrt herabstürzen; der eine zieht sich einen Pfeil aus dem Kopfe, ein anderer ist unter
dem Auge verwundet worden. Zwei Männer halten mit vorgebeugtem Körper eine Art Rauchfass, das

hier ein Zeichen des Friedens zu sein scheint, während andere mit ausgestreckten Armen um Gnade
bitten. Hinter ihnen halten Weiber einen Arm aufgehoben, mit dem anderen ihre Kinder, und scheinen
das Mitleid des Siegers anzurufen, dessen unvermeidliche Pfeile sie schon getroffen haben. Am Fuss der
Festung befinden sich andere flehende Weiber, unten am Berge flieht ein Bauer hinter seiner Rinderheerde
her, die der allgemeine Schrecken auch ergriffen zu haben scheint.

Auf dem zweiten Bilde tritt der König einen zu Boden geworfenen feindlichen Anführer nieder, und
durchbohrt einen zweiten mit seiner Lanze. Diese Gruppe ist von grosser Schönheit.

Das dritte Bild stellt den Triumph des Ramses und seinen feierlichen Einzug wahrscheinlich in Theben
dar. Ruhig und stolz steht er auf dem prächtigen Wagen, der von Pferden, die im Schritte gehen,
und mit einer kleinen reichen Decke auf dem Rücken bedeckt sind, gezogen wird. Der Gefährte seiner
Gefahren, sein Löwe, nimmt auch Theil an den Ehren des Triumphs und schreitet an seiner Seite. Vor

schwarzgemalt,

von

dem Wagen führt ein Officier zwei Reihen afrikanischer Gefangenen, die einen

Neger-Baee und mit Pantherfellen bekleidet, die anderen dunkel braunroth gemalt, von der Barabra-
Rage, mit Ringen in den Ohren, wie einige Völkerschaften Nubiens sie noch heute tragen. Ungeachtet
der Incorrectheit der Zeichnung und der Fehler in den Proportionen lässt sich doch dieser Composition
ein gewisser Adel nicht absprechen. Zu beiden Seiten der Thür der Hinterwand bringt der König den
Göttern Thebens und denen Abu-Simbels Gefangene von verschiedenen Nationen als Opfergabe dar.

Die Wand zur Rechten ist fast ganz von einem grossen Bilde eingenommen, das eine Schlacht dar-
stellt, ein verschanztes Lager mit dem Zelte des Königs, seinen Leibwachen, seinen Pferden mit den

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*) Ein Klapperinstrument.
 
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