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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 1): Denkmäler aus alter Zeit — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3501#0140

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Der Felstempel des Phre zu Abu-Simbel in Nubien.

Wagen, dem Gepäck und dem ganzen Zubehör eines Heeres. Man sieht da die Spiele und Strafen der
Soldaten, die Pferde nach Schwadronen rangirt und ihr Futter aus Raufen fressend; die der Anführer sind
isolirt eingehürdet; die Wasserschlauche sind an Pfählen aufgehängt, und die Soldaten sind am Feuer
mit dem Kochen ihrer Mahlzeit beschäftigt; inmitten des Lagers liegt der Löwe des Sesostris ausgestreckt.
Die Feuchtigkeit hat die Farben dieses immensen Bildes, das voller Effect und Lebendigkeit ist, ver-
schwinden gemacht. Die kleine Anzahl von Köpfen, deren Färbung noch conservirt ist, zeigen herab-
hängendes und in Strehnen geflochtenes Flaar, wie es die Ababdehs und Bischariehs noch heute tragen.
In gebirgigen und wüsten Ländern, wo der freie und isolirte Mensch nur die Gesetze der Gewohnheit
kennt, erhalten sich lange solche Bräuche.

Auf dem siebenten Bilde ist der König sitzend unter einigen Führern des ägyptischen Heeres dar-
gestellt; andere kündigen ihm sich verbeugend einen feindlichen Angriff seines Feldlagers an. Man
spannt seinen Kriegswagen an, und seine Diener erwarten seine Befehle und zügeln den Muth seiner
Rosse, die hier besser gezeichnet als in den anderen Basreliefs sind; leider fehlen allen die Köpfe. In
der unteren Reihe schlagen ägyptische Soldaten zwei wahrscheinlich in der Nähe des Lagers gefangene
Spione mit Stöcken. Weiter sieht man in einem achten Bilde, das dem eben beschriebenen folgt, den
Angriff der Feinde, die ebenfalls auf Wagen aber ohne Ordnung gegen eine vollkommen geordnete Reihe
ägyptischer Streitwagen kämpfen; das feindliche Heer ist schon in Verwirrung, mehrere ihrer Wagen sind
umgestürzt und zerbrochen; Pferde und Soldaten liegen unter und über einander. Dies Gemälde ist voller
Bewegung und Handlung. Nach Ruhm aller Art besonders aber nach Kriegsruhm trachtend wollte Ramses
durch solche Bilder seine Heerführer und seine Krieger begeistern, er wollte die Liebe zum Vaterlande
und die Lust am Kampfe tiefer in ihr Herz senken, und vereinigte deshalb die glänzenden Thaten seiner
Regierung mit der Verehrung, die man den Göttern zollte, mit den religiösen Vorstellungen, die immer
über den Menschen die grösste Macht haben. In dieser Zeit waren es die Götter, die den Krieg durch
den Mund ihrer Priester befahlen, und Tausende von Menschen gingen in den Tod und zu Mord und
Plünderung auf die Verheissung Amnions, des Königs der Götter, der seinem vielgeliebten Sohne Ramses
alle barbarischen Völker übergeben hatte. Mehrere Basreliefs stellen Amnion, Phre, Phthah, Atom dar,
die dem Ramses Geissein bringen mit den Worten: „Wirf nieder und schlage in Stücke die Bösen der
ganzen Erde durch die Macht Deines Vaters, der Dir verheissen hat immer zu siegen und alle zu unterwerfen."

Der zweite Saal, dessen Decke vier viereckige Pfeiler stützen, ist an seinen Wänden und Pfeilern
ebenfalls mit Sculpturen geziert, aber hier sind alle Darstellungen religiöse. In den verschiedenen Räumen,
im Pronaos, im INaos, und in den Hinter- und Seitenkammern ist Ramses dargestellt, wie er den grössten
Gottheiten Aegyptens und seinem Schutzpatron, dem Sonnen-Gotte, Opfergaben darbringt, Ramses, der
Sohn des Phthah und der Hathor, der selber ein grosser und wohlthuender Gott ist und als solcher zu
Gerf-Hussein verehrt wird. Der erste Saal des Tempels stand unzweifelhaft Jedermann offen, der zweite,
der wahrscheinlich als Pronaos diente, war ausschliesslich nur für die Eingeweihten bestimmt. Am Ende
dieses Saales tritt man durch drei Thüren in ein mehr breites als tiefes Vestibül, das mit dem Sanctuarium
und mit zwei kleinen Seitenkammern, die nicht fertig geworden sind, zusammenhängt. Die hintere Mauer
des Sanctuariums, in dessen Mitte sich ein Altar erhebt, ist mit vier Statuen etwas über Menschengrösse
geschmückt. Obgleich sie mehr als die Colosse verdorben sind, so erkennt man doch noch Phthah,
Amnion, Ramses den Grossen und Phre, die alle auf einer und derselben Bank sitzen. Hier befindet sich
also Ramses im Range der im Sanctuarium verehrten Gottheiten. Diese Statuen sind verstümmelt worden,
ihre Arme sind abgebrochen, und Phthah hat keinen Kopf mehr. — Das wäre nun der ursprüngliche Plan
des Tempels, dessen Ausführung in diesem Theile die sorgfältigste, dessen Grundriss der regelmässigste
ist. Die in der Folge noch hinzugefügten Bäume sind nur roh aus dem Felsen gehauen, und ihre Wände
waren niemals allignirt. Zuerst hat man zur Rechten des grossen Saales in geringer Entfernung von
einander zwei Thüren angelegt, die zu zwei nicht mit einander verbundenen Räumen führen; in dem
ersten derselben sieht man noch nicht vollendete Hieroglyphen; einige sind erst angelegt, andere gar nur
erst mit Schwarz entworfen; ein leichter Zug des Fingers auf der Wand vermag sie zu verlöschen, sie,
die Jahrtausende die Hand, die sie gezeichnet, überlebten! An der Hinterwand des grossen Saales befinden
sich noch zur Rechten und Linken zwei Thüren, deren jede zu zwei langen Kammern führt, die durch
einen Vorraum mit einander in Verbindung stehen; in jeder derselben befindet sich eine an den Wänden
herumlaufende steinerne Bank, auf die wahrscheinlich die Geräthe und Opfergeschenke des Tempels
niedergesetzt wurden.

Ausser den aus dem Felsen selbst gehauenen Statuen und Basreliefs schmückten noch mehrere kleine
bemalte Statuen aus verschiedenem Stein dieses prächtige Speos. Man findet davon noch einige Bruch-
stücke in den verschiedenen Räumen zerstreut. Als Belzoni dieses Monument öffnete, fand er in dem
grossen Saale zwei Sphinxe mit dem Sperberkopf, Symbole des Phre, des Sonnen-Gottes. Diese Sphinxe
wurden nach England geschafft; aber vor Kurzem fand ein Reisender, der Ausgrabungen anstellte, um
Maasse zu nehmen, noch einen anderen kleinen Sphinx, den ich gezeichnet habe, und der in dieser Samm-
lung (m. s. die Tafel der Sphinxe) mitgetheilt wurde.

Ich wünschte wohl in diesen Tempel, der allein die Reise nach Nubien werth ist, wie Champollion d. J.,
sagt"'), alle diejenigen führen zu können, die nicht glauben wollen, wie elegant und reich eine Architectur

*) Lettres ecrites d'Egypte et de Nubie en 1828 et 1829, S. 119, 131 und ff.
 
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