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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 1): Denkmäler aus alter Zeit — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3501#0262

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Der Tempel des Wiswakarma zu Ellora.

(Der Text nach Langlois, Mitglied des Instituts.)

Unter de» Grotten von Ellora ist diejenige, die als „Tempel des Wiswakarma" benannt wird, eine
der ausgezeichnetsten, zwar nicht durch bedeutendes Maass ihrer Verhältnisse, wohl aber durch die Eleganz
und die Eigenthümlichkeit ihrer Formen. Wir finden hier eine merkwürdige Umwandlung der indischen
Kunst: der einfach viereckige Grundriss, die flache Decke, die sonst so entschieden vorherrschen, sind
verschwunden; der Raum des Inneren, die Pfeilerstellung, die an dessen Seiten hinläuft, schliesst sich im
Halbkreise; die Decke des Hauptraumes steigt in der Form des Gewölbes empor. Wo haben die Hindu's
das Modell solcher Formen hergenommen? was hat sie veranlasst, in solcher Weise von den ursprüng-
lichen, allgemein verbreiteten Formen abzuweichen? Man hat auf den Einfluss fremder Kunst, die von
den Hindu's hierin nachgeahmt sei, gerathen, ohne diese Annahme doch genügend beweisen zu können.
Man meint vielleicht, dass die Form des Gewölbes ohne die gewöhnliche Construction desselben aus
keilförmigen Steinen nicht erfunden werden könne; dies dürfte aber sehr in Frage zu stellen sein. Bei
dem Grottenbau, wo der innere Kaum durch Aushöhlung einer Felsmasse gewonnen wird, ist überhaupt
keine Form durch die Construction, durch die Zusammenfügung verschiedener ßaustücke zu einem Ganze»,
bedingt; die flache Decke musste hier ebenso aus dem rein künstlerischen Bedürfniss, aus dem idealen
Gefühle hervorgehen, wie die gewölbartige Decke; ja, man möchte im Gegentheil fast sagen, dass die
letztere, die die Felslast über dem ausgehöhlten Baume mehr erleichtert, auch mehr mit der angewandten
Technik übereingestimmt hätte. Es ist überhaupt in dem Grottenbau an sich, der von aller künstlichen
Construction nichts weiss, trotz der gewiss höchst beschwerlichen Technik etwas Naives, etwas Primitives,
was schon an sich das Alterthum und die Ursprünglichkeit solcher Monumente zu verbürgen scheint.

Betrachten wir den

sogenannten

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Tempel des Wiswakarma" in seinen einzelnen Tlieilen, so

finden wir vor demselben zunächst einen grossen viereckigen Hof. (S. Blatt 1 der „Tempel zu Ellora",
Fig. 3. No. 2). Den Zugang in den Hof bildet ein breiter Einschnitt in den Felsen (1). Der Hof hat
14 Metres 93 Centimetres (46 Pariser Fuss) Tiefe. Dem Zugang gegenüber ist die Facade des Tempels^
deren zierliche iVrbeit einen wunderbaren Eindruck hervorbringt. Am untern Theil der Facade ist eine
„Veranda", die sich zugleich, nach Art der Kreuzgänge, an der rechten und linken Seite des Hofes hin-
zieht (3); ihre Breite beträgt 2,50 Metres (7 Fuss 9 Zoll), ihre Höhe 3,04 Metres (9 Fuss 4 Zoll); sie
wird durch zwölf viereckige Pfeiler (oder Säulen) und zwei Pflaster gestützt. Im Hofe, auf der rechten
Seite, ist eine schöne Cisterne angelegt. Die beiden Seitenflügel der Veranda stehen mit mehreren dunklen
Sälen (4) in Verbindung, ursprünglich vielleicht Kapellen, die jetzt ihres Schmuckes beraubt sind. Dar-
über ist ein Obergeschoss, zu dem, wie es scheint, die kleine bedeckte Treppe zur Einken des Einganges
emporführt. Auf der rechten und linken Seite des Hofes besteht dies Obergeschoss aus mehreren Ge-
mächern, die mit Sculpturen geschmückt waren, jetzt aber sehr beschädigt sind; in der Facade des Tempels
bildet dasselbe eine Gallerie, wo sich die Musiker aufhielten, die die religiösen Festlichkeiten mit ihren
feierlichen Tönen begleiteten. Im Mittelpunkt dieser äusseren Gallerie tritt man durch eine portalartige
Oeffnung in eine innere Gallerie oder Loge, welche dem mittleren Räume des Inneren an Breite gleich ist
und einen Ueberblick über dasselbe gewährt.

Unterhalb der Gallerie führen drei Pforten in das Innere; die mittlere Pforte ist 1,25 Metres (3 Fuss
10 Zoll) breit und 2, 50 Metres (7 Fuss 8 Zoll) hoch. Zwei viereckige Pfeiler stützen jene innere Gallerie,
von der wir so eben gesprochen haben. Durch die Portale und durch die Oeffnung der Gallerie fällt das
Tageslicht herein, das das Innere matt erhellt. Ein Peristyl von dreissig achteckigen Pfeilern zieht sich
an den Seiten des Inneren hin; er bildet niedrige Seitengänge (8) mit flacher Decke, 5 Metres (15 Fuss
6 Zoll) hoch und zwischen den Pfeilern und Seitenwänden 2,36 Metres (7 Fuss 3 Zoll) breit. Die Ge-
sammtlänge des Tempels, vom Eingange bis zum Grund, beträgt etwas über 24 Metres (74 bis 75 Fuss),
die Gesammtbreite, von einer Seitenwand zur andern, ungefähr 13 Metres (40 Fuss). Die Höhe des
Mittelraumes, vom Fussboden bis zum Scheitel des Gewölbes, ist ein wenig mehr als 10 Metres (etwas
über 30 Fuss). Man kann dies Gewölbe mit der umgekehrten Schaale eines Schiffes vergleichen, dessen
Rippen auf ein Gebälk gelehnt sind, welches von den dreissig Pfeilern der Seitengänge getragen wird.

Im Grunde des Mittelraumes erhebt sich eine cylindrische Masse von 7,31 Metres (22 Fuss 5 Zoll)
Höhe; ihr Obertheil besteht aus einer gedrückten Kuppel, die von einem rechtwinklig gegliederten Aufsatz
bekrönt wird. Diese Masse ist der Dagop, ein Gegenstand von symbolischer Bedeutung, der sich in

Denkmäler der Baukunst. XVIII. Lieferung.
 
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