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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 23.1912

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Bredt, Ernst Wilhelm: Wohnungs-Luxus - Kein Luxus
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https://doi.org/10.11588/diglit.7710#0301

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XXlll. JAHRGANG. DARMSTADT. AUGUST 1912.

WOHNUNGS-LUXUS - KEIN LUXUS.

VON DR. E. W. BREDT-MÜNCHEN.

Unsere Zeit steht im Zeichen starken wirtschaft-
lichen Aufschwungs. — Doch zur Freude am
wirtschaftlichen Gewinn, zur Angst vorm Verlust
gesellen sich Klagen über sinnlosen Materialismus
und Luxus. Solche Klagen sind berechtigt. Denn
wenn am wirtschaftlichen Aufschwung, dank un-
serer sozialen Anschauungen und Verpflichtungen,
alle Kreise des Volkes teilhaben, so wird der
materielle Sinn des Einzelnen für eine möglichst
behagliche und reiche Lebensgestaltung nicht in
jedem Falle gelenkt durch hochentwickelte und
stark gefestigte intellektuelle Kultur. So gehen
der Kultur Riesensummen zu gunsten der äußeren
Zivilisation verloren. — Wir schwärmen nur pla-
tonisch für die große genügsame Zeit der italie-
nischen Renaissance — unsere Lebensführung aber
ist ähnlich der der Großen und Kleinen im kaiser-
lichen Rom. Unsere Häuser und Wohnungen
sagen genug davon, sagen freilich nachdrücklichst
auch, daß es lächerlich, schädlich, ja sogar kultur-
feindlich wäre, das Verlangen fast aller nach
Anteil an allen hygienischen und praktischen
Errungenschaften moderner Haus- und Wohnungs-
einrichtung zu bemängeln, zu unterdrücken. Das
Verlangen nach Heizung und Belichtung, Lüftung,

Bewässerung für Küche, Wohnräume, Bad, sei mit
allen Mitteln und Möglichkeiten unterstützt, wenn
auch die Erfüllung dieser Wünsche Bauen,Wohnen,
Leben naturgemäß verteuert, wenn dadurch auch
nur Gesundheit und Behagen der Einzelnen und
der Gesamtheit besser gewährleistet wird — nicht
aber das Glück der Einzelnen oder der Völker.
Nicht Glück, nicht Ansehen. Wichtig ist's jetzt
das zu betonen. Es ist Pflicht der Zivilisierten
möglichst hygienisch zu wohnen, aber jeder macht
sich der Kulturlosigkeit schuldig, der mit der
bestmöglichen Erfüllung sanitärer und ähnlicher
Forderungen seine Aufgabe der Wohnungsge-
staltung erfüllt sieht. Das gilt nach oben, nach
unten. Banausentum und Kultur sind wirt-
schaftlich unabhängig, können in armen und reichen
Häusern zuhause sein, denn Banausentum ist Be-
fangenheit, Kultur ist Glück. — Wer daraufhin
unsere Häuser prüft, wird viel Befangenheit ge-
rade in den Wohnungen derer finden, die kaum
wirtschaftlich beengt sind. Wir kennen viele
reiche Herren und Familien, die luxuriös leben,
doch jeden Wohnungsluxus, der über jene sanitär-
technischen Anforderungen moderner Zivilisation
hinausgeht, entbehren mögen. Das ist kulturlos.

1912. VIII. 1.
 
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