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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 23.1912

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Westheim, Paul: Das Eigen-Wohnhaus im Vorort
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https://doi.org/10.11588/diglit.7710#0013

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XXI11. JAHRGANG.

DARMSTADT

JANUAR 1912.

DAS EIGEN-WOHNHAUS IM VORORT.

VON PAUL WESTHEIM-CHARLOTTENBURG.

Man wohnt nicht in der großen Stadt, wohnt
auch nicht auf dem Lande. Man ist uner-
reichbar für das City-Getriebe, ist gesichert vor
den Geräuschen und Gerüchen, vor dem ganzen
nervendurchpeitschenden Gehetz der Großstadt-
straßen und doch sitzt man nicht in einem ver-
lorenen, weltfernen Winkel, wo in ewigem Gleich-
klang die Tage träge dahinfließen. Man ist nicht
zusammengepfercht mit hunderterlei Menschen,
nicht eingezwängt in Mietskasernen, sitzt auf eige-
nem Grund, in eigenem Heim mit dem eigenen
Garten und braucht diese für den Stadtmenschen
schier unerschwingliche Eigenherrlichkeit doch
nicht zu erkaufen durch ein völliges Verbauern.
Man lebt fern genug der Großstadt, um vor ihren
Schattenseiten bewahrt zu sein, und ist ihr doch
wiederum nahe genug, um alle ihre Annehmlich-
keiten mitgenießen zu können. Man rückt hin-
aus an die Peripherie, man lebt im Vorort.
Der Vorort, das ist die Diagonale, die der
moderne Mensch gefunden hat nach einem jahre-
langen Hin- und Hertaumeln zwischen einer Land-
und einer Stadtexistenz. Beide haben ihr Ver-
lockendes, beide ihre abstoßenden Seiten. Die
Geschäfte, die Vergnügungen, Bildungsmöglich-

keiten, die engere Verknüpfung mit allen Bewe-
gungen und Geschehnissen der fortschreitenden
Zeit treiben die rührigsten Kinder des Landes in
die glitzernde Pracht der Städte, um nach ein paar
aufregenden und aufreibenden Kampfjahren in
ihnen die Sehnsucht zu wecken nach der idyllischen
Abgeschiedenheit ihrer Heimatsfluren, nach den
Schönheiten der Natur da draußen, nach Ruhe und
frischer Luft, die trotz allem Komfort in den hoch-
herrschaftlichen Mietswohnungen nicht zu finden
sind. Ganz zurück können sie nicht, wollen sie
auch nicht; ihre Existenz und ihre Lebensgewohn-
heiten sind doch zu sehr verknotet mit dem steiner-
nen Meer, in das alles hineinfließt, was vorwärts
strebt. Ein Flüchten aus dieser Atmosphäre würde
für viele das Aufgeben ihrer Existenz bedeuten.
Der Kaufmann kann nicht einfach seine Geschäfte,
der Gelehrte nicht seine Institute und Körper-
schaften, der Beamte nicht seinen Dienst im Stiche
lassen, vorzeitig kann und will sich keiner aus-
schalten aus der großen Welt; er will Teil an ihr
haben, ohne von ihr erdrückt zu werden. Er will
in ihr seinen Geschäften nachgehen, leben aber
will er mit seiner Familie draußen, frei von den
vielfachen Widerwärtigkeiten der Stadtexistenz

1912 I. 1.
 
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