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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 23.1912

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Wuest, C.: Haus und Wohnung im Bilde
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https://doi.org/10.11588/diglit.7710#0411

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dith marscher werkst. für handwerkskunst. hans krämer —marne. büroerlich. esszimmer. kredenz mit spiegel wand

HAUS UND WOHNUNG IM BILDE

Das Dictum Goethes, wonach man alle Tage wenigstens
ein kleines Lied hören, ein gutes Gedicht lesen, ein
treffliches Gemälde sehen und, wenn es möglich zu machen
wäre, einige vernünftige Worte sprechen sollte, bedarf
in unsern Tagen der Erweiterung: man sollte einen
Blick in hübsche Räume werfen, ob freundlicher
Einfälle im Bau und Schmuck des Hauses die bittern und
verworrenen Gefühle und Empfindungen des beruflichen
und realen Lebens vergessen können. Man sollte ob des
freundlich eingerichteten Heims die Sorgen und allen
Arger, alles Gekränktsein vergessen, sich auf sich selbst
besinnen, und aus den hellgestimmten, soliden, praktischen,
einfachen und doch so schmucken Werten der vertrauten
Möbel, Fensterblicke, der wohnlichen Winkel, des Ar-
beitstisches mit seinen Blumen, des Lagers mit seiner
abendlichen Träumerei, die auf das Ende der Arbeit
wartet, die eigene Lebensfreudigkeit steigern! —
Glücklich, wer ein eigen Wohnhaus hat, drin sich sein
und eines wackern Baumeisters und Innenarchitekten
Wesen spiegelt. Glücklich, wer wenigstens hie und da
die Schritte in ein Haus solch sonniger Wohnkunst setzt.
Wer aber beides nicht hat und nicht findet, dem ersetzt
eine gute, gewohnte Zeitschrift, was ihm fehlt — Archi-
tekturzeitschriften, das ist ein Symptom der Zeit, gehören

zu unserm täglichen Leben, wie Kunstrevuen und litera-
rische Monatshefte. Man lebt mit ihnen, gibt und empfängt
in ihrem Rahmen ein Stück eigenen Seins und könnte sie
jedenfalls, einmal mit ihnen vertraut, nicht mehr missen.

Man blättert in ihren Seiten, freut sich an neuen
Lösungen, an Einfällen voll Talent und Laune, an recht-
zeitigem und von eigener Festigkeit begleitetem Zurück-
greifen auf gute, zu Unrecht vergessene Vorbilder. Man
wird vor die Front eines Hauses geführt, die heimatlich
anmutet, man erreicht das Tor, die Halle, die Zimmer
öffnen sich, man folgt der Treppe in die höhern Gemächer
und endet nicht selten in den kleinsten, lustigsten Stüb-
chen und Gelassen, vor hübschen Winkeln, biedern Möbeln,
vor dem Gartentor oder einer weinlaubumsponnenen Laube.
So vermitteln diese Hefte eine Klärung und Ordnung
unsrer Gedanken, ein geruhsames, gesammeltes und darum
wohl auch glückliches Sinnen. — dr. c. wuest-arosa.

*

lVTicht der ist wertvoll und für die Gesamtheit unent-
^ behrlich, der mit seiner Arbeit anderen Vergnügen
macht, mag es noch so kultiviert sein. Aber der ist's,
der das Vergnügen zur Triebkraft zu machen weiß
für den Wunsch nach Vertiefung und Veredlung und
für das Streben nach bleibenden Werten. — g.
 
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