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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 23.1912

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Eick, Hugo: "Penaten", [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7710#0043

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INN EN-DEKORATION

31

PROF. SCHULTZE-NAUMBURG. AUSF.: SAALECKER WERKST.

HERRENZIMMER. NUSSBAUM-MASER. WAND BLAUGRÜN

»PENATEN«

VON DR. HUGO EICK-SCHONDORF.

Die Siedelungsverhältnisse der heutigen Kultur lassen
sich auffassen als eine Rückkehr zum Wesen des
Nomadentums. Man vergegenwärtige sich zunächst,
wie sehr der landschaftliche Hintergrund unseres Lebens
nur eine sausend wechselnde Wandeldekoration ist. In-
folge der unabsehbar zunehmenden Schnelligkeit unserer
Verkehrsmittel, die den Begriff der Entfernung fast
illusorisch gemacht hat, werden Boden und Heimat immer
mehr zu einer kreisenden Flucht von Erscheinungen, in
deren Mitte sich der Mensch als unabhängig ruhenden Pol
fühlt. Eisenbahn, Automobil, Luftschiff etc. lösen den
Menschen immer mehr vom ortgebundenen Zustand pflanz-
licher Isolierung, verwischen die einzelnen Ortscharaktere
und mischen die Teile der Erdoberfläche zur uniformen
Einheit. — Unsere Großstädte sind in Wirklichkeit wim-
melnde Kreuzungspunkte aus- und einströmender Wande-
rungen ; die Häuser und Wohnungen sind steinerne Zelte
für längeren oder kürzeren Aufenthalt. Verschwindend
klein ist die Zahl derer, die ihr Leben lang im engeren
K-reis ihrer Heimat verharren. Wie wenige können noch
ihre Generation über den Urgroßvater hinaus verfolgen
oder kümmern sich um den Ort, in dem ursprünglich ihre
Familie jahrhundertelang zu Hause war. — Das Haus

selbst, in wenigen Monaten aufgeführt, wechselt fast jähr-
lich seine Bewohner. Ist dem Mietwohner, der mit viel-
leicht zehn Parteien seinen »Steinwürfel« bewohnt, der
Raum etwas anderes als die für mühselig erarbeitetes
Geld überlassene Familienhöhle, die er mit mehr oder
weniger Stil sich wohnlich zu machen sucht? . . . Die
Umzugszeiten innerhalb der Städte entsprechen dem ruhe-
losen Wechsel des Volkslebens, dem die Gefühle und Be-
griffe: Heimat und Vaterland großenteils nur zu geogra-
phischen Vorstellungen zu werden drohen.

Die Verbindung des Nomadentums mit der Vorstel-
lung heutiger Siedelungszustände aber gewinnt ihren tiefer
berechtigten Sinn, wenn wir die eben beschriebenen
Einzelheiten zurückführen auf ihre seelische Wurzelschicht.
Was dem Leben schweifender Völker wie dem neuzeit-
lichen Besitzverhältnisse fehlt, — dort noch nicht vor-
handen, hier schon wieder fast ganz verloren, — ist die
im ganzen Altertum lebendige »Religio des Raumes«.
Wie auch im einzelnen der Zusammenhang des Volks-
charakters mit seinem Klima, seiner Landschaft, seinem
Milieu zu erklären ist, jedenfalls fühlt der ursprüngliche
Mensch sich organisch eingefügt in die Einheit seiner
geographischen Umgebung, deren »Stil« er so gut trägt,
 
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