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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 23.1912

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Widmer, Karl: Von der Einrichtung des Speisezimmers
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https://doi.org/10.11588/diglit.7710#0442

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430

INNEN-DEKORATION

AUSF.: J. KELLER-ZÜRICH. ENTW.: PETER BIRKENHOLZ SCHLAFZIMMER. MÖBEL NUSSBAUM. DAM ASTBEZÜGE

VON DER EINRICHTUNG DES SPEISEZIMMERS

Als ein Raum, der einem genau bestimmten Einzelzweck
L dient, bietet das Speisezimmer den Vorteil, daß
sich dafür leichter eine einheitliche und charakteristische
Form entwickeln konnte, als für die Zimmer von allgemei-
nerer Bestimmung wie z. B. das Wohnzimmer. Die bei-
den Hauptgegenstände seiner Einrichtung, das Büfett und
der Eßtisch, geben dem Raum sein festes Gepräge. Da-
von ist wiederum das Büfett das eigentliche Charakter-
möbel des Speisezimmers. In seiner bekanntesten histo-
rischen Form, dem Renaissancebüfett, war es vor allem ein
Prunkmöbel, ein Schaustück. Es war eine in Holz umge-
setzte Architektur mit Säulen und Giebeln, auf der das
ebenfalls reichverzierte Schaugerät, die Teller, Kannen und
Krüge aus Majolika, Silber oder Zinn aufgestellt wurden.
Im Gegensatz zu dieser historischen Form des Büfetts,
die ihre Wiederkehr in dem modernen Speisezimmer nur
einer vorübergehenden Mode verdankte, ist das moderne
Büfett vor allem ein Gebrauchsmöbel. Es ist ein rich-
tiger Schrank, der zum Aufbewahren der großen Vorräte
des Tischgeschirrs bestimmt ist. Ein Aufsatz mit Glastüren
genügt zum Aufstellen von Stücken, die man zugleich als
Schmuck zeigen will: von Tafelaufsätzen, feineren Gläsern,
Silbergefäßen u. dergl. Aus dieser Zweiteilung in einen

unsichtbaren und einen sichtbaren Raum ergibt sich die
Grundform des typischen Eßzimmermöbels. Im Gegen-
satz zu den älteren Büfetts, die hoch aufgetürmt waren,
baut man das moderne Büfett nicht höher, als die Hand
bequem reichen kann, etwa anderthalb Meter. Dafür darf
es schon die Breite einer ganzen Wand für sich in Anspruch
nehmen. Im eigenen Haus wird man es mitunter als
festen Einbau mit der Wandvertäfelung verbinden. Als
Entlastung des Büfetts hat sich neuerdings die Kredenz
allgemein eingebürgert. Sie dient der aufwartenden Be-
dienung zum Abstellen des Geschirrs während der Mahl-
zeit. Von der alten Kredenz hat sich fast nur der Name
erhalten. Man gibt ihr jetzt meistens die Form eines
kommodenartigen Tisches ohne Aufsatz, mit Schubladen
und Fächern für die Tischtücher, das Besteck usw.

Was den Eßtisch betrifft, so hat sich die Anschauung
fast wie ein Dogma festgesetzt, daß dies ein viereckiger
Ausziehtisch sein müsse, den man in eine lange Tafel
verwandeln kann. Seine Form ist also ein Zugeständnis
an unsere Gesellschaften mit ihren Masseneinladungen.
Im Grunde genommen ist aber das Sitzen an der langen
Tafel — man denkt unwillkürlich an die Table d'höte —
das denkbar Ungemütlichste. Ein intimer Kontakt der
 
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