Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 23.1912

DOI article:
Warlich, Hermann: Ein Vierteljahrhundert Künstlerischer Kulturarbeit
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7710#0497

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
EIN VIERTELJAHRHUNDERT KÜNSTLERISCHER KULTURARBEIT

Zum fünfundzwanzigjährigen Bestehen der Verlagsanstalt
Alexander Koch in Darmstadt, am 27. Dezember 1912

Im Spiel der wirtschaftlichen und kulturellen Kräfte un-
serer Zeit hat sich ein Unternehmen eigener Art, der
moderne Kunstverlag, herausgebildet, bei dessen plan-
mäßiger Tätigkeit nun wieder jene wirtschaftlichen u. kultu-
rellen Faktoren, denen er seine Entstehung verdankte, eine
fördernde Wirkung ausüben. Diese bezeichnende Zwei-
seitigkeit, die kulturell-erzieherische und die wirt-
schaftlich-kaufmännische, bedingt dasbesondereGe-
füge eines neuzeitlichen Kunstverlages und stellt an seinen
Leiter nach diesen Richtungen hin Ansprüche, die in den
meisten anderen wirtschaftlichen Unternehmungen unserer
Zeit gänzlich unbekannt sind. Dieser Leiter muß ein be-
gabter Erzieher zur Kunst unserer Tage und gleichzeitig
auch ein weitschauender, großzügiger Kaufmann und
Organisator sein. Wer aber ein Erzieher seines Volkes
auf irgend einem Gebiete werden will, muß ein Charakter
sein, einen zähen, unbeugsamen Willen und eine uner-
schütterliche Ausdauer besitzen, wenn der Erfolg nicht
ausbleiben soll. Nirgends jedoch ist die Tätigkeit des
Erziehers schwieriger, vielseitiger, verwickelter und an-
strengender, sind die Ergebnisse unsicherer und schwerer
bestimmbar als in den Bezirken der Kunst. Das liegt im
Wesen der Kunst und jener Kreise unseres Volkes, die
der Erziehung zu einer künstlerischen Kultur überhaupt
fähig und geneigt sind; das wird bedingt durch die
Künstler selbst und ihre Werke, die erzieherisch wirken
sollen und vor allem durch die Mittel, mit denen man einen
erzieherischen Einfluß auf breitere Volksschichten auszu-
üben vermag. Die neuzeitliche Kunstzeitschrift in
ihrer höchsten Vollendung gehört hier zu den wertvollsten
undwichtigstenErziehungsmitteln fürweitereKreise.

In ihrer zweifachen Aufgabe: erzieherisch auf den
Künstler zu wirken und durch seine Werke wiederum
die für Kunst Empfänglichen mit den besten Schöpfungen
der Gegenwart bekannt zu machen, sie zur erlesensten
Geschmacksrichtung unserer Zeit hinzuführen, liegt der
höchste Wert einer modernen Kunstzeitschrift, aber auch
die Schwierigkeit bei ihrer Zusammenstellung und Heraus-
gabe. Der neuzeitliche Kunstverlag, die Werkstatt, in
der eine Kunstzeitschrift entsteht, muß deshalb eine ver-
ständnisvolle Arbeitsgemeinschaft umschließen, von dem
ernsten Wollen beherrscht, in jeder Veröffentlichung ein
vollendetes Ganzes, ein bei aller Vielheit und Viel-
seitigkeit des Inhalts dennoch erkennbare Einheit nach
Form und Richtung, ein kleines literarisches Kunstwerk
zu liefern. Dies Kunstwerk, dem das Zeichen des Meisters,
ihres Herausgebers, aufgeprägt sein muß, wirkt nun wie
jede gute Schöpfung aus Künstlerhand durch Inhalt und
Form belebend und befruchtend auf alle Empfäng-
lichen ein. Aus ihm quillt ein erfrischender Jungborn
künstlerischer Kultur der Gegenwart, der den
Durst auf lange stillt, in ihm ruht viel sterbliche, aber
auch manch unsterbliche Schönheit der Kunst unserer
Zeit, aus ihm spricht das Sehnen, Verlangen und Be-
gehren, das ernste Streben, Ringen, Mühen und Arbei-
ten der Künstlergenerationen unserer Tage. Von ihm
gehen die vielseitigsten und wertvollsten Anregungen
aus, die das Kunstschaffen der Gegenwart nach so
mancher Richtung hin befruchten, so vielen jugendlichen
Talenten, so manchem tastenden und suchenden Künstler
die sichere, zum künstlerischen Erfolg führende Richtung
deuten, so unendlich viel Liebe und Begeisterung für

Kunst und Schönheit in die breitesten Kreise unseres
Volkes tragen. So wird eine vollendet gute Zeitschrift
zu einem wichtigen Kulturträger unserer Zeit, dem
eine hohe erzieherische Bedeutung im Geistesleben
der Gegenwart zugestanden werden muß. Aber neben
dieser ideellen Seite besitzt eine solche moderne Ver-
lagsanstalt noch einen starken materiellen Einfluß
auf das wirtschaftliche Leben unserer Tage. Sie
bildet in dem verwickelten wirtschaftlichen Gefüge der
Gegenwart eine geschäftliche Erscheinung ganz eigener
Konstruktion, einen scharf umrissenen Arbeitsstaat im
Kleinen, der seine Einwirkung auf andere, mit ihm im
Zusammenhang stehende Betriebe in mehr oder weniger
großem Umfang ausübt. Alle die Gewerbe, die ihm ihre
Erzeugnisse liefern, die er zur Mitarbeit heranziehen muß,
auf die er anregend und fördernd einwirkt, erzielen mate-
rielle und ideelle Erfolge durch ihn. Da eine jede Publi-
kation, die herauskommt, ein kleines oder großes Meister-
werk nach Form und Inhalt, Druck, Papier, Schmuck
und Einband ist, so wird der materielle und ideelle Ein-
fluß eines modernen Kunstverlags auf die mit ihm arbei-
tenden zahlreichen anderen Gewerbe ein außerordentlich
großer nach mancher Richtung hin. Und hierdurch gelangt
ein solcher Verlag zu einer beachtenswerten und bedeu-
tungsvollen Stellung im volkswirtschaftlichen
Leben der Gegenwart, da er wie wenig andere Tätig-
keitsgebiete desMenschen gleicherweise kulturell er-
zieherisch und wirtschaftlich hebend wirken kann.

In der genialen Verknüpfung und Verwertung der
weiten Einflußsphären jener bedeutenden kulturellen und
wirtschaftlichen Seite derVerlags-Anstalt von Alexander
Koch in Darmstadt, in dem erzieherisch und geschäft-
lich gleich fördernden Einfluß ihrer Veröffentlichungen
und ihrer gesamten Tätigkeit, in dem starken Willen und
Wollen einer stets nach dem Höchsterreichbaren auf ihrem
Arbeitsgebiet unermüdlich strebenden ausgeprägten Per-
sönlichkeit, liegt das große und anerkannte Verdienst
Hofrat Alexander Kochs, der nun auf ein Vier-
teljahrhundert ehrlicher, ernster, erfolgreicher Arbeit
zur Förderung der deutschen Kunst unserer Tage zurück-
schauen kann. Heute steht sein Werk und seine Werk-
statt vollendet da, ein Vorbild zur Nacheiferung für die
Gegenwärtigen und Kommenden auf seinem Arbeitsgebiet.
Wie alles Gute und Große im Bereiche ernster Menschen-
arbeit ist auch sein Werk ein organisch Gewordenes,
ein langsam und mühevoll mit zäher Ausdauer, fester
Überzeugung und treuer Hingabe Geschaffenes, in dessen
Entwickelungsgang die Enttäuschungen und Widerwärtig-
keiten, die Rückschläge und Einbußen nicht gefehlt haben
und nicht fehlen konnten. Den schweren Kampf gegen
Beharrungsvermögen und Verblendung auf neuzeitlich-
künstlerischem Gebiet hat kaum ein anderer Kämpfer um
Kunst, Geschmack und Schönheit des künstlerischen
Schaffens unserer Tage so kennen gelernt als Alexander
Koch. Aber auch nur wenige andere haben solch große
und bleibende ideelle Verdienste um das Herauf-
führen, Fördern, Stärken und Ausbauen der neu-
zeitlichen Kunst sich erworben als er. Fünfundzwanzig
arbeitsreiche Jahre der Aussaat und des Reifens sind
ihm im Streben nach dem Besten auf dem Gebiet der
Kunst dahingegangen. Mögen die kommenden Zeiten nun
die verdiente Ernte bringen! — dr. hermann warlich.
 
Annotationen