Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 23.1912

DOI Artikel:
Eick, Hugo: "Penaten", [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7710#0044

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
32

INNEN-DEKORATION

PROFESSOR PAUL SCHULTZE-NAUMBURO.

KAMIN-NISCHE MIT VITRINE IM SPEISEZIMMER

wie die Pflanzen und Bodenformationen. Je mehr er
Teil und Staffage dieses besonderen Naturausschnittes
ist, um so notwendiger ist der ihm zum Leben, um so
mehr ist eine Trennung von ihm für ihn dasselbe, was für
die Pflanze die Versetzung in eine andere Bodenart ist.
Der daraus entstehende Krankheitsprozeß heißt »Heim-
weh«. Und je mehr sich dies Verwandtschaftsgefühl
nicht auf gedanklich faßbare, bewußte Gründe und Zwecke
stützt, je mehr es allein in der geschichtlichen Tatsache
dieser Einheit liegt, — um so selbstverständlicher und
unbezweifelbarer ist seine Vaterlandsliebe — welche eben
in erster Linie eine Liebe zum Lande ist. Wenn uns
heute die Vaterlandsliebe in diesem Sinne verloren zu
gehen droht, so ist es vor allem die sinnliche Berührung
mit diesem sichtbaren Landschaftsstück, die sinnliche Er-
fassung eben dieses augenblicklichen Bildes, welche uns
allmählich verkümmert. Die abstrahierende Neigung
unseres Geistes (als Nottugend unserer Entsinnlichung)
entfärbt die Vorstellung der Heimat vom überblickbaren
Landschaftshorizont zum geographisch-politischen Atlas-
gebiet, wie es die Geschichte gerade bestimmt hat; vom
erlebten Anblick des heimatlichen Waldes, vom spezi-
fisch e n Duft der einzelnen Stadt zum Begriff der »deutsch-
sprechenden Gebiete«. Dies Vaterland aber kann man
weder innerlich umfangen noch aus Erlebnis lieben. Dem
gegenüber liebte das Altertum diese Baumnymphe,
diesen Flurgott, den nur hier wohnenden Dämon ....

Um nun diesen Gedanken verengend auf Wohnung und
Haus anzuwenden, ist ein Wort über das Wesen der
Form vorauszuschicken: Form ist Leben, und Formen
heißt, in das Wesen des Lebens eingreifen. Die Bedeu-
tung dieser Maxime zu verstehen und zwei gewohnte
Worte wieder mit dem Gehalt ihres ursprünglichen Sinnes
zu füllen, ist schwer für eine Zeit, die den Begriff der
Form entseelt hat. — Wenn zu alten Zeiten eine Stadt
gegründet werden sollte, grenzte die Augur, nach Maß der
himmlischen Bereiche, durch Furchen einen geweihten
Raum, »Templum«, ab. Mit dieser Einzäunung eben
schuf er das Templum und zog er auf diesem Gebiet
im Augenblick der Umgrenzung jene metaphysischen
Kräfte zusammen, die den Platz zum Zentrum außer-
ordentlichen Lebens machten. Zwischen Stadtmauer und
eigentlicher Stadt ließ man noch einen Streifen geweihten
Bezirkes, das »Pomerium«. Die Stadt stieß also nicht
unmittelbar an das profane Land, sondern war von ihm
noch durch einen Gürtel schützender »Religio« getrennt.

Um den Vorgang nahe zu bringen, der im ursprüng-
lichen Menschen sich vollzog bei der Herstellung eines
umhüllenden Raumes, erinnern wir zunächst an die Ge-
fäß-Symbolik jener Südsee-Völker, die mit jeder
Urne, jedem Topf die Vorstellung eines Lebendig-S e e -
lischen verbanden — eines Seelischen, das im Augen-
blick der Gefäß-Formung da ist und diesem innewohnt.
Was nun, — uns heutigen gänzlich verloren, — im Über-
 
Annotationen