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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 63.1912-1913

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Messerer, Ernst: Franz Ringer
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https://doi.org/10.11588/diglit.7141#0332

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6\5.

Soxraporta-Bemalung;
Eingang zu einem Weinkeller
von Franz Ringer.*)

Lranz (Anger.

(Von Srnst Messerer.

in tiefes Lehnen nach Glück durch-
zieht die Menschheit von heute,
trotz Zunahme des Volksreich-
tums, trotz großer Fortschritte
und Erfolge auf allen Gebieten
menschlicher Betätigung, trotz
Wohlleben, Luxus und Komfort.

Aber was ist Glück? Rousseau betont am Ende
eines vielbewegten Lebens in seinen Bekenntnissen
des öfteren, daß nicht der Besitz von Menschen oder
Dingen ihn glücklich gemacht habe, wohl aber ein
paar an sich nichtige Erlebnisse, ein Gesühlsaustausch
mit einer geliebten Persönlichkeit, ein harmlos ver-
lebter Tag mit lieben Menschen, ein wunschloses
Dahinträumen in der Einsamkeit der Natur. And
fragt man sich selber: Was waren die tiefsten glück-
haftesten Eindrücke in deinem bisherigen Leben, so
findet man rückschauend immer wieder, daß es Ein-
drücke seelischer Art waren, Affekte des Gemütes.
Weiter haben fast alle Philosophen als Früchte ihrer
Selbsterkenntnis verkündet: das wahre Glück liegt
nicht im materiellen Besitz und Genuß, sondern im
Menschen selbst, in seinem Gefühlsleben.

Dieses Gefühlsleben zu steigern, das Apathische
der Seele zu reizen, angenehme Empfindungen her-
vorzurufen, dessen ist in erster Linie die Kunst und,
weil uns am nächsten stehend, die angewandte Kunst
fähig und berufen.

Mit diesen Worten dürfte, wie dem Verfasser
dünkt, das Glaubensbekenntnis und die künstlerische
Richtungslinie Franz Ringers wiedergegeben sein,
des liebenswürdigen Künstlers, dem diese Blätter

*) Die sämtlichen Bilder dieses bfeftes stelle» Werke von
Franz Ringer dar.

gewidmet sind. Entwerfen heißt bei Ringer: emp-
finden. Ich könnte mir leicht vorstellen, daß der
Künstler eine Aufgabe, die ihn kalt lasseit müßte,
vielleicht, weil der Auftraggeber etwas Nüchtern-
Schematisches verlangt, ruhig zurückweisen würde mit
den Worten: Das widerstrebt meinem Gefühl. Eine
Fülle von tiefen Empfindungen geht ihm unbewußt
über in Stift und Pinsel und ersteht in neuem Glanze
wieder auf dem Papier, auf der Leinwand, in Ton,
in Holz, in jedem Material, das seine Schöpferhand
meistert und damit belebt, beseelt und durchgeistigt.
Es gibt Dichtungen, die kein Mensch unbewegt aus
der Hand legen kann, er müßte denn ein Rohling
sein, näher dem Tiere als dem „sich selbst erkennenden"
Menschen. Solche Dichtungen in Linie, Form und
Farbe schenkt uns Ringer. Keine sentimentalen Rühr-
seligkeiten oderGruseligkeiten, sondern aufrechte, starke,
Herz und Sinn erquickende Gaben einer heißen
Künstlerseele.

Ich habe Hunderte von Blättern seiner nimmer-
müden Hand gesehen; keines war darunter, das dem
Beschauer nicht etwas Angenehmes, bester gesagt
Wertvolles zu sagen hätte. Eine solche, dem Innen-
leben dienende Kunst hat auch eine kulturelle Be-
deutung, besonders in einer Zeit, über die ein ernster,
philosophischer Geists mit Recht klagt, daß sie mit
ihren Anforderungen und Darbietungen langsam,
aber sicher zugrunde richtet. Das moderne Leben,
sagt der genannte Autor, zersplittert, verflacht, zehrt
aus, überanstrengt, erschöpft und vergewaltigt uns
geistig und körperlich. Was die Jugend an Ur-
sprünglichkeit und Lebenskraft mitbringt, läßt es ver-

i) Dr. Johannes Müller in seinein „Problem des
Menschen".



Kunst und Handwerk. 63. Iabrg. Heft 8.

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