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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,1.1901-1902

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Heft 3 (1. Novemberheft 1901)
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Lose Blätter
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7613#0135

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mich anders . . . Es gibt so vicle Dinge, dic mich mehr schmerzen könnten. . .
ivenn du es liebst, Schmcrzcn zu bcreiten . . . du sollst sehcn .. . Abcr dies arme
Kind hat nichts gethan . . . Was ich gesagt habe, ist nicht wahr. . . aber ich
wutzte nicht. . . Jch weiß wohl, ihr seid sehr gur... Man muß wohl schlietzlich
verzeihen! . . . Er ist so jung, cr ist so schön und er ist so klein . .. Jhr seht,
es ist nicht möglich!.. . Er lcgt scine kleincn Hände um cuern Hals, seinen
kleincn Mund auf euern Mund; und Gott selbst kann nicht widcrstehen . . . Jhr
ivcrdet öffnen, nicht wahr? . .. Jch verlange fast nichts ... Jch soll ihn nur
einen Augcnblick haben, nur einen ganz kleinen Augenblick!.. . Jch erinnere
mich nicht... Du bcgreifst... Jch hatte kcine Zeit... Es braucht fast nichts,
datz cr hindurchschlüpft . . . Es ist nicht schwer . . . (Langcs unerbittlichcs
Schweigen;) Ungcheuer! . . . Ungeheuer! . .. Jch speie! ...

(Sie sinkt niedcr und fährt fort, leise zu schluchzen, die Arme in der Finstcrnis
auf die Pforte gebreitet.)

RunclsckLU

Lckteratur.

* Unter dcrlleberschrift „Wo stehcn
w i r?" hat nculich O. I. Bicrbaum im
„Lit. Echo" die geschriebene Wclt oon
heute so photographicrt, wic sie in
seiner Camera aussieht. Ueber die
„modcrne Bcwcgung" hcitzt cs da, in
ihr sei seit dcm Jungcn Dcutschland
zum erstcn Mal wiedcr dic dcutschc
Litcratur jung geworden. „Wir waren
jung, und das war schön, wennglcich
es wcder an Kinderkrankhciten, noch
an den mehr charakteristischen als an-
mutigen Erschcinungcn dcr Rüpcljahre
gefchlt hat. So konnten ivir uns von
Grund aus cntwickeln, wie es der
natürliche Gang ist, setztcn uns nicht
sogleich wie faule Erbcn in das be-
hagliche Gestühl dcr Altcn, sondern
liefen und suchten kreuz und gucr, was
ivir für unser schnsüchtiges Wesen als
Neiz und Nahrung brauchten, und
arbeitetcn uns rcchtschaffcn aus, in
launenhaft verdrchten Untcrnehmungcn
sowohl wie in gut bcdachten, bis wir
ruhigcr wurden auf ciner gewissen
Hühe und sahen, es sei für den Mann
wohl das Beste und Gedcihlichste, dort
anzuknüpfcn, wo von dcn Bätern hcr
das Vand dcr Entwickclung am stärk-
stcn ist." Die jetzigen „Jüngstcn'da-
gegcn scicnästhetischcKapitalistcn,denen
das Lcben zu lcicht würde, viclfach

hyperästhetisch, ncurasthenisch, hy-
sterisch und „inncrlich zu alt', „sie
werden weder sich noch den Gang der
poetischen Enrwickelung wcscntlich vor-
wärts bringcn; ihre schöngcistigen
Spiele mit Worten und Scnsationen
wcrdcn als dckadentes Jntcrmezzo den
zukünstigcn Literaturhistoriker mehr be-
schäftigcn als die Gcgcnwart.''

Es ist erfreulich, was andere Leute
unter der Gefahr als reaktionär zu
gelten, lange gesagt habcn, nun auch
vou einem Berrreter der Modernen zu
hören. Wir unscrseits denken abcr
über jeden Versuch, die „poetische Ent-
wicklung' durch Schulen ,vorwärts
bringcn' zu lasscn, rccht skeptisch. Der
älteren Moderne auch als Schule bleiben
trotz all ihrer Seitensprüngc unzweifel-
haft kritische Verdienste, und zwar
zumeist solchc negaliver Art, denn für
das Verständnis unsrer damals noch
wenig gekannten grotzen Deutschen,
der Hebbel, Ludwig, Mörike, Keller, hat
sie blutwenig gelhan, unsere Agitation
für Keller z. B. im Anfang sogar be-
kämpft.* Kommcn die Hcrren dazu,
bci diescn Männcrn „anknüpfen" zu
wollcn, so sind sie eben endlich bclehrt.

* Vgl. .Keller und die Nezensenten',
Kw. III, 23.

z. Ilovembcrbeft zgot
 
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