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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,1.1901-1902

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Heft 12 (2. Märzheft 1902)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7613#0623

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Lole Vlätter.

Zus carl I)auprnianns „Sei-gsckrnieäe."

Vorbemerkung. Wer Berliner Zeitungen verfolgt, erinnert sich von
dcm ganz ungewöhnlich tiefen Eindrucke gelesen zu habcn, den dort der Vortrag
von Carl Hauptmanns noch ungedruckter dramatischer Dichtung „Die
Bergschmiede" gemacht hat. Darüber, daß man's mit eincm höchst eigentümlichen
und an dichterischeu Werten reichcn Werke zu thun habe, warcn, so viel wir
gesehsn haben, die llrteile einig, vielfach abcr meinte man, daß dieses noch so
bedcutende Werk fürs Lesen, abcr nicht für die Bühne tauge. Ob man darin
Rccht hat, ist uns sehr zweifelhaft: hätte man z. B. seinerzcit das „Hannele"
von Carls Brudcr nicht gleich auf der Bühne kenncn gclernt, sehr möglich,
man hätte auch übcr dieses Werk so gedacht — in Sachon der Bühnenwirk-
samkeit irren sich bckanntlich die ältesten Praktiker gelcgentlich, und nichts
entscheidet darüber, als der Versuch. Sind alle Hörer darüber einig, daß die
„Bergschmiede" einen Versuch mit der Bühne wert sei, so liegt aber die Sache
für dcn Theaterpraktiker noch anders, denn wenn die Schönheiten dieses Werkes
auf dem Theater überhaupt „herauskommen," so wirken sie unzweifelhaft auch
stark. Wir unserseits finden vieles in diescm Werk nicht dramatisch, aber
weniges nicht bühncngemäß und manches sogar überraschend szenisch gesehen.
Selbst, daß der Akt, den wir abdrucken und in dem die Kühnheit so weit
geht, die Winde sprechen zu lassen, für die Bühne uicht zu retteu sei, halten
wir noch für zweifelhaft. Er aber ist es, den die Kritik „ebenso bcwunderns-
wcrt wie bühnenumnöglich" nannte.

Der alte Schmied, der in der Bcrgschmicde am Hangc dcs Riesengcbirges
haust, ist ciuer dercr, von welchen das Volk sagt: sie stehen mit dcm Büsen
nn Bund: ein einsamer Mann mit dem unbändigen Durst nach ungchindcrter
Entfnltung seines Jchs, nach jencr „Erlösung" zu Frciheit, Macht uud bcteili-
gendcr Liebe, um die er auch über Verbrcchcn schreitct und die ihm doch selbst
wicder als eitler Traum crscheint. Ucber Verbrechen hinweg hat er cin Ntädchen,
die noch cin Kind ist, sich gewonnen, nun weilt sie bei ihm, zittcrt vor ihm,
strebt von ihm zu ihresgleichcn, dem Schmicdegescllen, der sie bcgehrt, und
ist doch nicht fähig, das „Laß mich" zu sprechcn, das den Bann lösen würde.
Als cs zum klaren Wort zwischcn dem bloßen Mcnschen und dcm Ucber-
gewaltigen kommt, versällt sie wieder dem „Meister." Wie all das dargestellt
ist, mag man in dem Buche nachlesen, das bald bei Bechmann in Eiscnach
erschcinen wird. Wir gebcn heutc nach dem Manuskript den so viel besprochenen
dritten Mt, der auch cine klcinc Tichtung für sich ist. Der Schmied, der drobcn
nach Gold gräbt, hört auf die Stinnnen seines eigenen Jchs nicht, die als
„frischer Wandercr" zu ihm tretcn. Jn der Art, wic die Secle dcs Schmiedes
hier gleichsam auseinandcrgelegt ist nicht nur in zwei Gestalten, sondern auch
in cin Naturbild mit seincr Mannigfaltigkeit, und wie dieses Naturbild wiederum
redend bewegt wird, bildct dieser Akt in unserer moderncn Dichtung gleichsam
eine Gruppe für sich.

Auf der Kammhöhe um Mitternacht. Gctürnite Blöcke hebcn sich gcgcn
den fahlen Nordschein wie steinerne Götterhäupter ab. Links ein Dämmer-
crfüllter Grund. Jn den Felsen eine Quelle. Zur rcchtcn und ticfer hinein
breiten sich die einsamen, weiten Kammwiescn. Am Himmcl treiben unauf-
hörlich wilde Wolkeuhcere, die dann und wann Aetherseen mit Stcrncn frei

2. Märzheft 1902
 
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