Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben (15,1.1901-1902)

lassen. Um die Mondsichel sind dunkle Wolken hastend geschaart. Der
Sturm zieht heulend und stöhnend durch die Felsen und saust wirbelnd übcr
die Kammwiesen, gespenstisch mit leichtcn Nebeln spielend.

Aus dem Sturm klingen wie vcriveht und abgerissen zuerst nur ver -
einzelte Laute und Worte, dic sich allmählich aus Pfeifen und Tosen
der Elemente in einen Chor vcrwandcln.

Nacht . . . Nacht . . .

Jn Nacht sanken wir.

Urgestein sind wir geworden.

Götter mähen die Seelen wie Gras.

Leben — Leben ist Morden.

Wehlaute ziehen und klagen
Hauchen durch Einsamkcit.

Steinern sind wir begraben,

Starre Felsen wir ragen
Seit grauer Zeit . . .

(Dazwischen heult immer wieder der Sturm.)

Ach! aus der Nacht klagen wir,

Sehnen uns gierig nach Morgenlicht,

Sonne wärmte uns längst
Und die Qucllcn rinncn.

Abcr wir Felsen sind starr . . .

Erlösung! . . . Erlüsung . . . !

Lieblichere Stimmen dazwischcn:

Wir schliefen — ...

Wir schliefen . . .

Die zitterndcn Strahlen riefen.

Nun tasten wir ins Licht.

Erde sind wir geivescn,

Erde und starrer Stein.

Zum Licht sind wir genesen,

Tastcn in Lüfte hinein.

Was in Tiefen verborgcn
Schlummcrte ohne Trauni,

Tragen wir auf zum Morgen.

Ewig aus stummem Grundc
Ningen Seelcn namenlos.

Was noch Stcin gcwescn,

Ringt sich los.

Ringt in Himmels Licht,

Hebt ein Seclcnangcsicht
Rein und bloß.

Darein wieder in wildem Pfeifen und Toscn des Sturmes dic düsteren
Stimmen dcs Anfangs:

Ach! aus dcr Nacht klagcn wir.

Schnen uns gierig nach himmlischem Licht.

Erlösung! . . . Erlüsung! . . .

Steigen und wallen
Gestalten los . . .

Hauchen durch Einsamkeit

Aunstwart