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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,1.1901-1902

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Heft 5 (1. Dezemberheft 1901)
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Bartels, Adolf: Christian Dietrich Grabbe
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Hirschberg, L.: Karl Loewe, ein Tondichter der Kinderwelt
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https://doi.org/10.11588/diglit.7613#0300

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zu schreiben. Ganz an ihrem Platze ist Grabbes Weisc in der barockeir
Komödie, wie er in „Scherz, Satire, Jronie und tiefere Bedeutung"
eine geschrieben hat, da sagen wir „je verrückter, desto besser", und ich
halte dieses Werk denn auch für das beste seiner Art in unserer Lite-
ratur, höher als Tiecks satirische Komödien. Den absoluten Nihilismus
verrät es freilich auch, man lese nur seine Versteigerung der weiblichen
Tugenden.

Wo bleibt nun aber Grabbes wirkliche Bedeutung? Nun, ich sagte
schon, er hatte Einfälle, und Einfälle in der That hatte er so viel, daß
er allein damit zur Not allen unscrn jetzt lebenden Dramatikern für
ihr Leben hätte aushelfen können. Und dann: Sein im ganzen reali-
stisches (wenn auch nicht ganz echt realistisches) Drama wirkte seinerzeit
dem hohlen Jambendrama nachschillerscher Zeit entgegen und bahnte
nebenbei noch dem modernen Milieudrama den Weg. Ob das letztere
ein Verdienst ist? Jch fürchte, viele Milieudramen entstehen nur dadurch^
daß ihre Verfasser, cpische Talente, sich nicht dramatisch zu konzentrieren
vermögen, aber einerlei, wir haben einmal die Gattung, und einiges in
ihr kann unzweifelhaft künstlerisch bestehen. Dann ist Grabbe natttrlich
auch ein Repräsentant seiner sittlich aufgcwühlten Zeit, dcr jungdeutsche
Geist, der bald darauf eine Weile lang der herrschende wurde, war schon
in ihm mächtig. Abcr als Dichtcr bcdeutete schon Georg Büchner mchr
als er, und Hebbel und Ludwig, die das sind, was Grabbe scheinen
möchte, schlagen ihn völlig aus dem Feld. Daß er doch noch lebt, vcr-
dankt er, wie ich schon sagte, wesentlich der Unreife der Jugcnd — ein
Sammelsurium genialischcr Einfälle gcht natürlich leichter ein als ein
streng künstlerischer Organismus, auch pflcgt ja das Himmelsstürmerische,
und ob es sclbst roh und phrascnhaft ist, die Werdcnden ganz natürlich
anzuziehen. Jst doch selbst Rudolf von Gottschall, jungdeutsch befangen,
noch davon überzeugt, daß Grabbe der pair Hebbels sei, und hat dvch
Karl Bleibtreu, der vielleicht cine Art Grabbe unserer Tage ist, Hebbel
eine „krankhafte Mißgeburt aus Lenz und Grabbe" genannt. „Wie will
man da die Jugend tadcln?" Arbeiten wir lieber alle miteinander
daran, daß wir Deutschen besser das Unterscheiden lernen.

Adolf Bartcls.

kiarl Ooewe, ein üonäickter cier kiinciervc'ell.

Für die höchst auffälligc Thatsache, daß auf der Berliner Aus-
stellung ,Die Kunst im Leben des Kindcs" dic Musik so gut wie günzlich
unberücksichtigt geblieben war, läßt sich schlechterdings kein zureichender
Grund finden. Auf die praktische Anwendung der zahllosen Wicgen-
lieder aus alter und ncuerer Zeit zum Einschlüfcrn dcr Kleinen muß
allerdings gemäß den heutigen Anfordcrungen dcr Kinderheilkunde vcr-
zichtet werden, wenngleich wir älteren Leute selbst trotz des Einwiegens
noch leidlich vernünftige Menschen gewordcn sind. Aber wie viele wcrt-
vollc Kompositionen für die Kindcrwelt gibt cs sonst noch l

Greifen wir aus ihrer großen Zahl heute fürs Weihnachtsfcst die
eines Meisters heraus, zunüchst, wcil sie erst neuerdings dcn Musik-
frcunden zugänglicher gemacht wordcn sind, dann aber, weil cs inter-
essant ist, einen Tondichter, der durch andere Schöpfungcn lüngst der
Aunstwart
 
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