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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 15,1.1901-1902

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Heft 3 (1. Novemberheft 1901)
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Avenarius, Ferdinand: Hofkunst und andere Kunst
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Bonus, Arthur: Mystisches
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https://doi.org/10.11588/diglit.7613#0106

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die große Aklenrevision der Zukunfl den Posten gelten läßt, darauf
kommt's an, und nicht nur keine staatliche Autoritüt, sondern überhaupt
kein Mitlebender weiß das.

Wir sind von unserm Thema nicht abgeirrt. Wir rvollten darauf
himveisen, daß die Hofkunst, die nach der großen Mehrzahl der Er-
fahrungen vom Berliner Schloß aus gepflegt wird, etwas Wesens-
verschiedenes ist von der Kunst, in deren Dicnste wir stehen. Hält
man sich das bewußt, so kann man ihre Ausbreitung mit voller Ruhe
betrachten als ein den Ohren und Augen großenteils ganz wohlgefälliges
Spiel von Dekorationen zu Nutzen ciner um Deutschland hochverdienten
Dtznastie. Das Weiterbilden des Phantasie- und Empfindungslebens
der Nation, das freilich ist eine andere, das ist die Aufgabe einer
in Scherz und Trauer ernstercn Kunst. Unterdrückung der Hofkunst zu
wünschen, wäre nicht nur eine Thorheit, sondern auch eine Ungerechtig-
keit. Was wir wünschcn müssen, ist vielmehr bewußte Unter-
scheidung zwischen ihr und der sachlichen Kunst. Darum halten wir's für
geboten, daß sich die Pflege dieser sachlichen Kunst des nach klärendem
Ausdruck ringenden Jnnenlebens mehr und mehr von dem Einflussc
irgendwelcher Autoritäten aller der Gebiete loslöse, die ihrer eigentlichen
Arbeit wesensfremd sind. Erreichen wir das, so ist viel gewonnen, vor-
läufig haben wir's noch lange nicht erreicht. A.

sVlysiisckes.

Unser Tagesleben ist nicht unser ganzes Leben. Es ist wie ein
Pfahlbau über einem flutenden Wasser von Traumlcben aufgebaut.
Ein großer Teil unsres wachen Lebens vcrlüuft im Kampf gegen das
innere Leben, das die Seele in Träume und Unendlichkeiten führt.
Fast kein Augcnblick im Pfahlbau wird ganz ohne die Nücksicht auf die
unterirdischen Wasser gelebt, obwohl diese stete Rücksicht als das Ge-
wohnte nicht oft ins Bewußtscin fällt. Aber Augenblicke gibt es, wo
die Wasser wilder werden oder ihre großen und seltsamen Ungcheuer
ausschicken, und dann wird der Kampf auf dem Wasscr zu eincm Messer-
kampf und jeder Augenblick gebiert uncndliche Schrccknisse. Ein großcr
Teil der sogenannten Lebenskunst besteht rein negativ darin, diese
Situation vergcssen zu machen. Abcr wenn ein Ton, cin Wort,
eine Wendung, eine Geschichte, cin Bild, ja ein Duft über den Feldern
uns zusammenschauern ließ, uns in bange Träume versetzte, aus denen
wir schwer wiedcr auftauchten, so mar es, weil sie die Wasser bemegten.
Wir nennen das „stimmungsvoll", ahmen cs künstlich nach und züchten
Sentimentalitäten damit, zuweilcn auch Geschwätz. Wenn aber ein
großer Künstler darüber gerüt, so ist nicht abzusehen, weshalb hier
nicht eine neue Dicht-Gattung cntstehen sollte, wie Julius Hart meint.*

Es ist ja das die Entwicklung der Kunst überhaupt. Ursprünglich
tritt sie mit ungeschiedenen Möglichkcitcn auf; ltzrische, epische, dramatische
Elcmente ineinander — um nur das zu ncnnen, was man gewöhnlich
nennt — religiöse, cthische, wisscnschaftliche, seiernde Tcndenzen, Gesang,
Dichtung, Tanz, Tonkunst ungetrennt. Aber allmählich baut sich die

* Vgl. die Besprechung in Naumanns „Patria", S. 164 ff.
Aunstwart

so
 
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